Wohnbauland in Wien: Preistreiber Privatunternehmen

13. Februar 2023

Auf dem Wiener Bodenmarkt ist nicht nur ein enormer Preisanstieg, sondern auch eine eindeutige Verschiebung von öffentlichen Einrichtungen, gemeinnützigen Bauvereinigungen und Privatpersonen hin zu Privatunternehmen zu beobachten. Boden ist unverzichtbar für die Befriedigung vieler Bedürfnisse des alltäglichen Lebens, allen voran Wohnraum. Um den hohen Anteil sozialer Wohnungen in Wien zu sichern, braucht es Maßnahmen gegen die gewinnorientierte Nutzung von Boden und gemeinwohlorientierte Eigentumsformen.

In Wien lebt etwa die Hälfte der Menschen in Gemeindewohnungen oder gemeinnützigen Wohnungen. Beide zeichnen sich durch niedrigere Mieten als auf dem privaten Markt aus. Eine gute Ausgangslage – trotzdem steigt die Wohnkostenbelastung in Wien, vor allem auf dem privaten Mietmarkt.

Steigende Mieten werden oft mit einer hohen Nachfrage durch zum Beispiel Bevölkerungswachstum erklärt. Ein viel zitierter Lösungsweg: „Bauen, bauen, bauen“ zur Ausweitung des Angebots (wie zuletzt hier). Dieser Ansatz ist nicht nur klimaunverträglich, denn der durch Neubau induzierte Flächenverbrauch und die damit einhergehende Bodenversiegelung zählt zu einem der drängendsten Umweltprobleme unserer Zeit, er führt auch am eigentlichen Problem vorbei. Das ist nämlich viel grundlegender als eine bloße Wohnungsknappheit, da hinter der Wohnungskrise eigentlich eine Bodenkrise steckt. Dieser Studie zufolge können Grundstückspreise 80 Prozent des Immobilienpreisanstiegs (in 14 Staaten des Globalen Nordens zwischen 1950 und 2012) erklären. Wenn Grundstückspreise steigen, erschwert das den Bau leistbarer Wohnungen für Bauträger:innen aller Art, was wiederum einer gerechten Verteilung von Wohnraum im Weg steht.

Bodenpreise steigen trotz Überangebot an Wohnungen

Die Erzählung, dass der Bau neuer Wohnungen notwendigerweise zu einer Entspannung auf dem Wohnungs- und Bodenmarkt führt, hat ihren Ursprung in der neoklassischen Wirtschaftstheorie: Diese geht davon aus, dass Grund und Boden ebenso wie Kapital (also produzierte Produktionsmittel sowie Finanzmittel für Investitionen) unmittelbar auf den Druck von Angebot und Nachfrage reagieren. In dieser Logik werden Preissteigerungen auf eine Angebotsknappheit zurückgeführt, der mit einer Erhöhung des Angebots entgegengewirkt werden kann, bis sich der Preis wieder im „Gleichgewicht“ befindet. Im Falle steigender Wohnungs- und Bodenpreise entspricht eine solche Erhöhung des Angebots dem Bau neuer Wohnungen oder dem Ausweisen von zusätzlichem Bauland.

In Wien ist die Bevölkerung bis 2017 tatsächlich schneller gewachsen als das Wohnungsangebot. Seit einigen Jahren wird jedoch mehr gebaut, als rein quantitativ eigentlich gebraucht würde. Ein solches Überangebot hätte eigentlich zu sinkenden Preisen führen sollen, aber die sind immer weiter gestiegen: Die diesem Artikel zugrunde liegende Auswertung der Kaufpreissammlung Liegenschaften Wien zeigt, dass sich die Preise für Wohnbauland (also unbebaute Grundstücke und Abbruchobjekte mit Wohnbaulandwidmung) zwischen 2000 und 2019 mehr als verdoppelt haben. Insbesondere nach der Finanzkrise im Jahr 2008 haben die Preise angezogen und stiegen in nur zehn Jahren von 395 auf 967 Euro/m2 im Jahr 2019.

Boden als Handelsware

Aufgrund besonderer Merkmale von Grund und Boden gelten für Grundstücke nicht dieselben Preismechanismen wie für andere Produktionsfaktoren: Boden ist unbeweglich, unvermehrbar und sein Wert steigt mit der Zeit – ganz ohne anfallende Kosten. Da Boden nicht produziert wird, basiert sein Preis nicht auf Herstellungskosten, sondern allein auf der Spekulation auf Erträge, die er abzuwerfen verspricht, zum Beispiel aufgrund einer besonders attraktiven Lage. Dieser Ertrag wird auch durch den Begriff der ökonomischen Rente beschrieben. Das ist der Ertrag, der nach Abzug der Produktionskosten vom Preis eines Produkts übrig bleibt, sozusagen ein leistungsloser Gewinn. Im Falle des Bodens entsteht der Grundstückswert durch öffentliche Leistungen, zum Beispiel durch wertsteigernde Grundstückswidmungen in der Bauordnung oder städtebauliche Maßnahmen, die bestimmte Lagen besonders attraktiv machen. Bodenrente ist dann der Gewinn, der den Grundeigentümer:innen ganz ohne Gegenleistung allein durch den Grundbesitz zugutekommt (z. B. in Form von Mieterträgen oder Pacht).

Die Unvermehrbarkeit des Bodens führt zur Entstehung hoher Bodenrenten, sodass er unabhängig von der Nutzung als Geldanlage nachgefragt wird. Weil diese Nachfrage nicht mit einer Angebotserhöhung erwidert und so ein Gleichgewichtspreis hergestellt werden kann, führt erhöhte Nachfrage nach Boden zu immer weiteren Wert- und Preissteigerungen. Während sich Anleger:innen über hohe Gewinne freuen können, führt die zweckentfremdete Nutzung dazu, dass die sinngemäße Nutzung z. B. als physische Grundlage für Wohnraum unleistbar wird – Boden sollte deshalb nicht als Ware, sondern als Gemeingut behandelt werden.

Bodenpreise steigen, wenn Private den Markt dominieren

Das Gegenteil ist jedoch der Fall, denn private Unternehmen dominieren zunehmend den Wohnbaulandmarkt. Privatunternehmen sind hier definiert als juristische Personen des Privatrechts, wie beispielsweise GmbHs. Deren Anteil an gekauften Flächen stieg von 51 Prozent im Zeitraum 2000 bis 2004 auf 71 Prozent im Zeitraum 2017 bis 2020. In absoluten Zahlen entspricht das einem Anstieg von durchschnittlich 35 auf 58 Hektar pro Jahr. Im 21. und 22. Bezirk, den Bezirken mit den meisten Flächenverkäufen, stieg der jährliche Flächenumsatz (die Summe der Fläche, die in einer bestimmten Zeit Eigentümer:in wechselt) privater Unternehmen um 807 Prozent.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Während Privatunternehmen so ihre Bedeutung am Wohnbaulandmarkt deutlich gestärkt haben, ist sowohl der relative (also im Vergleich zum Gesamtumsatz) als auch der absolute Flächenumsatz bei öffentlichen Einrichtungen (Gebietskörperschaften, Wohnfonds Wien, juristische Personen mit öffentlichem Charakter), Gemeinnützigen Bauvereinigungen (GBV) und Privatpersonen rückläufig. Während öffentliche Einrichtungen und Privatpersonen sogar an Flächeneigentum verlieren, indem sie mehr Fläche verkaufen als kaufen, gewinnen GBV immerhin an Fläche.

Diese Machtverschiebung ist insofern von Bedeutung, als dass Privatunternehmen im Vergleich zu allen anderen Akteur:innen mit Abstand die höchsten Preise zahlen und damit für die folgenschwere Marktdynamik verantwortlich sind. Seit der Finanzkrise haben sich die von ihnen gezahlten Preise fast verdreifacht, und wenig überraschend wurden die durchschnittlich höchsten Preise auch bei Transaktionen von Privatunternehmen zu Privatunternehmen festgestellt (1.162 Euro/m2 im Zeitraum 2017–2020; diese Käufe machten ca. 30 Prozent des Flächenumsatzes aus).

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Steigende Bodenpreise schwächen die Rolle der Gemeinnützigen

Derzeit sind etwa 21 Prozent der Hauptwohnsitzwohnungen in Wien dem gemeinnützigen Sektor zuzuordnen. Durch das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz müssen sich die Mieten der GBV am Kostendeckungsprinzip orientieren. Um niedrige Mieten sicherzustellen, limitiert das Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz (WWFSG) außerdem die Grundkosten für geförderten Wohnbau (auf 188 Euro/m2 oberirdischer Bruttogrundfläche – das entspricht in etwa 250–300 Euro/m2 Wohnnutzfläche). Damit sollen geringe Anschaffungskosten gewährleistet und die Spekulation mit Grund und Boden eingegrenzt werden.

Die Bautätigkeit gemeinnütziger Bauvereinigungen ist zwar nach wie vor hoch, jedoch erschweren es die Bodenpreissteigerungen der letzten Jahre den GBV, Grundstücke zu erschwinglichen Preisen zu erwerben. Sind die Grundstücke zu teuer, kann auf ihnen kein geförderter Wohnbau errichtet werden. Dies kann zu einem Rückgang der Bautätigkeit der GBV in den nächsten Jahren führen – der wie oben beschrieben sinkende Anteil der GBV an der Zahl der Grundstückstransaktionen sowie am Flächenumsatz bestätigt diese Vermutung – oder aber den Trend verstärken, dass Gemeinnützige zunehmend frei finanzierte (also nicht geförderte) Projekte entwickeln, die nicht dem WWFSG unterliegen. Wird zunehmend frei finanziert gebaut, schwächt das die Regulierungskraft und preisdämpfende Wirkung des WWFSG. Mit oder ohne Förderung: Steigen die Grundkostenanteile, steigen auch die Eigenmittelanteile, die zur Finanzierung gemeinnütziger Projekte für künftige Mieter:innen anfallen. Dies erschwert einkommensschwachen Haushalten zunehmend den Zugang zu gemeinnützigen Wohnungen.

Bodenpolitische Instrumente: Die Stadt Wien hat noch Luft nach oben, Bund ist ebenfalls gefordert

Wenn Boden als Spekulationsobjekt gehandelt und nicht bedarfsorientiert gebaut wird, wird Wohnen immer weniger leistbar und führt zu unnötiger Flächenversiegelung. Für einen sozial und ökologisch nachhaltigen Umgang mit der Ressource braucht es Maßnahmen gegen eine gewinnorientierte Nutzung und für gemeinwohlorientierte Eigentumsformen.

Die Stadt Wien hat bereits ein starkes bodenpolitisches Instrumentarium vorzuweisen, das darauf abzielt, die Nutzung und Preise von Wohnbauland zu regulieren. Mit dem Wohnfonds Wien, der öffentlichen Boden besitzt, verwaltet und unter Auflagen an gemeinnützige sowie gewerbliche Bauträger:innen vergibt, betreibt die Stadt Wien eine aktive Bodenpolitik. Die 2019 eingeführte Widmungskategorie „geförderter Wohnbau“ soll zudem der Spekulation mit Boden entgegenwirken und mehr Grundstücke für den geförderten Wohnbau sichern (vorgesehen sind zwei Drittel der neu ausgewiesenen Wohnnutzfläche). Trotzdem steigende Bodenpreise könnten mitunter dadurch erklärt werden, dass die bestehenden Instrumente unzureichend sind und vor allem in folgenden zwei Bereichen adaptiert, konsequenter angewandt oder auch neu eingeführt werden sollten:

Stärkung der öffentlichen Daseinsvorsorge

  1. Verbesserung der Widmungskategorie „geförderter Wohnbau“ – konsequent anwenden, Ausnahmemöglichkeiten verkleinern und Anwendungsbereich ausweiten.
  2. Sozialer Wohnbau auf öffentlichem Boden: Wohnbauförderung nur noch für gemeinnützige und kommunale Akteur:innen.
  3. Öffentlichen Bestand wieder erhöhen: (Re-)Kommunalisierung durch (Rück-)Kauf von unbebautem Boden, möglicherweise mithilfe des Bodenbeschaffungsgesetzes.
  4. Einführung einer Mehrwertabgabe (Planwertabgabe), um „leistungslose“ Gewinne nach wertsteigernden Maßnahmen (wie z. B. Umwidmungen) abzuschöpfen.
  5. Eine Erweiterung der öffentlichen Daseinsvorsorge um gesellschaftliche Mitbestimmung in der Verwaltung von städtischem Grund und Boden kann dazu führen, dass die Versorgung mit Wohnraum sowohl sozial (angemessen, leistbar und bedarfsorientiert) als auch ökologisch ist und bleibt. Dazu braucht es Vorschläge, wie eine solche „Vergesellschaftung“ konkret aussehen kann.

Der Bund kann im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz und in der Steuerpolitik die Spekulation mit Grund und Boden eingrenzen

  1. Gemeinnützigkeit langfristig festschreiben: keine Privatisierungen von geförderten Wohnungen ermöglichen.
  2. Immobilienertragsteuer auch für Privatunternehmen – bisher gilt sie nur für natürliche Personen.
  3. Grunderwerbsteuer auch für Erb:innen – unentgeltlicher Grunderwerb ist von der Steuer befreit, was die Vermögenskonzentration über Generationen hinweg erleichtert.
  4. Anpassung unrealistisch niedriger Einheitswerte für Bodenwertabgabe und Grundsteuer.
  5. Konsequentere Anwendung der Bodenwertsteuer.

Dieser Beitrag basiert auf der von Hannah Lucia Müller verfassten Masterarbeit „Who raises land prices? An analysis of institutions and ownership structures impacting residential building land in Vienna“. Die Arbeit entstand im Rahmen des Programms Socio-Ecological Economics and Policy an der Wirtschaftsuniversität Wien und wurde gefördert vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) und dem Verein für Wohnbauförderung (VWBF).

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