Warum wir einen globalen Green New Deal brauchen
Unzufriedenheit über die Untätigkeit von PolitikerInnen in Bezug auf die Klimakrise und Unmut über die Gleichgültigkeit, mit der politische EntscheidungsträgerInnen der zunehmenden Ungleichheit und Unsicherheit begegnen, sind mittlerweile auf der ganzen Welt verbreitet. Derzeit stehen die Zusammenhänge zwischen wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten, Umweltzerstörung und politischer Unzufriedenheit im Zentrum der Aufmerksamkeit. Dies schafft Unterstützung für koordinierte nationale Politikmaßnahmen, die darauf abzielen, die Macht der Finanzmärkte einzuschränken, Ungleichheit zu reduzieren und die Wirtschaft durch nachhaltige Zukunftsinvestitionen wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Dieser „Green New Deal“ würde im Sinne einer „Just Transition“ zu einer nachhaltigeren Wirtschaft massive Investitionen in erneuerbare Energien, eine Mobilitätswende und nachhaltige Landwirtschaft sowie die Umschulung von Arbeitskräften beinhalten.
Ein „Green New Deal“ funktioniert nur global
Es ist gut, dass der „Green New Deal“ in industrialisierten Volkswirtschaften an Zuspruch gewinnt, jedoch erfordert der Umgang mit der Klimakrise und der darin tief verwurzelten Ungleichheit eine globale Koordinierung. Die Zähmung der internationalen Finanzmärkte, die Förderung nachhaltiger Investitionen und die Entwicklung grüner Infrastrukturen und Technologien sind Herausforderungen, die am besten gemeinsam und unter Berücksichtigung der Herausforderungen, denen sich die Entwicklungsländer gegenübersehen, angegangen werden.
Die einzige Möglichkeit, dies zu erreichen, ist ein globaler „Green New Deal“, der auf multilateraler Ebene koordiniert wird. Doch drei Jahrzehnte der Hyperglobalisierung haben die Regeln der Weltwirtschaft „zum Nutzen der Unternehmensinteressen“ umgestaltet, wie Joseph Stiglitz feststellt, und dabei unsere internationalen Institutionen geschwächt. Dieses System neu aufzustellen ist derzeit unsere dringendste Aufgabe, wenn wir eine auf sozialer Inklusion und Nachhaltigkeit basierende Zukunft garantieren wollen.
Nach der Finanzkrise wurden wichtige Chancen vertan
Diese Reform hätte schon 2009 im Zuge der tiefsten Finanzkrise seit 1929 erfolgen sollen, doch diese Gelegenheit wurde vertan. Ein Jahrzehnt später setzen die großen Banken (inklusive der Schattenbanken) ihr Verhalten fort, das im Wesentlichen nur auf das Herausholen eigener Vorteile ausgerichtet ist. Gleichzeitig werden ebendiese Banken mit der Finanzierung des Übergangs zu einer grünen Wirtschaft beauftragt. Viel zu viele politische EntscheidungsträgerInnen begnügen sich damit, diesen Schritt mit dem fadenscheinigen Argument zu begründen, dass in den öffentlichen Kassen kein Geld mehr vorhanden sei.
Das Geld für diese Mammutaufgabe ist vorhanden, fließt aber in die entgegengesetzte Richtung. Wie Yanis Varoufakis anmerkt: „There is a lot of money around, and it is being wasted or it is being put to bad use.“ Das Problem ist nicht ein Mangel an Ressourcen, sondern unser kollektives Versagen, die uns zur Verfügung stehenden Ressourcen zum Wohle der Menschen und des Planeten zu nutzen.
Der Multilateralismus wird nicht dadurch gerettet werden, dass man einer uneinsichtigen Finanzklasse mehr Geld und Einfluss gibt. Wir brauchen ein robustes internationales Finanzsystem, das die massiven öffentlichen Investitionen unterstützen kann, die erforderlich sind, um die Lebenssituation der Menschen zu verbessern und die Überhitzung des Planeten zu bekämpfen.
Vier Reformschritte für das multilaterale System
Die Reform des multilateralen Systems erfordert vier grundlegende Schritte.
Erstens müssen wir eine Reihe neuer Regeln für die Weltwirtschaft entwickeln, die den Regierungen und BürgerInnen die Freiheit und Flexibilität ermöglichen, einen fairen Übergang zu einer nachhaltigen Zukunft zu schaffen. Das bedeutet, dass die ursprüngliche Absicht des Bretton-Woods-Systems der Nachkriegszeit – die Förderung des Wohlstands und die Eindämmung der internationalen Finanzmärkte – wieder hergestellt werden muss, jedoch mit demokratischeren Prozessen und Institutionen.
Zweitens müssen wir robuste Regulierungen entwickeln, um das rücksichtslose und vorrangig auf eigene Vorteile bedachte Verhalten internationaler Finanzmarktakteure einzuschränken. Das bedeutet, gegen Steuervermeidung vorzugehen, einen koordinierten Ansatz in Bezug auf den grenzüberschreitenden Kapitalverkehr zu entwickeln und mit einem enormen Schuldenerlass die Entwicklungsländer von ihrer unbezahlbaren Schuldenlast zu befreien.
Drittens müssen wir uns auf ein alternatives Regelwerk für Handel, Technologie und Investitionen einigen, das Ergebnisse fördert, die soziale Inklusion und Nachhaltigkeit sicherstellen. Wir müssen sicherstellen, dass Staaten den notwendigen politischen Handlungsspielraum haben, um ihre Wirtschaft nachhaltig gestalten zu können, und ihre Anstrengungen auf globaler Ebene koordinieren und verstärken – beispielsweise durch die Förderung des Transfers von Spitzentechnologien im Bereich der erneuerbaren Energien.
Viertens müssen wir ein verantwortungsvolles und zielgerichtetes Kreditsystem aufbauen, das von den spekulativen Auswüchsen befreit ist, die die Finanzkrise verursacht haben. Zentralbanken müssen die Fiktion ihrer Unabhängigkeit aufgeben. Politische EntscheidungsträgerInnen müssen die nationalen und multilateralen Entwicklungsbanken ausbauen, die die Grundlagen für eine globale „Just Transition“ bereitstellen können.
Der globale „Green New Deal“ ist nicht nur ein politischer Slogan. Er ist auch ein Appell an Regierungen, PolitikerInnen und BürgerInnen auf der ganzen Welt. In diesem Zeitalter der Spaltung, der Angst und der Wut müssen wir zusammenkommen, um neue internationale Wirtschaftsinstitutionen aufzubauen, die in der Lage sind, die Herausforderungen, vor denen wir stehen, zu bewältigen. Indem wir Solidarität zwischen Gemeinschaften, Regierungen und Generationen aufbauen, können wir die Lebensbedingungen der Menschen verbessern und die Überhitzung des Planeten bekämpfen.
Übersetzung aus dem Englischen: Henrike Schaum und Nikolai Soukup.