Warum wir einen globalen Green New Deal brauchen

11. März 2020

Unzufriedenheit über die Untätigkeit von PolitikerInnen in Bezug auf die Klimakrise und Unmut über die Gleichgültigkeit, mit der politische EntscheidungsträgerInnen der zunehmenden Ungleichheit und Unsicherheit begegnen, sind mittlerweile auf der ganzen Welt verbreitet. Derzeit stehen die Zusammenhänge zwischen wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten, Umweltzerstörung und politischer Unzufriedenheit im Zentrum der Aufmerksamkeit. Dies schafft Unterstützung für koordinierte nationale Politikmaßnahmen, die darauf abzielen, die Macht der Finanzmärkte einzuschränken, Ungleichheit zu reduzieren und die Wirtschaft durch nachhaltige Zukunftsinvestitionen wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Dieser „Green New Deal“ würde im Sinne einer „Just Transition“ zu einer nachhaltigeren Wirtschaft massive Investitionen in erneuerbare Energien, eine Mobilitätswende und nachhaltige Landwirtschaft sowie die Umschulung von Arbeitskräften beinhalten.

Ein „Green NewDeal“ funktioniert nur global

Es ist gut, dass der „Green New Deal“ in industrialisiertenVolkswirtschaften an Zuspruch gewinnt, jedoch erfordert der Umgang mit derKlimakrise und der darin tief verwurzelten Ungleichheit eine globale Koordinierung.Die Zähmung der internationalen Finanzmärkte, die Förderung nachhaltigerInvestitionen und die Entwicklung grüner Infrastrukturen und Technologien sindHerausforderungen, die am besten gemeinsam und unter Berücksichtigung derHerausforderungen, denen sich die Entwicklungsländer gegenübersehen, angegangenwerden.

Die einzige Möglichkeit, dies zu erreichen, ist ein globaler„Green New Deal“, der auf multilateraler Ebene koordiniert wird. Doch dreiJahrzehnte der Hyperglobalisierung haben die Regeln der Weltwirtschaft „zum Nutzender Unternehmensinteressen“ umgestaltet, wie Joseph Stiglitz feststellt, unddabei unsere internationalen Institutionen geschwächt. Dieses System neuaufzustellen ist derzeit unsere dringendste Aufgabe, wenn wir eine auf sozialerInklusion und Nachhaltigkeit basierende Zukunft garantieren wollen.

Nach der Finanzkrisewurden wichtige Chancen vertan

Diese Reform hätte schon 2009 im Zuge der tiefstenFinanzkrise seit 1929 erfolgen sollen, doch diese Gelegenheit wurde vertan. EinJahrzehnt später setzen die großen Banken (inklusive der Schattenbanken) ihrVerhalten fort, das im Wesentlichen nur auf das Herausholen eigener Vorteileausgerichtet ist. Gleichzeitig werden ebendiese Banken mit der Finanzierung desÜbergangs zu einer grünen Wirtschaft beauftragt. Viel zu viele politischeEntscheidungsträgerInnen begnügen sich damit, diesen Schritt mit demfadenscheinigen Argument zu begründen, dass in den öffentlichen Kassen keinGeld mehr vorhanden sei.

Das Geld für diese Mammutaufgabe ist vorhanden, fließtaber in die entgegengesetzte Richtung. Wie Yanis Varoufakis anmerkt: „There is a lot of money around, and it isbeing wasted or it is being put to bad use.“ Das Problem ist nichtein Mangel an Ressourcen, sondern unser kollektives Versagen, die uns zurVerfügung stehenden Ressourcen zum Wohle der Menschen und des Planeten zunutzen.

Der Multilateralismus wird nicht dadurch gerettetwerden, dass man einer uneinsichtigen Finanzklasse mehr Geld und Einfluss gibt.Wir brauchen ein robustes internationales Finanzsystem, das die massivenöffentlichen Investitionen unterstützen kann, die erforderlich sind, um dieLebenssituation der Menschen zu verbessern und die Überhitzung des Planeten zubekämpfen.

VierReformschritte für das multilaterale System

Die Reform des multilateralen Systems erfordert viergrundlegende Schritte.

Erstens müssen wir eine Reihe neuer Regeln für die Weltwirtschaft entwickeln, die den Regierungen und BürgerInnen die Freiheit und Flexibilität ermöglichen, einen fairen Übergang zu einer nachhaltigen Zukunft zu schaffen. Das bedeutet, dass die ursprüngliche Absicht des Bretton-Woods-Systems der Nachkriegszeit – die Förderung des Wohlstands und die Eindämmung der internationalen Finanzmärkte – wieder hergestellt werden muss, jedoch mit demokratischeren Prozessen und Institutionen.

Zweitens müssen wir robuste Regulierungen entwickeln,um das rücksichtslose und vorrangig auf eigene Vorteile bedachte Verhalteninternationaler Finanzmarktakteure einzuschränken. Das bedeutet, gegenSteuervermeidung vorzugehen, einen koordinierten Ansatz in Bezug auf dengrenzüberschreitenden Kapitalverkehr zu entwickeln und mit einem enormenSchuldenerlass die Entwicklungsländer von ihrer unbezahlbaren Schuldenlast zubefreien.

Drittens müssen wir uns auf ein alternatives Regelwerkfür Handel, Technologie und Investitionen einigen, das Ergebnisse fördert, diesoziale Inklusion und Nachhaltigkeit sicherstellen. Wir müssen sicherstellen,dass Staaten den notwendigen politischen Handlungsspielraum haben, um ihreWirtschaft nachhaltig gestalten zu können, und ihre Anstrengungen auf globalerEbene koordinieren und verstärken – beispielsweise durch die Förderung desTransfers von Spitzentechnologien im Bereich der erneuerbaren Energien.

Viertens müssen wir ein verantwortungsvolles undzielgerichtetes Kreditsystem aufbauen, das von den spekulativen Auswüchsenbefreit ist, die die Finanzkrise verursacht haben. Zentralbanken müssen dieFiktion ihrer Unabhängigkeit aufgeben. Politische EntscheidungsträgerInnenmüssen die nationalen und multilateralen Entwicklungsbanken ausbauen, die dieGrundlagen für eine globale „Just Transition“ bereitstellen können.

Der globale „Green New Deal“ ist nicht nur einpolitischer Slogan. Er ist auch ein Appell an Regierungen, PolitikerInnen undBürgerInnen auf der ganzen Welt. In diesem Zeitalter der Spaltung, der Angstund der Wut müssen wir zusammenkommen, um neue internationaleWirtschaftsinstitutionen aufzubauen, die in der Lage sind, dieHerausforderungen, vor denen wir stehen, zu bewältigen. Indem wir Solidaritätzwischen Gemeinschaften, Regierungen und Generationen aufbauen, können wir dieLebensbedingungen der Menschen verbessern und die Überhitzung des Planetenbekämpfen.

Übersetzung aus dem Englischen: Henrike Schaum und Nikolai Soukup.

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