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1. Neue Gesundheitsrisiken: Hitze, Allergien, neue Krankheiten
Immer heißere Sommer und zu wenige kalte Winter bergen eine ganze Reihe neuer Gesundheitsrisiken. Die Temperaturerhöhung durch den Klimawandel ist in Österreich ungefähr doppelt so hoch wie die durchschnittliche Temperaturerhöhung weltweit. Die Zunahme an Hitzetagen (über 30 Grad) und Tropennächten (über 20 Grad) belastet insbesondere Kinder und ältere Menschen sowie jene, die unter Herz-Kreislauf- oder anderen chronischen Krankheiten leiden. In vier der letzten zehn Jahre starben in Österreich mehr Menschen an den Folgen von Hitze als im Straßenverkehr. Die Wärme verlängert die Allergieperiode, verschärft damit Atemwegserkrankungen und sorgt für die Ausbreitung nicht heimischer Tier- und Pflanzenarten (z. B. tropische Stechmücke oder Ragweed), was zum Einschleppen neuer Krankheiten wie etwa Malaria führt. Das Gesundheitssystem muss diese Risiken aufgreifen und die Versorgung der Betroffenen sicherstellen.
2. Wenn Erwerbsarbeit unmöglich wird
Massive Unwetter mit Starkregen, Sturm und Hagel sorgten diesen Sommer in Kärnten und Tirol für Überschwemmungen und Vermurungen und in der Folge für Schäden in Millionenhöhe. Solche Extremwetterereignisse werden sich künftig häufen, mit vielen negativen Auswirkungen: Kaputte Bahnlinien und Straßen verunmöglichen den Betroffenen, zu ihrem Arbeitsplatz zu kommen – wenn das Unternehmen oder die Institution, wo der Arbeitsplatz angesiedelt ist, nicht ohnehin selbst auch betroffen ist. Menschen mit Betreuungspflichten stellt der Entfall von Betreuungsinfrastruktur vor schwierige Herausforderungen dabei, weiterhin ihren Job auszuüben. Auch der Verlust des Wohnortes hat naturgemäß zur Folge, dass die Betroffenen mit akuten Herausforderungen beschäftigt und daher in ihrer Möglichkeit, einer Erwerbsarbeit nachzugehen, massiv eingeschränkt sind.
Aber auch die immer häufiger werdenden Tage mit extremer Hitze führen dazu, dass Arbeit im Freien oder in schlecht isolierten Gebäuden und Fabrikhallen nicht zumutbar und gesundheitlich bedrohlich ist. Schutz für den Fall, unverschuldet (temporär) an Erwerbsarbeit verhindert zu sein, sollen das Arbeits- und Sozialrecht bieten – diese sind aber für den Regelbetrieb und nicht für den Krisenfall ausgelegt. Viele Fragen haben sich bereits im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gestellt, etwa wenn während Lockdowns Firmen schließen mussten oder Kindergärten wegen hoher Infektionszahlen geschlossen wurden. Diese Erfahrungen gilt es zu nutzen und die Antworten darauf weiterzuentwickeln.
3. Vermehrte Extremwetter – kaputte Infrastruktur
Unwetter zerstören immer häufiger Infrastruktur. Das betrifft Straßen und Bahnlinien, private Häuser und Wohnungen sowie Bürogebäude, aber auch soziale Infrastruktur wie Schulen, Kindergärten oder Krankenhäuser. Damit stellt sich nicht nur die Frage der möglichst schnellen Reparatur, sondern auch, wie grundlegende öffentliche Leistungen im Krisenfall aufrechterhalten werden können.
Eine wesentliche Herausforderung wird dabei sein, die soziale Infrastruktur klimakrisenfest zu machen. Dazu gehört etwa, die Gebäude so zu isolieren (und wenn notwendig zu kühlen), dass die Menschen darin – insbesondere Kinder sowie ältere und kranke Menschen – nicht gesundheitlich gefährdet werden. Die Notfallslogistik muss überprüft und gegebenenfalls adaptiert werden. So haben etwa viele Krankenhäuser Notfallgeneratoren im Keller – was im Falle von Überschwemmungen die Stromversorgung gefährdet.
Unwetter und deren Folgeschäden gefährden auch die Versorgung mit mobilen Diensten, wie sie gerade in der Pflege eine wesentliche Säule sind, aber auch niedergelassenen Ärzt:innen. Entsprechende Risikosimulationen und Notfallpläne, wie die gesundheitliche und pflegerische Versorgung auch im Krisenfall aufrechterhalten werden kann, werden künftig unverzichtbar sein.
4. Steigende Preise für Wohnen, Energie und Lebensmittel
Aktuell treibt die Teuerungskrise die Lebenshaltungskosten massiv in die Höhe. Die Auswirkungen der Klimakrise könnten diese Entwicklungen noch verschärfen: So könnten etwa Ernteausfälle, bedingt durch Dürre, Starkregen und Schädlingsbefall, zu teureren Lebensmitteln beitragen, steigende Versicherungskosten vor allem wegen Unwetterschäden zu höheren Preisen für Wohnen führen oder Energie teurer werden, weil zu wenig Wasser die Erzeugung von Strom mit Wasserkraft und auch Atomkraft wegen der fehlenden Kühlung gefährdet. Das trifft vor allem jene besonders hart, die einen Großteil ihres Einkommens für die grundlegenden Lebenshaltungskosten aufwenden müssen.
Schon vor der aktuell enorm hohen Teuerung entfielen beim untersten Einkommensfünftel mehr als die Hälfte der Ausgaben allein auf die drei Kategorien Wohnen, Energie und Verkehr. Strukturelle Maßnahmen wie die Ausweitung des öffentlichen Wohnbaus und ein neues, soziales Mietrecht werden notwendig sein, um die Preissteigerungen in lebenswichtigen Bereichen einzudämmen. Auch muss dringend hinterfragt werden, ob ein liberalisierter Energiemarkt ein zukunftstaugliches Modell ist. Wichtig wird jedenfalls eine stärkere Orientierung auf das Bereitstellen notwendiger Güter und Dienstleistungen sein – Stichwort Energie-Grundsicherung.
5. Umbrüche am Arbeitsmarkt
Der unverzichtbare Umbau der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität bringt Umwälzungen für die gesamte Wirtschaftsstruktur mit sich, die viele Unternehmen zu einer grundlegenden Neuorientierung zwingen und ganze Branchen transformieren. Damit gehen große Umbrüche am Arbeitsmarkt einher, die alte Berufe verschwinden und neue entstehen lassen. Für jene, deren Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen, ist das eine existenzielle Bedrohung.
Zugleich entsteht Nachfrage nach neuen Kompetenzen und auch die Anforderungen in bestehenden Berufen werden sich verändern. Ohne massive öffentlich unterstützte Qualifizierungsprogramme werden diese Umbrüche weder im Interesse der Unternehmen noch der Beschäftigten zu bewältigen sein. Hier braucht es eine gute soziale Absicherung während der Übergänge und zugleich einen klaren Rechtsanspruch auf den Erwerb neuer, nachgefragter Kompetenzen, wobei auch die Unternehmen selbst Verantwortung dafür tragen, ausreichend qualifizierte Arbeitskräfte zu bekommen.
6. Alte Armut trifft auf neue Armut
Der Sozialstaat leistet einen enorm wichtigen Beitrag zur Vermeidung von Armut – aber das nicht lückenlos. So liegt die Mindestpension („Ausgleichszulage“) auch nach der kürzlich bekanntgegebenen Pensionserhöhung unter der Armutsschwelle von 1.378 Euro monatlich (12-mal jährlich), noch weiter darunter liegt die Mindestsicherung bzw. Sozialhilfe. Auch bei arbeitslosen Menschen haben neun von zehn einen Tagsatz, der die Armutsschwelle nicht erreicht. Bei einem Drittel der Haushalte reichte bereits vor der Pandemie das Geld für die notwendigen Ausgaben nicht aus.
Die Disruptionen durch die Klimakrise werden die soziale Lage gerade für Menschen mit geringem Einkommen und schlechter sozialer Absicherung noch zusätzlich verschlechtern. Leistungen, die für die Existenzsicherung der Menschen zentral sind, müssen auf ein armutsfestes Niveau gehoben werden. Mit den enormen Teuerungen rückt zudem die Frage in den Blick, ob mit den ausgezahlten Beträgen die notwendigsten Ausgaben wirklich bestreitbar sind. Das Konzept der Referenzbudgets bietet hier einen wichtigen Ansatz. Darüber hinaus müssen auch Armutsformen wie Energiearmut oder Mobilitätsarmut in den Fokus rücken und neue Lösungsansätze, die etwa den Zugang zu leistbarer Energie und öffentlicher Mobilität sicherstellen, entwickelt und umgesetzt werden.
7. Finanzierung des Sozialstaates
Nicht zuletzt stellt die Klimakrise Herausforderungen an die Finanzierung des Sozialstaates. Neben den oben genannten Punkten, die Maßnahmen erfordern, die auch einer entsprechenden Finanzierung bedürfen, wird die Konkurrenz um die Verwendung öffentlicher Mittel steigen.
So werden Anforderungen an die öffentliche Hand bei der Behebung von Unwetterschäden wie auch durch Ausgaben für Vorbeugung (z. B. Schutzverbauungen, klimafitte Infrastruktur) gestellt. Zugleich führen aber die drohenden wirtschaftlichen Verwerfungen zu einer Verringerung des Einnahmenpotenzials. Und nicht zuletzt besteht ein riesiger Bedarf an Investitionen in den Klimaschutz – die aber nicht nur vor dem Hintergrund der unbezahlbaren Folgekosten einer weiter eskalierenden Klimakrise alternativlos sind, sondern auch kurz- und mittelfristig zu Einsparungen führen, etwa durch billige erneuerbare Energie oder den Entfall drohender Kompensationszahlungen in Milliardenhöhe aufgrund verfehlter Klimaziele.
Wohlstand: neu gedacht und erlebt
Die schwierigste Aufgabe wird sein, Wohlstand nicht nur in philosophischen Konzepten, sondern auch konkret spür- und erlebbar losgelöst von Konsum neu zu definieren. Viele arbeiten bereits daran. Die Vereinten Nationen haben mit den Sustainable Development Goals 2015 eine Strategie für eine „Blaupause für Frieden und Wohlstand für Menschen und den Planeten“ angenommen.
Die WU Wien veranstaltete in Kooperation mit einer Vielzahl wissenschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Organisationen 2015 und 2017 Kongresse zum Thema, wie man ein „Gutes Leben für alle“ erreichen kann. Die AK erstellt seit 2018 jährlich den AK-Wohlstandsbericht, in dem anhand von fünf Themenfeldern dargestellt wird, dass die nachhaltige Entwicklung von Wohlstand und Wohlergehen weit über Wirtschaftswachstum hinausgeht. Diese Konzepte und Diskussionen sind alle wichtige Beiträge. Entscheidend wird aber sein, dass Menschen selbst erleben, dass es ihr Leben besser macht, wenn sie die Zufahrt mit dem (möglichst großen) Pkw in die Innenstadt verlieren, dafür aber einen lebendigen, begrünten und vielfältig nutzbaren öffentlichen Raum gewinnen.
Die Visionen brauchen aber konkrete, spürbare Maßnahmen, die in Zeiten der Unsicherheit Sicherheit geben und verlässlich alle Menschen durch die riesigen Veränderungen tragen. Je eher die Herausforderungen an den Sozialstaat erkannt und angegangen werden, desto eher wird die unverzichtbare ökologische Transformation auch eine soziale werden.
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