In Österreich werden 60 Prozent aller Wege bzw. 70 Prozent aller Personen-Kilometer mit dem Auto zurückgelegt. Um sich aus der teuren und unökologischen Pkw-Abhängigkeit befreien zu können, bedarf es einer flächendeckenden Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Der dafür notwendige Ausbau des Linienbusnetzes scheitert bislang auch an den schlechten Arbeitsbedingungen bei privaten Busunternehmen. Bei den aktuellen Kollektivvertragsverhandlungen kämpfen die Buslenker:innen deshalb für eine gute und nachhaltige Mobilität für uns alle.
Was sind ÖV-Güteklassen?
„Mobilität darf kein Privileg für Wohlhabende sein!“ Diesem Appell von Arne Joswig, Präsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe, ist zuzustimmen. Während Joswig sich dabei – berufsbedingt – auf das Autofahren bezieht, fordert die AK einen flächendeckenden Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln. Ein Recht auf gute und nachhaltige Mobilität bedeutet, die Alltagswege ohne eigenen Pkw zurücklegen zu können. Wie das Momentum-Institut berechnet hat, gibt ein Haushalt mit Auto(s) dafür durchschnittlich 714 Euro pro Monat aus. Das ist ein Vielfaches von dem, was ein autofreier Haushalt für seine gesamte Mobilität aufwendet.
Die Österreichische Raumordnungskonferenz (ÖROK) hat für das gesamte Bundesgebiet erfasst, wie gut die Anbindung an öffentlichen Verkehrsmittel ist. Dies wird in ÖV-Güteklassen von A (= sehr gut) bis G angegeben. Inzwischen ist allgemeiner Konsens, dass die Kategorien A bis D notwendig sind, um von einem ausreichenden Öffi-Angebot reden zu können. Klasse D bedeutet beispielsweise, dass es in unmittelbarer Nähe (bis zu 300 Meter) eine Buslinie im Halbstundentakt gibt. Nur Menschen, die in solchen Regionen wohnen, können auch die unterschiedlichen Klimatickets sinnvoll nutzen.
Der Anteil der Menschen, die mit diesem guten öffentlichen Verkehr versorgt sind, ist zwischen 2016 und 2023 von 48,4 Prozent auf 53,5 Prozent gestiegen. Das ist ein Plus von fünf Prozentpunkten. Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass die Gesamtbevölkerung in diesem Zeitraum um ca. 400.000 Menschen zugenommen hat. Die Zahl jener Menschen, die außerhalb jeglicher ÖV-Güteklasse (also schlechter als G) wohnen, ist sowohl absolut als auch prozentuell leicht gesunken. Um die Zielsetzung des Mobilitätsmasterplans zu erfüllen, muss der Versorgungsgrad bis zum Jahr 2040 auf 75 bis 80 Prozent ansteigen.
Große regionale Unterschiede
Während der Bund für das Grundangebot der Eisenbahn zuständig ist, liegt die flächendeckende Erschließung mit öffentlichem Verkehr in der Verantwortung der Bundesländer. Die regionalen Unterschiede sind sehr groß, wie Daten aus dem Jahr 2021 zeigen: Während in Wien faktisch alle Bewohner:innen über guten öffentlichen Verkehr verfügen, liegt dieser Anteil in Vorarlberg immerhin bei rund 70 Prozent. Nachzügler sind das Burgenland und Kärnten, wo gerade ein Viertel der Einwohner:innen über gute Öffis verfügt, gefolgt von Ober- und Niederösterreich sowie der Steiermark, wo dieser Wert bei etwas mehr als einem Drittel liegt.
Neue Bahnlinien zu errichten bzw. bestehende zu reaktivieren oder zu ertüchtigen ist eine langfristige Angelegenheit. Rasche Verbesserungen können durch einen massiven Ausbau der Linienbusse bewerkstelligt werden. So analysiert die AK – gemeinsam mit der ASFINAG –, wo man auf Autobahnen und Schnellstraßen sinnvollerweise Busspuren und Haltestellen errichten könnte. Beispiele hierfür gibt es schon im In- und Ausland.
Wer baut und fährt die Busse?
Unangefochtener Weltmarktführer bei Elektrobussen ist der chinesische Mischkonzern BYD. Im Auftrag der Arbeiterkammern Wien und Oberösterreich untersucht die Johannes-Kepler-Universität die Möglichkeiten, solche Fahrzeuge auch in Oberösterreich zu produzieren. Damit könnten Arbeitsplätze und Wertschöpfung in der krisengebeutelten Kfz-Industrie gesichert werden. Ergebnisse dazu wird es noch in diesem Frühjahr geben.
Busse sind für die regionale Feinerschließung unverzichtbar. Hier hat der einstige Nachzügler Burgenland aufgeholt. Die Landestochter Verkehrsbetriebe Burgenland GmbH (VBB) wurde 2020 gegründet und startete im Jänner 2021 mit den ersten zusätzlichen Buslinien. Im Jahr 2023 war im östlichsten Bundesland das Busangebot mit 53 Kilometern pro Einwohner:in österreichweit am höchsten; knapp gefolgt von Vorarlberg und Tirol. Schlusslicht war die Steiermark mit 21 Kilometern an Regionalbussen. Ein weiterer Vorteil des burgenländischen Modells: Das Land vergibt seine Aufträge direkt an den internen Betreiber und muss nicht ausschreiben. Dadurch kann es rasch auf veränderte Verkehrssituationen reagieren und beispielsweise Buslinien neu installieren oder abändern. Außerdem wird damit das Grundübel von Ausschreibungen seitens der Verkehrsverbünde beseitigt: Dort werden die Möglichkeiten für Sozial- und Qualitätskriterien nicht ausreichend berücksichtigt, da man auf das Prinzip des Billigstbieters setzt. Diesen Preisdruck geben die Busunternehmen dann an ihre Beschäftigten weiter.
Buslenker:innen am Limit
Damit der Ausbau des öffentlichen Verkehrs gelingen kann, braucht es dringend mehr Buslenker:innen. Schon jetzt sucht die Busbranche händeringend nach Arbeitskräften. Das liegt vor allem an den schlechten Arbeitsbedingungen. Zu wenig Einkommen, unattraktive Arbeitszeiten, unzureichender Zugang zu sanitären Anlagen und ein allgemein hoher Arbeitsdruck gehören zum Arbeitsalltag in der Branche. Verbesserungen sind deshalb dringend notwendig. Eine aktuelle Studie vom Institut für Soziologie der Uni Wien zeigt detailliert auf, was sich die Buslenker:innen wünschen. Die Mehrheit der befragten Lenker:innen berichtet davon, ihren Beruf eigentlich gerne auszuüben. Demgegenüber stehen jedoch unbefriedigende Arbeits- und Rahmenbedingungen. Über 80 Prozent der Befragten empfinden ihre Arbeit als große Verantwortung. Im krassen Gegensatz dazu fühlen sich über 60 Prozent der Befragten als Buslenker:innen nicht wirklich wertgeschätzt. Die längst fällige Mobilitätswende kann also nur gelingen, wenn sich sowohl die realen Arbeitsbedingungen als auch der soziale Stellenwert der Verkehrsbeschäftigten verbessern. Folgerichtig arbeiten im Bündnis „Wir fahren gemeinsam“ die Verkehrsgewerkschaft vida und die Klimabewegung in dieser Frage zusammen. Mehr als 7.000 Menschen unterstützen die Forderungen der Buslenker:innen bereits. Zur Unterstützungserklärung geht’s hier.
In den laufenden Verhandlungen über den Kollektivvertrag der privaten Autobusbranche blockieren die Arbeitgeber bislang die Forderungen der Gewerkschaft nach würdevollen Arbeitsbedingungen. Sollte es im Zuge der Verhandlungen zu Verzögerungen im Busverkehr kommen (Stichwort Betriebsversammlungen), ist Solidarität mit den Beschäftigten wichtiger denn je. Denn eines ist klar: Gute Arbeitsbedingungen im öffentlichen Verkehr sind im Interesse von uns allen und der Schlüssel für eine sichere und klimafreundliche Mobilität.