Buslenker:innen am Limit: Warum es dringend bes­sere Arbeits­bedingungen in der Bus­branche braucht

19. Dezember 2024

Damit der Ausbau des öffentlichen Verkehrs gelingen kann, braucht es dringend mehr Buslenker:innen. Schon jetzt sucht die Busbranche händeringend nach Arbeitskräften. Das liegt vor allem an den schlechten Arbeitsbedingungen. Zu wenig Einkommen, unzureichender Zugang zu sanitären Anlagen und ein allgemein hoher Arbeitsdruck gehören zum Arbeitsalltag in der Branche. Verbesserungen sind deshalb dringend notwendig. Eine aktuelle Studie vom Institut für Soziologie der Uni Wien zeigt detailliert auf, was sich die Buslenker:innen in der privaten Autobusbranche wünschen, um ihren Beruf attraktiv zu gestalten.

Green Job Buslenker:in

Um die Klimakrise zu bewältigen, reicht ein Umstieg auf nicht-fossile Antriebsformen nicht aus. Statt des motorisierten Individualverkehrs muss der öffentliche Verkehr (ÖPNRV) stärker genutzt werden. Für das Gelingen dieser Mobilitätswende braucht es dringend einen flächendeckenden Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Neben dem Schienenverkehr soll dabei vor allem das Busliniennetz den Zugang zu Mobilität garantieren. Bislang ist der Verkehr jedoch das Sorgenkind der österreichischen Klimapolitik. Der aktuelle Klimaschutzbericht des Umweltbundesamtes zeigt, dass die Treibhausgasemissionen in fast allen Wirtschaftssektoren in den letzten Jahrzehnten gesunken sind. Im Verkehrssektor sind die Emissionen zwischen 1990 und 2022 allerdings angestiegen. Um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens noch zu erreichen, muss der Entwicklung im Verkehrssektor schnell entgegengewirkt werden. Das Bundesministerium für Klimaschutz (BMK) plant daher, den Anteil der umweltfreundlichen Verkehrsmittel an der Gesamtverkehrsleistung von derzeit 30 Prozent auf 47 Prozent im Jahr 2040 zu steigern.

Der Beruf des Buslenkens gehört zur Gruppe der Green Jobs. Das Berufsbild wird sich zwar nicht wesentlich verändern, aber im Zuge der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen deutlich stärker nachgefragt werden. Wie eine aktuelle AK Studie zeigt, braucht es für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs bis 2030 bis zu 39.000 Arbeitskräfte. Diese Schätzung bezieht sich zwar auf den Gesamtbedarf bei allen Verkehrsträgern, bietet aber dennoch eine Orientierung, dass es künftig mehr Buslenker:innen brauchen wird. In der Debatte über den geplanten Ausbau spielen die Arbeitnehmer:innen bislang jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Unsere Studie über die Arbeitsbedingungen von Lenker:innen in der privaten Autobusbranche in Österreich zeigt, wie wichtig eine Auseinandersetzung mit der Arbeitsrealität von Beschäftigten ist, um systemrelevante Berufe aufzuwerten und die Voraussetzungen für einen erfolgreichen sozialen und ökologischen Umbau zu schaffen.

„Eigentlich ein guter Job, aber …“

Für unsere Studie wurden bundesweit Lenker:innen aus der privaten Autobusbranche interviewt, die im öffentlichen Linienverkehr tätig sind. Ziel war es, ihre Anforderungen an den Beruf besser zu verstehen. Gleichzeitig wurden die Wünsche, Bedürfnisse und Herausforderungen von circa 600 Lenker:innen in einer Online-Befragung erhoben. Die Mehrheit der befragten Lenker:innen berichtet davon, ihren Beruf eigentlich gerne auszuüben. Demgegenüber stehen jedoch unbefriedigende Arbeits- und Rahmenbedingungen, die aus Sicht der Lenker:innen dazu führen, dass der Beruf des Buslenkens hinter seinem Potenzial als guter Beruf zurückbleibt. Wie die Ergebnisse der Studie zeigen, sind es im Wesentlichen vermeintlich selbstverständliche Aspekte, wie beispielsweise der unzureichende Zugang zu sanitären Anlagen oder eine angemessene Vergütung von Nachtarbeitszeiten, die bislang nicht gewährleistet sind. Dies macht den Beruf in seiner jetzigen Form für viele Beschäftigte unattraktiv. Gleichzeitig empfinden die meisten Lenker:innen ihre Tätigkeit als sinnstiftend und schreiben dem Beruf eine hohe gesellschaftliche Relevanz zu, die im Lichte der Klimakrise noch zunehmen wird. Über 80 Prozent der Befragten empfinden ihre Arbeit als große Verantwortung. Gleichzeitig fühlen sich über 60 Prozent der Befragten als Buslenker:in nicht wirklich wertgeschätzt.

An der Belastungsgrenze: Arbeitsverdichtung, Überstunden und keine WCs

Während die große Mehrheit der von uns befragten Buslenker:innen (71 Prozent) im Schnitt an fünf Tagen in der Woche arbeitet, liegt die tägliche Arbeitszeit für viele Buslenker:innen weit über dem Normalniveau von acht Stunden. So findet sich bereits im Kollektivvertrag der Branche die ungünstige Bestimmung der täglichen Normalarbeitszeit von zehn Stunden. Überstunden werden somit erst ab der 11. Stunde zusätzlich abgegolten. Trotzdem leisten 92 Prozent der Befragten regelmäßig Überstunden. Im Durchschnitt kommen die Buslenker:innen auf 21 Überstunden pro Monat, wobei fast ein Drittel mehr als 25 Überstunden monatlich leistet. Durch die stetig wechselnden Dienstpläne sowie das spontane Einspringen für Kolleg:innen gestaltet sich der Beruf in seiner jetzigen Form als familienunfreundlich. Eine zusätzliche Herausforderung stellt die Arbeit an Wochenenden, Feiertagen und nachts dar. Im Ergebnis gibt beinahe die Hälfte (44 Prozent) der befragten Buslenker:innen an, ihre Arbeit nicht mit ihrem Privatleben vereinbaren zu können. Neben den widrigen Arbeitszeiten stellen die vielfach als ungenügend empfundenen Zuschlagsregelungen ein zentrales Problem für die Beschäftigten dar. Demnach wird die Nachtarbeit nur im Zeitraum von 0.00 bis 5.00 Uhr mit einem Zuschlag abgegolten. Für die Arbeit an Sonntagen existiert keine Zulage.

Abseits der kollektivvertraglichen Regelungen findet sich im unzureichenden Zugang zu Sanitäranlagen und Pausenräumen ein Aspekt im Arbeitsalltag der Buslenker:innen, welcher den Beruf zu einer echten Belastung macht: Lediglich 12 Prozent der Befragten geben an, über einen vollkommen ausreichenden Zugang zu Sanitäranlagen zu verfügen. Für Arbeitsplätze in Büros oder Produktionsbetrieben gibt die Arbeitsstättenverordnung grundlegende Kriterien zur Verfügbarkeit und Ausgestaltung von Toiletten vor. Die Arbeit im Bus hingegen gilt rechtlich als auswärtige Arbeitsstätte, wodurch Buslenker:innen von den bestehenden gesetzlichen Mindestbestimmungen für die Bereitstellung von Sanitäranlagen ausgenommen sind.


© A&W Blog


Zur Lösung braucht es vereinte Anstrengungen

Die Arbeitsbedingungen in der privaten Autobusbranche sind für viele Beschäftigte alles andere als zufriedenstellend – das stellt eine zentrale Erkenntnis unserer Studie dar. Dieser Umstand muss sich ändern, wenn eine solide Basis für die Mobilitätswende und den damit einhergehenden Ausbau des öffentlichen Verkehrs gelingen soll. Denn nur wenn der bestehende Arbeitskräftemangel behoben und zukünftige Bedarfe gedeckt werden, ist ein derartiger Ausbau möglich. Hierzu braucht es eine Attraktivierung des Berufes. Dabei sind zwei Ebenen zu berücksichtigen: erstens die Ebene des Kollektivvertrags und damit einhergehend die Regelung von Diensten, Fahrzeiten und Pausen sowie Sonntags- und Nachtzuschlägen und der Gehaltsprogression; zweitens die infrastrukturellen Bedingungen, die ebenso die Politik betreffen. Es sollte dringend geklärt werden, ob Busunternehmen oder Verkehrsverbünde für die Bereitstellung von Infrastruktur wie Pausenräume und WCs verantwortlich sind. Hier sind die Sozialpartner, die Verkehrsverbünde und damit letztlich die Politik gefordert, die bestehenden Missstände schnell zu beheben.

Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0: Dieser Beitrag ist unter einer Creative-Commons-Lizenz vom Typ Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International zugänglich. Um eine Kopie dieser Lizenz einzusehen, konsultieren Sie http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/. Weitere Informationen https://awblog.at/ueberdiesenblog/open-access-zielsetzung-und-verwendung