Die Restriktionen der Bundesregierung zur Eindämmung des Corona-Virus haben am Arbeitsmarkt zu großen Verwerfungen geführt. Aus früheren Rezessionen ist bekannt, dass junge Menschen als erstes und besonders stark betroffen sind. Bereits jetzt steigt die Jugendarbeitslosigkeit auf ein historisches Rekordniveau. Bevor das aktuelle Schuljahr endet und im Juli viele SchulabsolventInnen in den Arbeitsmarkt eintreten, sollte ein umfassendes Jugendrettungspaket in Österreich geschnürt werden.
Wirtschaftseinbruch und Jugendarbeitslosigkeit
Betriebe stellen bei Wirtschaftseinbrüchen weniger neue Arbeitskräfte ein, wodurch sich die Jobchancen für neue SchulabsolventInnen reduzieren. Ebenso verknappt sich das Angebot an offenen Lehrstellen. Junge Menschen sind aber auch häufiger von Kündigungen betroffen. Für Betriebe scheinen die Kosten geringer zu sein, wenn sie jüngere MitarbeiterInnen kündigen, da sie weniger in deren Weiterbildung investiert haben als bei älteren. Außerdem verfügen jüngere Beschäftigte in der Regel über einen schwächeren Kündigungsschutz als ältere ArbeitnehmerInnen (last in, first out), beispielsweise durch kürzere Kündigungsfristen bei kürzerer Betriebszugehörigkeit. Auf Basis von OECD-Daten zeigt sich im Zeitraum 1970 bis 2009, dass ein Anstieg der Arbeitslosigkeit von einem Prozent bei Personen im Haupterwerbsalter einen Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit von 1,8 Prozent bedeutet. Auch während der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 waren junge Menschen von Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich betroffen. Laut Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) soll es heuer in Österreich voraussichtlich zu einem Rückgang des realen Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 7 Prozent kommen. Es ist daher von einem drastischen Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit auszugehen.
Bereits im März historisch hohe Jugendarbeitslosigkeit
Laut WIFO sank aufgrund des Arbeitsmarktschocks durch Corona die Beschäftigung bei jungen Menschen (unter 25-Jährige: –36.538 bzw. –8,6 Prozent) am stärksten. Im März 2020 waren fast 90.000 junge Menschen (unter 25 Jahre) in Österreich entweder arbeitslos (57.275), in Schulung (25.187) oder auf Lehrstellensuche (7.107). Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies, dass sich die Anzahl der Arbeitssuchenden (arbeitslos, in Schulung oder auf Lehrstellensuche) um 26.036 junge Menschen bzw. um 41 Prozent erhöht hat. Historisch gesehen ist das ein absoluter Höchstwert.
Negative Folge von Jugendarbeitslosigkeit
Die Jugendphase ist ein sensibler Lebensabschnitt, geprägt von Sozialisation und Identitätsfindung. Erwerbstätigkeit und (Aus-)Bildung spielen hier eine wesentliche Rolle. Auf der anderen Seite können längerfristige Arbeitslosigkeitserfahrungen Narben (sogenannte scarring effects) bei Jugendlichen hinterlassen, die im späteren Leben noch zu einer geringeren Lebens- und Arbeitszufriedenheit, zu einem schlechteren Gesundheitszustand, geringeren Einkommenschancen und zu einem erhöhten Arbeitslosigkeitsrisiko führen. So wurde beispielsweise gezeigt, dass eine Arbeitslosigkeitsdauer von sechs Monaten im Alter von 22 Jahren zu einem geringeren Stundenlohn von 8 Prozent im Alter von 23 Jahren führt. Im Alter von 26 Jahren liegt der Lohn um 5 Prozent und im Alter zwischen 30 und 31 Jahren immer noch um 2 bis 3 Prozent niedriger als bei Jugendlichen ohne Arbeitslosigkeitserfahrungen. In Bezug auf den Gesundheitszustand kann von einem „Teufelskreis“ in Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit ausgegangen werden. Zum einen sind junge Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen mit einem höheren Arbeitslosigkeitsrisiko konfrontiert. Zum anderen kann längere Arbeitslosigkeit den Gesundheitszustand negativ beeinflussen, was wiederum die Arbeitsmarktchancen verschlechtert. Auch hier sind die negativen Folgen sehr langfristig nachweisbar. So kann ein negativer Einfluss von Arbeitslosigkeit im Jugendalter auf das gesundheitliche Wohlbefinden noch im Alter von 50 Jahren nachgewiesen werden.
Neben den individuellen Folgen verursacht Jugendarbeitslosigkeit auch hohe volkswirtschaftliche Kosten. Laut Berechnungen von Bacher (2020) belaufen sich die volkswirtschaftlichen Kosten aufgrund der dauerhaften (über sechs Monate) Nichtintegration von 43.500 Jugendlichen ins Ausbildungs- und Beschäftigungssystem (NEET) auf 775 Millionen pro Jahr in Österreich.
Die Vermeidung von Jugendarbeitslosigkeit sollte daher politisch höchste Priorität haben, nicht nur aufgrund der individuellen Schicksale, der gesundheitlichen Schäden und der volkswirtschaftlichen Kosten, sondern vor allem aufgrund der politischen und sozialen Risiken.
Abschätzung der betroffenen Jugendlichen
Zur Abschätzung der Zahl der betroffenen Jugendlichen wurde ihr Arbeitsmarktstatus nach Einbindung in das (Aus-)Bildungssystem und in das Erwerbssystem ausdifferenziert. Wir haben dazu die Definitionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) verwendet. Diese Befragungsdaten weichen von den nationalen Registerdaten ab. Von den 934.500 jungen Menschen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren besuchten 453.700 – also beinahe die Hälfte (49 Prozent) – im Jahr 2019 eine Schule oder studierten. 276.100 waren erwerbstätig, wobei hier erwerbstätige SchülerInnen und Studierende sowie Lehrlinge nicht eingerechnet sind. In Summe gaben 43.600 Jugendliche an, arbeitslos zu sein. In einer NEET-Situation (Jugendliche, weder beschäftigt noch in Ausbildung oder Weiterbildung) befanden sich 65.100 Jugendliche. Die NEET-Quote 2019 lag mit 7,1 Prozent bereits über jener des Vorjahres von 6,8 Prozent.