Vor etwas mehr als einen Monat hat Dennis Tamesberger in diesen Blog einen Beitrag mit dem Titel Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen! hineingestellt. Diesem Beitrag ist nicht mehr allzu viel hinzuzufügen. Um einen Punkt möchte ich jedoch seine Ideen erweitern: Man sollte eine öffentliche Auftragsvergabe davon abhängig machen, dass das Unternehmen eine bestimmte Anzahl von Ausbildungsplätzen anbietet.
Die Ausgangssituation:
Die Situation der Jugendarbeitslosigkeit in den europäischen Krisenländern ist überaus besorgniserregend. Die aktuellsten Zahlen dazu sind 59,2% in Griechenland, 56,5% in Spanien und 42,1% in Portugal. In den Regionen Ceuta (Spanien) und Dytiki Makedonia (Griechenland) liegt die Jugendarbeitslosigkeit sogar bei über 70%. Die negativen Folgen für die Betroffenen, die Gesellschaft, die Wirtschaft und vor allem für die Zukunft sind evident. Rasches und wirksames Handeln ist notwendig.
Im Dezember 2012 hat die Europäische Kommission eine Mitteilung mit dem Titel „Junge Menschen in Beschäftigung bringen“ veröffentlicht. Herzstück dieser Mitteilung ist eine sogenannte Jugendgarantie: Junge Menschen sollen binnen vier Monaten nach ihrem Abgang von der Schule oder nach einem Arbeitsplatzverlust ein gutes Angebot für einen Arbeitsplatz, eine Weiterbildung oder eine Ausbildungs- bzw Praktikumsstelle erhalten. So begrüßenswert diese Jugendgarantie an sich auch ist, es fehlt – um beim Bild mit dem Herz zu bleiben – das Blut (konkrete Maßnahmen), und auch der Körper (das institutionelle Umfeld) muss erst entsprechend angepasst werden. An Maßnahmen enthält die Mitteilung leider nur wenig, und den institutionellen Rahmen überlässt sie expressis verbis den Mitgliedstaaten.
Beim Gipfel Ende Juni wurde die Jugendgarantie nun durch eine Jugendbeschäftigungsinitiative ergänzt. 6 Mrd. Euro sollen in den Jahren 2014 und 2015 in den Regionen mit einer Jugendarbeitslosigkeit mit mehr als 25% eingesetzt werden. Anfang Juli wurde dieser Betrag noch um 2 Mrd Euro aufgestockt. Ob 6 oder 8 Mrd Euro – der Betrag wird von vielen als unzureichend bzw als Tropfen auf den heißen Stein beurteilt. Von der ILO werden die Kosten für eine vollständige Umsetzung der Jugendgarantie in der Eurozone mit 21 Mrd. geschätzt.
Die öffentliche Auftragsvergabe als sozialpolitisches Instrument:
Die Idee öffentliche Aufträge davon abhängig zu machen, dass die Unternehmen Lehrstellen bzw Ausbildungsplätze für Jugendliche zur Verfügung stellen, ist nicht neu. Bereits in einer Mitteilung der Kommission aus dem Jahre 2001 wird angeführt, dass der Auftraggeber eine breite Palette von Möglichkeiten verfügt, um Vertragsklauseln im sozialen Bereich festzulegen. Als Beispiel werden dabei ua Schulungsmaßnehmen für Jugendliche genannt. Auch im Leitfaden für die Berücksichtigung sozialer Belange im öffentlichen Beschaffungswesen aus dem Jahre 2010 wird die Förderung der Jugendbeschäftigung angeführt.
Den Zuschlag eines öffentlichen Auftrags davon abhängig zu machen, dass das Unternehmen eine bestimmte Anzahl von Ausbildungsplätzen zur Verfügung stellt ist prinzipiell auch jetzt schon möglich. Trotzdem passiert dies nicht. Die Gemeinde Wien, die bei öffentlichen Aufträgen verstärkt Lehrbetriebe bei Direktvergaben berücksichtigt, dürfte da eine Ausnahme sein. Es genügt daher offenkundig nicht, dass die öffentlichen Auftraggeber den Zuschlag von der Bereitstellung von Ausbildungsplätzen berücksichtigen können. Ein „Können“ reicht nicht.
Aber was spricht eigentlich dagegen aus der bloßen Möglichkeit eine Verpflichtung zu machen? Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat bereits 2009 in einer Stellungnahme angemerkt, dass öffentliche Auftragsvergaben ein soziales Gesicht bekommen würden, „wenn die Berücksichtigung bestimmter sozialer Gesichtspunkte nicht bloß ermöglicht, sondern darüber hinaus verbindlich vorgeschrieben wird.“ Wann wäre also der richtige Zeitpunkt, wenn nicht jetzt!
Was könnten nun Eckpunkte einer derartigen Verpflichtung sein?
In einem ersten Schritt sollten alle Mitgliedstaaten mit einer Jugendarbeitslosigkeit von mehr als 25% erfasst werden. In weiterer Folge könnte dann der Prozentsatz schrittweise reduziert werden.
Pro 50 Beschäftigte im Unternehmen sollte dann zumindest ein Ausbildungsplatz bestehen. Ist dies nicht der Fall, dann kann das Unternehmen keinen öffentlichen Auftrag erhalten. Zum Einschleifen der Regelung könnte in der Anfangsphase, also etwa in den ersten beiden Jahren, eine Bevorzugung der ausbildenden Unternehmen statt eines Ausschlusses der nicht ausbildenden im Vergabeverfahren erfolgen.
Die Ausbildungsplätze müssten natürlich bestimmte qualitative Kriterien erfüllen. Hier wäre es sinnvoll, dass die europäische Ebene grobe Kriterien vorgibt und die Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der jeweiligen nationalen Rahmenbedingungen diese Kriterien verfeinern. Keinesfalls sollen über diesen Weg schlechte und nicht nachhaltige Jobs gefördert werden.
Effekt und Vorteile
Der Hebel, der damit in Gang gesetzt werden würde, wäre nicht zu unterschätzen. Öffentliche Aufträge entsprechen etwa 12-15% des Bruttosozialproduktes. Pi mal Daumen geschätzt würde ich behaupten, dass ca jedes dritte Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten damit spekuliert sich irgendwann an einer öffentlichen Ausschreibung zu beteiligen und jedes zehnte mittelständige Unternehmen (50 bis 250 Beschäftigte). Keine Ausbildungsplätze anzubieten wäre daher für sehr viele Unternehmen ein potentieller Wettbewerbsnachteil. Würde man die Regelung auch auf öffentliche Förderungen ausweiten, dann wäre die Wirkung noch wesentlich größer.
Bei den Vorteilen wäre vorrangig anzuführen, dass sich die Kosten der öffentlichen Hand in Grenzen halten. Natürlich wären gewisse Begleitmaßnahmen, wie etwa Aufbau der entsprechenden Institutionen, Eingliederungsbeihilfen für bestimmte Fälle etc erforderlich. Möglicherweise würden sich die Anforderungen auch geringfügig beim Preis des öffentlichen Auftrags auswirken. Im Vergleich zu rein staatlich getragenen Maßnahmen wären die Kosten aber weitaus geringer.
Die Maßnahme könne wesentlich dazu beitragen ein duales Ausbildungssystem aufzubauen. Ein duales Ausbildungssystem im Sinne einer Ausbildung als Lehrling im Betrieb und in der Berufsschule gibt es bekanntlich in der EU nur in Deutschland und Österreich. Deutschland und Österreich sind auch die Länder in Europa mit der geringsten Jugendarbeitslosigkeit. Es gibt daher Bemühungen das System der dualen Ausbildung als Erfolgsmodell in andere europäische Länder zu exportieren. Die Verpflichtung bei öffentlichen Aufträgen auch Ausbildungsplätze anzubieten würde sich gut mit dem Aufbau eines dualen Ausbildungssystems verbinden lassen. Dass dies nicht innerhalb weniger Monate möglich ist und auch nicht 1:1 von Österreich oder Deutschland übernommen werden kann, liegt auf der Hand.
Es ist davon auszugehen, dass ein Teil der Jugendlichen im Unternehmen, wo sie ausgebildet werden, auch nach der Ausbildung als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer weiterbeschäftigt werden. Die Suche nach einem Arbeitsplatz nach erfolgter Ausbildung erübrigt sich also für diese.
Abschließend nochmals, weil wesentlich: Die Erfahrung zeigt, dass es nicht genügt, wenn die Berücksichtigung bestimmter sozialer Gesichtspunkte bei der öffentlichen Auftragsvergabe bloß ermöglicht wird. Es wird sich erst dann etwas ändern, wenn dies verpflichtend ist. Dann jedoch kann diese Maßnahme ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung der erschreckend hohen Jugendarbeitslosigkeit in Europa sein.