Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen!

07. Juni 2013

Die jüngsten Arbeitslosigkeitszahlen der europäischen Statistikbehörde (Eurostat) lassen wieder aufhorchen, zumindest kurzfristig. Wieder ist die Zahl der Arbeitslosen gestiegen. Wieder sind es die Jugendlichen, die besonders betroffen sind. Und wieder wird nichts getan.

 

Hingegen entsteht ein allgemeines Gewöhnen an das hohe Arbeitslosigkeitsniveau und eine Gleichgültigkeit gegenüber den Schicksalen, die sich hinter den Zahlen verbergen. Es ist eine grausame Gleichgültigkeit, die unsere Demokratie gefährden kann, wie uns die Geschichte lehrt. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit oder – positiv formuliert – Kampf für Vollbeschäftigung als wirtschaftspolitisches Ziel, scheint verschwunden zu sein. Ein Fehler. John Maynard Keynes (2009 [1936]: 314) formulierte es als „die hervorstechenden Fehler der Wirtschaftsgesellschaft, in der wir leben, sind ihr Versagen, für Vollbeschäftigung zu sorgen, und ihre willkürliche und ungerechte Verteilung des Reichtums und der Einkommen.” Mit dieser Diagnose wirft er zwei gesellschaftliche Krankheiten auf, deren Ursache und Heilung wechselseitig miteinander verbunden sind.

Zeit zum Handeln: Arbeitslosigkeit auf historischem Hoch
Im Jahr 2014 waren 5,144 Millionen Jugendliche in der Europäischen Union arbeitslos. Dies ist einer der höchsten Werte seit es Aufzeichnungen für die EU 28 von Eurostat gibt (seit dem Jahr 2000). Im Vergleich zum Vorkrisenniveau im Jahr 2008, sind derzeit um rund 900 Millionen mehr Jugendliche arbeitslos. Besonders problematisch ist die Dauerhaftigkeit der Arbeitslosigkeit. Die letzt verfügbaren Daten (2013) zeigen, dass 34,2% der arbeitslosen Jugendlichen bereits 12 Monate oder länger arbeitslos sind. Hochgerechnet sind dies rund 1,8 Millionen Jugendliche, die bereits ein Jahr oder länger arbeitslos sind. In Hinblick auf die Langzeitarbeitslosigkeit treten deutliche Unterschiede in den Mitgliedsstaaten auf. So weist die Slowakei mit 61,3% den höchsten Anteil an langzeitarbeitslosen Jugendlichen auf. Gefolgt von Italien (53,3%), Griechenland (52%), und Kroatien (50,7%). Die niedrigsten Anteile an langzeitarbeitslosen Jugendlichen verzeichnen die Länder Finnland (5,3%), Schweden (6,9%) und Dänemark (10,1%). In Österreich liegt der Anteil bei 14,8%. Auffallend ist, dass die skandinavischen Ländern deutlich höhere Jugendarbeitslosenquoten als Österreich oder Holland haben, es ihnen aber gelingt, Jugendliche wieder relativ schnell in der Arbeitmarkt oder ins Bildungssystem zu integrieren. Bei all den Daten sind Jugendliche in Schulungen oder Jugendliche, die aufgrund der Aussichtslosigkeit am Arbeitsmarkt, nicht mehr nach Arbeit suchen, nicht berücksichtigt. Sie fallen aus der internationalen Definition von Arbeitslosigkeit heraus, da sie entweder keine Arbeit suchen oder in den nächsten zwei Wochen keine Arbeit aufnehmen können.

Als Ergänzung zu den traditionellen Arbeitsmarktindikatoren erhebt Eurostat neuerdings die Anzahl bzw. den Anteil an NEET-Jugendlichen (not in employment, education or training). Sie sind zum Befragungszeitpunkt weder in Beschäftigung, noch in (Aus-)Bildung oder in einer Trainingsmaßnahme. Der Indikator verweist nicht nur auf arbeitslose Jugendliche, sondern auch auf erwerbslose Personen, die aus verschiedensten Gründen, z.B. aufgrund von Krankheit, Betreuungspflichten, Perspektivenlosigkeit etc., derzeit keine Arbeit suchen und/oder nicht verfügbar sind. Im Jahr 2013 lag die NEET-Rate in der Europäischen Union bei 13% und es waren hochgerechnet rund 7,6 Millionen Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahren weder im Beschäftigungs- noch im (Aus-)Bildungssystem integriert. Im Vergleich zum Vorkrisenniveau (im Jahr 2008) ist die NEET-Rate in der Europäischen Union um 2,2 Prozentpunkte angestiegen. Österreich hatte im Jahr 2013 mit 7,1 die fünftniedrigste NEET-Rate in der Europäischen Union. Die höchsten NEET-Raten hatten Italien (22,2%), Bulgarien (21,6%),  und Griechenland (20,4%) (Quelle Eurostat).

Folgen von Jugendarbeitslosigkeit
Arbeitslosigkeit generell, aber insbesondere in jungen Jahren, hat weitreichende negative Folgen für die Betroffenen. Die Jugendphase ist ein sensibler Lebensabschnitt, geprägt von Sozialisation und Identitätsfindung. Erwerbstätigkeit und (Aus-)Bildung können hier eine wesentliche Rolle spielen. Auf der anderen Seite können längerfristige Arbeitslosigkeitserfahrungen bei Jugendlichen, im späteren Leben noch zu einer geringeren Lebens- und Arbeitszufriedenheit, zu einem schlechteren Gesundheitszustand, geringeren Einkommenschancen und zu einem erhöhten Arbeitslosigkeitsrisiko führen. Handlungsbedarf ist aber nicht nur aufgrund der individuellen Schicksale und der volkswirtschaftlichen Kosten, sondern vor allem aufgrund der politischen und sozialen Risiken, die mit einer anhaltend hohen Jugendarbeitslosigkeit verbunden sind, angezeigt. Junge Menschen, die keinen Platz in der Gesellschaft haben und deren Probleme vom politischen System nicht gelöst werden, werden sich von diesem System abwenden.

Soziale Stabilität gefährdet
Im aktuellen World of Work Report 2013 verweist die ILO (International Labour Organisation) erneut auf einen Anstieg an sozialer Instabilität. Sie misst dies anhand des Social Unrest Index, wo die Zufriedenheit der Bevölkerung regelmäßig abgefragt wird. Berücksichtigt werden hier das Vertrauen in nationale Regierungen, der Arbeitsmarkt, Lebensstandards und die Freiheit zu einem selbstbestimmten Leben, sowie der Zugang zum Internet. Desto höher der Index, desto geringer ist die Zufriedenheit der Bevölkerung. Im Vergleich zum Vorkrisenniveau (2006/2007) war mit 12 Prozentpunkten weltweit der höchste Anstieg in der Europäischen Union. In geringerem Ausmaß stieg der Index im Mittleren Osten, Nordafrika und Südasien. Hingegen nahm der Index in Lateinamerika und der Karibik, der Sub-Sahara-Afrika und in Süd- bzw. Südostasien ab. Den starken Anstieg in der Europäischen Union führt die ILO auf die Kürzungs- und Sparpolitik und deren Auswirkungen auf die Lebenszufriedenheit der Bevölkerung zurück.

Beschäftigungsinitiative für junge Menschen
Nach fast fünf Jahren Wirtschaftskrise und anhaltend hoher Jugendarbeitslosigkeit schlägt die Europäische Kommission eine Beschäftigungsinitiative für junge Menschen vor. Hierfür sind im Zeitraum 2014-20 Mittel in Höhe von 6 Mrd. Euro bereitgestellt. Nach dem österreichischen Vorbild sollen Jugendgarantien in den Mitgliedsstaaten eingeführt werden, damit arbeitslose junge Menschen innerhalb von vier Monaten ein Angebot auf eine Arbeitsstelle, eine Ausbildung oder ein Praktikum erhalten. Auch wenn diese Initiative zu begrüßen ist, erscheint die Finanzierung als fragwürdig. Die Gesamtkosten der Jugendgarantie werden von der ILO alleine für die Eurozone auf 21 Mrd. Euro geschätzt. Das jene Länder, die die höchsten Jugendarbeitslosenraten aufweisen, die Kosten nicht alleine tragen können, ist offensichtlich.

Vollbeschäftigung muss das Ziel sein
Auf die Frage wie Jugendarbeitslosigkeit bekämpft werden kann, gibt es eine einfache Antwort. Es braucht mehr Jobs. Hierfür ist es notwendig, in der europäischen Wirtschaftspolitik Vollbeschäftigung wieder als Ziel, oder noch besser als vorrangiges Ziel zu verankern. In Hinblick auf die Jugendarbeitslosigkeit, sollte die Halbierung das Ziel für die Europäische Union sein. Wenn sich die EU-Wirtschaftspolitik nur am Ziel der Budgetkonsolidierung orientiert, bleiben keine Handlungsspielräume zur Bekämpfung der (Jugend-)Arbeitslosigkeit. Denn in einer Rezession sind wachsende öffentliche Schuldenstände „eine notwendige und wünschenswerte Begleiterscheinung einer beschäftigungsorientierten Politik“ (Rothschild 1990: 160). Bei dem aktuellen Problemausmaß, darf auch nicht mehr gekleckert werden. Es braucht umfassende Investitionsprogramme zu Ankurbelung der Konjunktur und zur Schaffung von Beschäftigung. Notwendig sind in vielen Mitgliedsstaaten öffentliche Investitionen in den Ausbau der sozialen und ökologischen Infrastruktur. Für Österreich zeigen beispielsweise Buxbaum/Pirklbauer, dass durch einen Ausbau der Kinderbetreuungsplätze, sich nicht nur die Betreuungssituation verbessert und neue Beschäftigungsmöglichkeiten entstehen, sondern auch, dass die Investitionskosten innerhalb von vier Jahren wieder ins Budget zurück fließen. Letztendlich wird es zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit auch eine verstärkte Umverteilung von Einkommen und Vermögen benötigen. Dies ist nicht nur ein Solidaritätsakt, sondern ist vor allem zur Stimulierung der Wirtschaftsnachfrage notwendig.

Weiterführende Literatur:
Forrester, Vivane (1997): Der Terror der Ökonomie. Wien: Paul Zsonay Verlag.
Rothschild, Kurt W. (1990): Arbeitslose: Gibt es die? Ausgewählte Beiträge zu den ökonomischen und gesellschaftspolitischen Aspekten der Arbeitslosigkeit. Marburg: Metropolis.