Lange Sommerferien sind für viele eine schöne Kindheitserinnerung. In der Praxis werfen sie jedoch zahlreiche Probleme auf: Sie stellen für berufstätige Eltern eine echte Betreuungsherausforderung dar, sie verstärken familienbedingte Bildungsungleichheit und lassen schulische Infrastruktur weitgehend ungenutzt. Eine Betrachtung des Sommerlocheffekts und möglicher Gegenmaßnahmen.
Die heutige Rhythmisierung des Schuljahres ist ein historisches Relikt. Die Gestaltung des Schulkalenders mit langen Sommerferien stammt aus der Zeit einer überwiegend agrarwirtschaftlich dominierten Gesellschaft, in der die Kinder bei der Ernte helfen mussten. Das Schuljahr wurde um Interessen von Landwirtschaft, Kirche und Tourismus strukturiert und nie an die heutige Arbeitswelt oder an pädagogische Erfordernisse angepasst. Obwohl mittlerweile nur noch ein Bruchteil der Beschäftigten in der Landwirtschaft tätig ist, bestehen die zweimonatigen Sommerferien bis heute. Mit diesem „Sommerloch“ gehen jedoch eine Reihe von Problemen für Kinder und Familien einher: Es verstärkt die Bildungsungleichheit, bringt Betreuungsprobleme und lässt öffentliche Infrastruktur ungenützt.
Ferienbetreuung: eine Frage der sozialen Gerechtigkeit
Während berufstätige Eltern in den meisten Fällen fünf Wochen Jahresurlaub haben, sind die Schulen in etwa 14 Wochen im Jahr geschlossen. Eltern müssen vielfach auf Großeltern und die Großfamilie zurückgreifen, um die Betreuung während der schulfreien Zeit zu bewältigen. Wenn sie diese Möglichkeit nicht haben, müssen sie auf andere – teils kostspielige – Betreuungsformen ausweichen. Laut einer Befragung von 800 Eltern mit Volksschulkindern in Wien fällt es der Hälfte der Eltern schwer, die Betreuung während der Sommerferien für ihre Kinder zu organisieren.
Neben der fehlenden Betreuung für SchülerInnen während der Ferienzeiten wird auch die Schulinfrastruktur mehr als ein Viertel des Jahres nicht genutzt. Wenn die Schulinfrastruktur nicht gerade saniert wird, steht sie ungenützt leer. Gerade in dichter besiedelten Räumen wie Städten werden aber Kreativräume, Sportplätze etc. dringend gebraucht. Schulinfrastruktur ist aber oftmals nicht der Mehrfachnutzung gewidmet und nicht zugänglich.
Bildungsentwicklung: Die Feriengestaltung macht den Unterschied
So sind die langen Ferien vor allem Ursache für Chancenungleichheit, da sie besonders für benachteiligte Kinder negative Effekte auf deren Bildungsentwicklung haben. Im deutschsprachigen Raum spricht man dabei vom „Sommerlocheffekt“: Während die Lernentwicklung der SchülerInnen während der Unterrichtsmonate weitestgehend parallel verläuft, ausgehend von ihren unterschiedlichen Startniveaus, entstehen in den Sommerferien, abhängig vom sozioökonomischen Familienhintergrund, unterschiedliche Kompetenzentwicklungen. Die Leistungsschere geht auseinander (siehe Abbildung 1).