Der Juncker-Fonds unter der Lupe: Ergebnisse des aktuellen Berichts des Europäischen Rechnungshofs

22. Februar 2019

Die Einführung eines Europäischen Fonds für Strategische Investitionen, besser bekannt als Juncker-Fonds, war eines der zentralen neuen Projekte des EU-Kommissionspräsidenten. Ziel dieses Fonds war es, dem Investitionsstau im Rahmen der Finanz- und Wirtschaftskrise in Europa entgegenzuwirken. Der aktuelle Bericht des Europäischen Rechnungshofs zum EFSI bestätigt nun viele Bedenken: „Damit der EFSI ein voller Erfolg wird, muss noch einiges unternommen werden“, ist der treffende Titel des Berichts.

Investitionsoffensive für Europa: Der EFSI

„Neue Impulse für Arbeitsplätze, Wachstum und Investitionen“ war die erstgereihte von zehn Prioritäten, die Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Juli 2014 als politische Leitlinien seiner neuen Kommission präsentiert hatte. Auf die fehlende Investitionstätigkeit, die infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008 zu beobachten war, sollte die Europäische Union reagieren, und zwar mit einer neuen Investitionsoffensive. Diese wurde auch als Juncker-Plan bekannt. Neben einer Investitionsberatung und verbesserten rechtlichen Rahmenbedingungen stellte der am 25. Juni 2015 formell neu eingerichtete „Europäische Fonds für Strategische Investitionen“ das Herzstück des Plans dar: Insgesamt 16 Mrd. Euro sollten als Garantien aus dem EU-Haushalt und 5 Mrd. Euro als Eigenmittel der Europäischen Investitionsbank (EIB) zur Verfügung gestellt werden – damit könnten Finanzierungen durch die Europäische Investitionsbank von 61 Mrd. Euro ermöglicht werden, die im Zeitraum von 2015 bis 2018 Gesamtinvestitionen in Höhe von 315 Mrd. Euro bewirken sollten. Die Kommission ging von einem 15-fachen Multiplikatoreffekt dieser Gelder aus. Die Investitionsfelder reichen dabei von Infrastruktur, Forschung und Innovation, Bildung bis zu erneuerbaren Energien und Energieeffizienz.

Die Verlängerung des Fonds: EFSI 2.0

Der EFSI war ursprünglich für drei Jahre ausgelegt und wäre dementsprechend im Juli 2018 ausgelaufen. Aufgrund der – gemäß Kommission – äußert erfolgreichen Erfahrungen schlug sie eine Verlängerung des Fonds vor. Im Dezember 2017 folgte dazu die Einigung mit dem Europäischen Parlament und dem Rat. Mit der Verlängerung, die als EFSI 2.0 bezeichnet wurde, wird das angestrebte Investitionsvolumen von 315 auf 500 Mrd. Euro erhöht und die Laufzeit von Mitte 2018 auf Ende 2020 verlängert. Neben einer höheren Transparenz und einer stärkeren Konzentration auf kleine Projekte sollten auch mindestens 40 Prozent der Infrastruktur- und Innovationsprojekte zur Erreichung der in Paris festgesetzten Klimaziele beitragen.

Europäischer Rechnungshof nimmt EFSI unter die Lupe

2017 startete der Europäische Rechnungshof (ERH) mit der Prüfung des EFSI, wobei EFSI 2.0 nicht berücksichtigt wurde. Im Fokus stand dabei der Bereich für Investitionen und Innovationen, für den 15,5 Mrd. Euro veranschlagt waren. Die übrigen 5,5 Mrd. Euro waren als Unterstützungen für KMUs vorgesehen. Fünf Fragestellungen umfasste das Prüfungsziel:

  1. Wurde das erwartete Niveau risikoreicherer Finanzierungen erreicht?
  2. Hat der EFSI andere Finanzierungsvorhaben der EIB ersetzt?
  3. Hätten die Projekte mit anderen Mitteln finanziert werden können?
  4. Waren die gemeldeten Schätzungen der mobilisierten Investitionen realistisch?
  5. War die geografische Verteilung der Investitionen ausreichend?

Die Ergebnisse der Prüfung

Die Aufgabe des EFSI, risikoreichere Vorhaben zu fördern, konnte gemäß Bericht grundsätzlich erfüllt werden. Risikoreichere Vorhaben standen gerade deswegen im Fokus, da für solche Projekte in Anbetracht der Situation auf den Finanzmärkten erschwert Kredite aufgestellt werden konnten. Die vonseiten der Europäischen Investitionsbank gewährten risikoreichen Finanzierungen vervierfachten sich seit 2014. Dennoch sieht der Europäische Rechnungshof noch Spielraum bei der Investitionsbank, risikoreichere Finanzprodukte stärker zu fördern. Außerdem zeigte sich, dass es Überschneidungen mit anderen EU-Finanzierungsinstrumenten gab. Allen voran in den Bereichen Verkehr und Energie im Rahmen des Programms „Connecting Europe Facility“ (CEF) hätten die Mittel passgenauer abgerufen werden können, so der Bericht.

Projekte hätten anders finanziert werden können

Der Rechnungshof kam auch zum Ergebnis, dass nicht weniger als ein Drittel der Projekte im Bereich „Infrastruktur und Innovation“ auch ohne Unterstützung des EFSI hätten finanziert werden können. Dies ist deshalb von besonderer Bedeutung, da es eines der Ziele des EFSI war, zusätzliche Mittel für Investitionen sicherzustellen, die in Anbetracht der Finanz- und Wirtschaftskrise sonst nicht finanziert worden wären. Zu diesem Schluss kam der Europäische Rechnungshof aufgrund von Befragungen von 86 Projektwerber*innen. 27 von ihnen erklärten, dass die Projekte auch aus anderen Quellen vollständig hätten finanziert werden können. Der EFSI wurde aber dennoch in Anspruch genommen, da er geringere Finanzierungskosten im Vergleich zu den möglichen Alternativen sowie längere Laufzeiten bei der Tilgung der Darlehen ermöglichte.

Multiplikatoreffekt „übertrieben“

Die Kommission war bei der Einführung des EFSI von einem Multiplikatoreffekt von 15 ausgegangen. Das bedeutet, dass aus einem Euro im Fonds Gesamtinvestitionen von 15 Euro mobilisiert werden könnten. Noch im Jahr 2018 vermeldete die Europäische Investitionsbank, dass auf Grundlage der angemeldeten Investitionen der angestrebte Multiplikatoreffekt sogar leicht übertroffen wurde. Der Europäische Rechnungshof stellte nun jedoch Mängel bei der Ermittlung dieses Multiplikatoreffekts fest und geht von einer übertriebenen Darstellung aus. Ein Beispiel im Prüfbericht zu einem konkreten Projekt zeigt etwa, dass die Investitionsbank einen 30-fachen Multiplikator angibt, wohingegen der Europäische Rechnungshof nur einen 8-fachen Effekt feststellen konnte. Dies ist auf unbereinigte Doppelzählungen durch die Europäische Investitionsbank bei der Berechnung zurückzuführen.

Geografische Verteilung nicht ausgewogen

Die Investitionsleitlinien des EFSI sehen (unverbindlich) vor, dass eine übermäßige sektorale und geografische Konzentration zu vermeiden ist. So sollte die Summe der unterzeichneten Beträge von drei beliebigen Mitgliedstaaten 45 Prozent des EFSI-Portfolios nicht überschreiten. Doch im Falle der Länder Frankreich, Italien und Spanien ist dies der Fall: 47 Prozent der Mittel gingen in diese drei Länder. Zwar erkennt hier der Europäische Rechnungshof an, dass es sich um krisengeplagte Länder handle, doch gerade die Ungleichverteilung zwischen alten und neuen Mitgliedstaaten – sowohl in absoluten Zahlen als auch bei den Beträgen pro Kopf – sei eklatant.

Sinnvoller Einsatz der Gelder notwendig

Der Bericht des Rechnungshofs bestätigt Bedenken, die viele bereits im Vorfeld zur Schaffung des EFSI geäußert hatten. Dies betrifft vor allem die übertriebene Darstellung des Multiplikatoreffekts. Dieser erweckte den Eindruck, beeindruckende Investitionssummen zu bewirken, die schlussendlich aufgrund der zeitlichen Verzögerung der Umsetzung nicht nachgeprüft werden bzw. werden können.

Was wäre mit Projekten ohne EFSI passiert?

Derartige „Was-wäre-wenn-Fragen“ bergen die Herausforderung in sich, wissenschaftlich schwer erhebbar zu sein. Doch die Befragung der Projektwerber*innen ergab, dass der EFSI dank seiner großzügigen Konditionen genutzt wurde, viele Investitionen aber auch ohne EFSI-Finanzierung getätigt worden wären.

Ein Beispiel für den eher zu hinterfragenden Einsatz von Mitteln aus dem Juncker-Plan stellt der Coup dar, den die ÖBB im Dezember 2017 gelandet haben: Die Europäische Investitionsbank stellte der ÖBB-Personenverkehr (ÖBB-PV) ein Darlehen über 500 Millionen Euro zur Anschaffung von neuen Cityjet-Zuggarnituren zur Verfügung. Dies war die bis dahin größte EU-Investition, die aus dem EFSI mit einer Garantie abgesichert wurde. Es stellt sich unweigerlich die Frage, inwieweit Zuggarnituren überhaupt den eigentlichen Zweck des EFSI, risikoreiche Investitionen zu fördern, erfüllen. Sie erscheinen jedenfalls nicht nur auf den ersten Blick als wenig risikoreich bzw. innovativ.

Schließlich stammen zwei Drittel der mobilisierten Mittel von privaten InvestorInnen. Private bzw. gemischte Finanzierungsmodelle, wie beispielsweise Public-Private-Partnerships (PPP), sind aufgrund der höheren Gewinnansprüche privater InvestorInnen mittel- und langfristig nicht nur teurer, sondern aufgrund der lediglich indirekten Steuerungsmöglichkeiten organisatorisch ineffizient. Deshalb braucht es vielmehr eine „goldene Investitionsregel“, um die Finanzierung von öffentlichen Investitionen durch die öffentliche Hand zu erleichtern und damit einen Beitrag zu einem nachhaltigen Wirtschaftswachstum zu leisten sowie Generationengerechtigkeit zu fördern. Bedauerlicherweise geht der Rechnungshofbericht nur unzureichend auf die Frage unterschiedlicher Finanzierungsformen ein.