Die Finanz- und Wirtschaftskrise führte weltweit zu einer erheblichen und anhaltenden Belastung der öffentlichen Haushalte. Neben den direkten Kosten für die Stützung des Finanzsystems sind die Ausgaben für konjunkturstabilisierende Maßnahmen und indirekte Kosten in Form höherer Arbeitslosigkeit sowie schwächerer Steuereinnahmen zu nennen.
Die Stützung des Finanzsystems erfolgte über ein breites Maßnahmenbündel auf globaler, europäischer und nationaler Ebene. Auch wenn – vor allem die potenziellen – Kosten hoch waren, wäre Nichthandeln die schlechtere Alternative gewesen. Eine „echte“ Beteiligung durch die öffentliche Hand in Form von Aktien statt Partizipationskapital, eine stärkere Kostenbeteiligung der Banken und eine konsequentere Reduzierung des Finanzmarktrisikos hätten die Zwischenbilanz aber verbessern können.
In Folge wird vor allem auf die Maßnahmen Bezug genommen, welche die öffentlichen Haushalte betreffen. Nicht unerwähnt sollte dabei freilich bleiben, dass Zentralbanken zunächst über Liquiditätsstützungen die vor dem Kollaps stehenden Geldmärkte gestützt haben und sukzessive mit konventionellen und danach unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen stabilisierend auf Kredit- und Finanzmärkte einwirkten. So haben etwa das US-amerikanische Federal Reserve System ihre Bilanzsummen auf das 4,9-fache des letzten Wochenausweises vor dem Konkurs von Lehman Brothers und das Europäische System der Zentralbanken auf das 3,2-fache ausgedehnt.
Größe der Bankenpakete im europäischen Vergleich Die Stützungsmaßnahmen der öffentlichen Hand unterschieden sich punkto Art und Umfang erheblich. So gab es zum einen Haftungen, um den Kreditinstituten wieder Zugang zur Refinanzierung zu ermöglichen, zum anderen Kapitalmaßnahmen, um die Eigenkapitaldecke zu stärken. In den am stärksten betroffenen Ländern gab es eine Kombination der Maßnahmen. Wo es sich vorrangig um Liquiditätsprobleme handelte, waren Haftungen im Vordergrund. Aufgrund der Unterschiedlichkeit des Maßnahmenmix wird hier die Summe aus Verbindlichkeiten für Kapitalmaßnahmen und Haftungen dargestellt, um die Bedeutung und den Umfang der Stabilisierungsmaßnahmen im europäischen Kontext darzustellen.
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Im Euroraum (Österreich) erreichte die Summe aus Verbindlichkeiten und Haftungen 2009 mit 14,7 % (13,7 %) des BIP ihren Höhenpunkt, in Deutschland im Jahr 2010 mit 15,1 % des BIP. Auffällig ist der neuerliche Anstieg in Österreich auf 11,3 % des BIP im Jahr 2015 durch die Errichtung der Abbaueinheiten für die Hypo Alpe Adria, die Österreichische Volksbanken AG (ÖVAG) und die Übertragung der Verbindlichkeiten der Abbaueinheit der Kommunalkredit AG in den öffentlichen Sektor.
Betrachtet man nur die Verbindlichkeiten aus Kapitalmaßnahmen, so liegen diese in Österreich im Euroraum-Vergleich 2017 mit 26,9 Mrd. Euro (Höhepunkt 2015: 37,3 Mrd. Euro) an fünfter Stelle (nach Deutschland, Irland, Griechenland und Spanien). Im Euroraum insgesamt belaufen sich die Verbindlichkeiten noch auf 457,5 Mrd. Euro (Höhepunkt 2012: 575,8 Mrd. Euro) In Prozent des BIP waren 2017 die durch Verbindlichkeiten aus dem Bankenpaket verursachten Staatsschulden in Griechenland, Zypern, Irland, Slowenien und Portugal noch höher als in Österreich.
2017 bestanden in Österreich keine Haftungen mehr; die verbliebenen 7,3 % des BIP (26,9 Mrd. Euro) sind somit die noch ausstehenden Verbindlichkeiten aus den Abbaueinheiten. Diesen Verbindlichkeiten stehen jedoch Aktiva (Darlehen, Eigenkapitalanteile und unter „anderen Vermögenswerten“ v. a. die Aktiva der Abbaueinheiten) gegenüber. Diese waren 2017 mit 20,9 Mrd. Euro (2016: 28,9 Mrd. Euro) bewertet.
Zur Abwicklung der HETA (Abbaueinheit der Hypo Group Alpe Adria) ist kritisch anzumerken, dass angesichts der geringen Beteiligung der Gläubiger die Allgemeinheit den weitaus größten Teil des Hypo-Skandals zu schultern hat. Aufgrund der konjunkturellen Situation und der Situation bezüglich der Vermögenswerte verlief der Abbau im abgelaufenen Jahr günstig. Das BMF erwartete ursprünglich eine endgültige Abwicklung für die HETA bis 2023 und geht aufgrund des bisher günstigen Verwertungslaufs von einer Abwicklung frühestens 2020 aus. Für die immigon (Abbaueinheit der ÖVAG) geht das BMF von einer Liquidation im Jahr 2018 aus. Für die KA Finanz wird die Abwicklung mit 2027 erwartet. Der Verlauf des Abbaus und der Erlös daraus wird maßgeblichen Einfluss darauf haben, wie hoch sich die Nettobelastung am Ende belaufen wird.
Nettobelastung für die öffentlichen Haushalte Hier ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich die von Eurostat verwendete Darstellung nach dem Europäischen System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (ESVG) von der Darstellung im Finanzierungshaushalt des Bundes und des Rechnungshofs unterscheidet. Das ESVG (Maastricht) folgt dabei bei der Verbuchung der Geschäftsfälle dem Grundsatz, die „ökonomischen Realität“ möglichst gut abzubilden. Dies betrifft zum einen die zeitliche Zuordnung bestimmter Zahlungsflüsse, zum anderen die Unterscheidung von Kapitalmaßnahmen in finanzielle und nicht finanzielle Transaktionen sowie die Frage, ob Abbaueinheiten (bad banks) dem Sektor Staat oder privat zugeordnet werden. So ist eine bad bank grundsätzlich dem Sektor Staat zuzurechnen. Hat eine bad bank noch eine Banklizenz, ist sie mehrheitlich in privatem Besitz und sind die zu erwartenden Verluste gering, kann sie auch dem privaten Sektor zugerechnet werden. Solche Fälle werden einzeln durch Eurostat und die nationalen Institute für Statistik überprüft. So wurde etwa die KA Finanz (Abbaueinheit der Kommunalkredit) ursprünglich nicht in den öffentlichen Schuldenstand übernommen, 2015 wurde sie aber rückwirkend dem Sektor Staat zugerechnet. Auch die Abbaueinheiten der Hypo Alpe Adria, HETA und der ÖVAG, immigon werden dem öffentlichen Sektor zugerechnet.
Bei der Unterscheidung von finanziellen und nicht finanziellen Transaktionen haben nur letztere Auswirkungen auf den Maastricht-Saldo. Nicht finanzielle Transaktion sind solche, welche die Nettovermögensposition des Staates verändern, also etwa Haftungsentgelte, Zins- und Dividendenzahlungen. Kapitalmaßnahmen, die der Logik der Investitionsentscheidung eines privaten Investors entsprechen, werden als finanzielle Transaktion gewertet, die gemäß ESVG nicht relevant sind. Andernfalls sind sie defizitwirksam. In der Regel sind Eigenkapitalinjektionen an private Banken nicht defizitwirksam. Defizitwirksam sind aber Kapitaleinschüsse bei verstaatlichten Kreditinstituten (sowie an private, sollten sie zumindest in den letzten zwei Jahren laufend Verluste geschrieben haben), Abschreibungen auf eingeschossenes Kapital, gewährte Darlehen oder schlagend gewordene Haftungen.
Ein weiterer wesentlicher Unterschied zur Finanzierungsrechnung des Bundes ist die Behandlung der Zinsen für die aufgenommenen öffentlichen Schulden für das Bankenpaket, die in der Eurostat-Darstellung relevant sind (2008–2017 rund 4,3 Mrd. Euro). Davon nicht erfasst ist der Mehraufwand in Österreich, der durch den zum Teil empfindlich angestiegenen Zinsabstand von österreichischen zu deutschen Bundesanleihen nach dem Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise, der vor allem mit dem Risiko heimischer Kreditinstitute durch die hohe Konzentration der Auslandsforderungen in Mittel-, Ost- und Südosteuropa zusammenhängt. Vergleicht man etwa den Zinsabstand in den 60 Monaten vor und nach dem Konkurs von Lehman Brothers, so ergibt sich daraus für die Bruttoemissionen des Staates für Österreich ein weiterer Mehraufwand von rund 970 Mio. Euro.
Nettokosten des Bankenpakets und Stabilitätsabgabe in Österreich Im Vergleich zum Euroraum insgesamt zeigt sich, dass das österreichische Bankenpaket bis 2012 in etwa dem Durchschnitt entsprach. Dieses Bild änderte sich im Jahr 2014 dramatisch. Die Hypo Alpe Adria wurde, nach dem das Problem lange vor sich hergeschoben wurde, verstaatlicht und in eine Abbaueinheit übergeführt. Zudem wurde im Oktober 2014 die Restrukturierung der ÖVAG eingeleitet (und 2015 mit der Überleitung in die Abbaueinheit immigon vollzogen), nachdem die vorherigen Kapitalschnitte nicht für eine Sanierung gereicht hatten.
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Während die Defizitanteile aus den Bankenpaketen im Euroraum ab 2012 stetig rückläufig waren, erreichten sie in Österreich im Jahr 2014 mit 1,6 Prozentpunkten erst ihren Höhepunkt. Im Schnitt der Jahre 2008–2017 schlug sich das Bankenpaket in Österreich mit 0,44 % des BIP jährlich defizitwirksam zu Buche – das doppelte des Euroraum-Durchschnitts. Höhere Belastungen in Prozent des BIP gab es nur in Irland, Slowenien, Griechenland, Zypern, Portugal und Spanien.
Von 2008–2017 ergibt sich für Österreich in der ESVG-Darstellung somit ein eine Belastung von 14,1 Mrd. Euro – je EinwohnerIn sind dies 1.607 Euro. Für den Euroraum lagen die Kosten bei 219,3 Mrd. Euro bzw. 644 Euro je EinwohnerIn.
2011 wurde die Stabilitätsabgabe („Bankenabgabe“) eingeführt, um den Bankensektor an den Kosten der Stabilisierung des Sektors zu beteiligen. Ab 2015 wurde eine Sonderabgabe im Zuge der Rettung der ÖVAG eingeführt. 2017 kam es bei der Stabilitätsabgabe zu erheblichen Änderungen. Zum einen entfiel die Sonderabgabe, zum anderen wurde der Tarif auf 100 Mio. Euro pro Jahr gesenkt. Im Gegenzug wurde ein einmaliger Sonderbeitrag („Abschlagszahlung“) der Banken im Ausmaß von 1 Mrd Euro vereinbart, der bis 2020 an das BMF abzuführen ist. Bereits im ersten Jahr wurde von den Kreditinstituten mehr als die Hälfte überwiesen.
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Von 2011–2017 erbrachte die Stabilitätsabgabe rund 4,1 Mrd. Euro. Selbst wenn man die noch verbleibenden 411 Mio. Euro von der Abschlagszahlung einrechnet und unterstellt, dass sich zukünftig aus dem Bankenpaket keine weiteren Nettobelastungen mehr ergeben, müsste die Stabilitätsabgabe noch über 90 Jahre lang eingehoben werden, um die Kosten des Bankenpakets wieder hereinzuspielen. Vorausgesetzt, dass zwischenzeitlich nicht wieder eine systemische Finanzkrise droht.
War das Bankenpaket gesamtwirtschaftlich sinnvoll? Das Bankenpaket war neben den anderen konjunktur- und arbeitsmarktstabilisierenden Maßnahmen der Geld- und Fiskalpolitik sowie arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen (vgl. Übersicht 2008/09 für Österreich ) ein Faktor, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise „nur“ als große Rezession in die (Wirtschafts-)Geschichtsbücher eingeht und nicht als zweite Weltwirtschaftskrise.
Über die Ausgestaltung der Maßnahmen kann durchaus differenziert diskutiert werden. So hätten etwa die Kapitalmaßnahmen in Form von Aktienkapital (statt Partizipationskapital) die öffentliche Hand stärker an den Erfolgen der Stützungen partizipieren lassen.
Jedenfalls haben die Bankenpakete Bankenruns verhindert und vor allem auch eine weitere Ansteckung im Sektor, zumal die Zwischenbankverbindlichkeiten 2008 mit 33 % der Bilanzsumme österreichischer Kreditinstitute höher waren als die Verbindlichkeiten gegenüber Nichtbanken (31 %). So gesehen war das Bankenpaket für die Absicherung der Vermögen anderer Banken bedeutsamer als die Vermögen von Nichtbanken (darunter Spareinlagen). Das Verhältnis bei der Refinanzierung hat sich nach Ausbruch der Krise deutlich verschoben: 2017 lagen die Zwischenbankverbindlichkeiten „nur“ mehr bei 20 %, die Verbindlichkeiten gegenüber Nichtbanken bei 49 % der Bilanzsumme.
Besser wäre es natürlich gewesen, das Bankenpaket wäre gar nicht erst notwendig gewesen. Hat sich nun das Risiko für die Allgemeinheit, wieder für das Risiko im Bankensektor gerade zu stehen, verringert? Diese Frage kann zum Teil bejaht werden. Zum einen wurden über die Eigenkapitalverordnung (CRR) und –richtlinie (CRD IV) die Anforderungen an Quantität und Qualität des haftenden Kapitals in Banken erhöht, wenn auch nicht so hoch, wie dies manche AutorInnen fordern. Zum anderen wurde mit der Einführung der Richtlinie über die Sanierung und Restrukturierung von Kreditinstituten ein Rahmen geschaffen, der durch präventive Maßnahmen, Sanierungspläne und zuletzt Restrukturierung und geordnete Abwicklung dafür sorgen soll, dass vor einem Bail-out ein Bail-in erfolgen muss, also EigentümerInnen und GläubigerInnen in bestimmter Reihenfolge für die Risiken gerade stehen müssen, bevor es die öffentliche Hand tut. Allerdings fehlen Erfahrungen, die diesen Grundsatz auch glaubwürdig erscheinen lassen.
Weiters wurden Fortschritte durch die Europäische Bankenunion erreicht. Erstens indem systemisch wichtige Institute nunmehr auch auf europäischer Ebene beaufsichtigt werden, womit sich eine bessere Zusammenschau der Risiken durch eine harmonisierte Aufsicht ergibt – und der Einfluss der Banken auf die Regelgestaltung, -auslegung und -durchsetzung selbst vielleicht reduziert werden kann. Zweitens wurden im Rahmen der Bankenunion der CRR und CRD IV auch Möglichkeiten geschaffen, durch die Finanzmarktstabilitätsgremien systemischen Risiken entgegenzusteuern.
Was aber weiter fehlt ist eine Bankenstrukturreform mit einer stärkeren Trennung der Risiken des Investmentbankings vom Geschäftsbankenbetrieb in den Bankkonzernen, etwa durch das getrennte Vorhalten von Eigenkapital für die Sparten oder der Einschränkung des Eigenhandels der Kreditinstitute. Offen sind auch noch adäquate Antworten auf die Risiken des Schattenbanksystems .
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