Die österreichische Arbeitsmarktpolitik schafft es nicht, Vollbeschäftigung zu garantieren. Darunter leiden Arbeitslose genauso wie Menschen in Unterbeschäftigung. Längere Arbeitslosigkeit führt erwiesenermaßen zu Armut: 72 Prozent aller Langzeitarbeitslosen sind armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. Aktuelle Studien kommen zum Schluss: Eine Jobgarantie kann Armut in Österreich stark verringern.
Die Jobgarantie hat sich bewährt
Eine öffentliche Jobgarantie sichert allen Menschen das Recht auf Arbeit. Personen, die arbeiten wollen, aber auf dem ersten Arbeitsmarkt keinen geeigneten Job finden, wird auf freiwilliger Basis ein vom Staat garantierter, bezahlter Job angeboten. Mindestlöhne (oder Kollektivvertragslöhne) sorgen dafür, dass sich der Großteil der TeilnehmerInnen so aus der Armut befreien kann. Menschen in der Jobgarantie können in Gemeinden und gemeinnützigen Einrichtungen sinnvoller Beschäftigung nachgehen und dabei öffentliche Güter herstellen und Dienstleistungen bereitstellen, die allen zugutekommen.
In Ländern wie den USA, Argentinien und Indien wurden Jobgarantien bereits erfolgreich zur Bekämpfung von Armut angewandt. In den USA wurde in den 1930er-Jahren als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise öffentliche Beschäftigung im großen Stil geschaffen. Die Programme des New Deal beschäftigten zu Spitzenzeiten 50–70 Prozent aller Arbeitslosen und halfen, die grassierende Armut einzudämmen. In Indien gibt es seit 2005 eine Jobgarantie für ländliche Haushalte, die nachweislich die Ernährungssicherheit stärkt und Depressionen verringert.
Wer kommt in Österreich für eine Jobgarantie infrage?
Eine Jobgarantie bietet allen Personen, die arbeiten möchten, einen gerecht entlohnten und gesellschaftlich sinnvollen Job an. Der Umfang einer Jobgarantie variiert, je nachdem, welche Zielgruppen aus Sicht der Armutsbekämpfung und Vollbeschäftigung priorisiert werden.
Durch die von COVID-19 verursachten Verwerfungen am Arbeitsmarkt ist die Zahl der Langzeitbeschäftigungslosen wieder massiv gestiegen: Im Juli 2021 waren 171.306 Menschen als Langzeitbeschäftigungslose vorgemerkt und massiv von Armut bedroht. Doch auch kürzere Perioden von Arbeitslosigkeit sind ein hartnäckiges Problem in Österreich. Die nationale Arbeitslosenquote sank in den letzten zehn Jahren im Jahresschnitt nie unter 8,4 Prozent (inkl. Personen in Schulung). Während ein Teil der Arbeitslosen nur wenige Wochen überbrückt, bis einer neuer Job gefunden wird, sind andere monatelang zum Nichtstun verdonnert.
Unterbeschäftigte und Personen in der stillen Reserve würden ebenfalls von einer Jobgarantie profitieren. Als unterbeschäftigt gelten Erwerbspersonen, die zusätzliche Stunden arbeiten möchten und für diese auch zur Verfügung stehen. Das betraf 2020 179.000 Personen – 4,2 Prozent aller Erwerbspersonen, mit einem deutlichen Frauenüberhang. Der Frauenanteil in dieser Gruppe ist höher, da Frauen in Österreich verhältnismäßig häufiger in Teilzeit sind (47 Prozent vs. 11 Prozent bei Männern). Die stille Reserve wiederum besteht aus Menschen, die arbeiten möchten, allerdings aus unterschiedlichen Gründen gerade nicht suchen: jüngere Personen in Aus- und Fortbildung, Arbeitslose, die nach langer Arbeitssuche entmutigt sind, oder Menschen mit Betreuungspflichten, die dennoch für zusätzliche Stunden zur Verfügung stehen. 2020 umfasste diese Gruppe 155.000 Personen.
Weitere Gruppen, die aus der Sicht effektiver Armutsbekämpfung für eine Jobgarantie infrage kommen, sind Asylwerbende, ehemalige GefängnisinsassInnen, Menschen mit Behinderung und Obdachlose. Im Schnitt werden zwei von fünf Personen, die aus einer unbedingten Freiheitsstrafe entlassen werden, rückfällig. Studien zeigen, dass sinnvolle und hochwertige Beschäftigung die Wiederverurteilungswahrscheinlichkeit reduzieren kann. Im Falle von Menschen mit Behinderung kritisiert die Volksanwaltschaft heftig, dass Betroffene in Werkstätten keine Entlohnung erhalten, nicht in Krankenstand gehen können und lebenslang von der Sozialhilfe abhängig bleiben. Eine Integration von Werkstätten in eine staatliche Jobgarantie kann helfen, diese Mängel zu beheben, und verringert zukünftige Altersarmut. Um einen nachhaltigen Beitrag zu Vollbeschäftigung und Armutsreduktion leisten zu können, sollte die Jobgarantie mit Begleitmaßnahmen eingeführt werden. Zu Beginn der Jobgarantie können Trainings- und Schulungsangebote stehen, während der Teilnahme machen ein ausreichendes Angebot begleitender Sozialarbeit und psychologische Betreuung Sinn.
Eine Jobgarantie kann die Armutsgefährdung Langzeitarbeitsloser um bis zu 83 Prozent verringern
Durch Mikrosimulationen können die Auswirkungen einer Jobgarantie auf die Armutsgefährdung verschiedener Bevölkerungsgruppen genauer geschätzt werden. In einer Studie habe ich drei Jobgarantie-Szenarien mit den aktuellsten Daten von EU-SILC und Daten des Mikrozensus simuliert. In allen drei Szenarien erhalten die TeilnehmerInnen den vom ÖGB für Kollektivverträge geforderten monatlichen Mindestlohn von Euro 1.700 brutto. Die Szenarien unterscheiden sich in der Anzahl der Menschen, die durch eine Jobgarantie in Beschäftigung gelangen.
- Szenario 1: Langzeitarbeitslose, Teilnahme von 169.460 Menschen
- Szenario 2: Arbeitslose, Teilnahme von 366.566 Menschen
- Szenario 3: Arbeitslose, Unterbeschäftigte, stille Reserve, Teilnahme von 613.483 Menschen
In Szenario 1 wird durch die Jobgarantie die Armutsgefährdungsquote von teilnehmenden Langzeitarbeitslosen von 51 Prozent auf 9 Prozent gesenkt – eine Reduktion um 83 Prozent! In Szenario 2 sinkt die Armutsgefährdungsquote Arbeitsloser von 48 Prozent auf 19 Prozent. In Szenario 3, das einer universellen Jobgarantie am nächsten kommt, sinkt die Armutsgefährdungsquote der 613.483 TeilnehmerInnen von 38 Prozent auf 12 Prozent.