Zur Erbringung eines breiten Spektrums an Leistungen beschaffen der Staat und seine Teilorganisationen eine Vielzahl von Vorleistungen am privaten Markt, wobei praktisch alle Güterbereiche berührt sind: Bauaufträge, Büromaterial, IT-Dienstleistungen, Kraftfahrzeuge oder auch Lebensmittel. In einer aktuellen Studie wurde nun erstmals eine umfassende Bestandsaufnahme vorgenommen, um die Rolle des öffentlichen Vergabewesens für eine klimaneutrale Produktions- und Lebensweise zu untersuchen.
Ergebnisse der Studie werden in mehreren Blog-Beiträgen präsentiert
In diesem ersten Blog-Beitrag sollen die inhaltlichen Kernergebnisse der Studie dargelegt werden, wobei hier drei zentrale Analyseblöcke den inhaltlichen Rahmen der Studie umfassen:
- Eine Analyse des rechtlichen Möglichkeitsraums, um ökologische Gesichtspunkte in Vergabeverfahren zu berücksichtigen.
- Die Erstellung eines synthetischen Vergabedatensatzes, um das Vergabewesen in Österreich umfassend abzubilden und gleichzeitig detaillierte Informationen zu den beschafften Gütern zu bieten.
- Die Verknüpfung der Beschaffungsdaten mit dem IO-Modell ADAGIO, wodurch der ökologische und ökonomische Fußabdruck der öffentlichen Beschaffung sichtbar gemacht werden kann.
In einem noch folgenden Beitrag (heute in einer Woche) wird dann stärker auf die wirtschaftspolitischen Schlussfolgerungen aus Sicht der Autoren eingegangen.
Rechtlicher Spielraum ist vorhanden
In Österreich sind öffentliche Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich zur umweltorientierten Beschaffung verpflichtet. Diese Verpflichtung ergibt sich für öffentliche Auftraggeber und Unternehmen ganz allgemein aus dem Bundesvergabegesetz und ergänzend für öffentliche Auftraggeber des Bundes aus dem Aktionsplan für nachhaltige öffentliche Beschaffung (naBe).
Der rechtliche Spielraum öffentlicher Auftraggeber bei der Berücksichtigung ökologischer Aspekte ist groß. Zur Unterstützung einer rechtskonformen Implementierung von ökologischen Kriterien gibt es einen umfangreichen EU-Kriterienkatalog. Die Bandbreite möglicher Kriterien reicht von technischen Spezifikationen und Zuschlagskriterien bis hin zu Auswahlkriterien und Vertragserfüllungsklauseln. Aufgrund der bedeutenden sektorspezifischen Unterschiede ist grundsätzlich ein produktspezifischer Zugang notwendig.
Internationale good practices zeigen, dass bei intelligenter und innovativer Nutzung dieses Handlungsspielraums ein ökologischer Mehrwert im Rahmen der öffentlichen Beschaffung realisiert werden kann. Allen (analysierten) Beschaffungsprojekten ist gemeinsam, dass eine gründliche Vorbereitung, eine projektspezifische Kalibrierung der umweltorientierten Vergabekriterien und eine gute Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer unerlässlich sind. Um das optimale Nachhaltigkeitsniveau zu erreichen, sollten nach Möglichkeit nur funktionale Anforderungen und technische Rahmenbedingungen vorgegeben werden, damit die Bieter eine möglichst hohe Flexibilität für die Entwicklung experimenteller Lösungen haben.
Große Hebelwirkung
Mit einem durchschnittlichen Beschaffungsvolumen von 67 Mrd. Euro bzw. 18 Prozent des BIP in den Jahren 2015 bis 2020 ist der Staat (inklusive ausgegliederter öffentlicher Unternehmen) ein zentraler Nachfrager in der österreichischen Volkswirtschaft. Das Gesamtvolumen verteilt sich dabei zu 24 Prozent auf den Bund, zu 14 Prozent auf die Länder und zu 18 Prozent auf die Gemeinden. Abgesehen von den Gebietskörperschaften sind zudem die ausgegliederten (sogenannten marktbestimmten) Betriebe mit 25 Prozent des Gesamtvergabevolumens sowie die Sozialversicherungen mit 18 Prozent des Vergabevolumens als höchst relevante Ebene im Beschaffungsbereich zu sehen. Die Vergabemuster der unterschiedlichen staatlichen Ebenen spiegeln weitgehend deren verfassungsrechtliche Kompetenzen wider.
Verteilung des TED-Gesamtbeschaffungsvolumens auf die COFOG-Abteilungen innerhalb der staatlichen Ebenen, 2015 bis 2020
Markt- bestimmte Betriebe (S1101) | Bund (S1311) | Länder (S1312) | Gemeinden (S1313) | Sozialversicherung (S1314) | |
in % | |||||
Allgemeine öffentliche Verwaltung (GF01) | 21 | 32 | 23 | 41 | 83 |
Verteidigung (GF02) | 0 | 2 | 0 | 0 | 0 |
Öffentliche Ordnung und Sicherheit (GF03) | 0 | 0 | 1 | 0 | 0 |
Wirtschaftliche Angelegenheiten (GF04) | 58 | 56 | 3 | 16 | 0 |
Umweltschutz (GF05) | 3 | 1 | 0 | 0 | 0 |
Wohnungswesen und kommunale Gemeinschaftsdienste (GF06) | 8 | 2 | 0 | 2 | 0 |
Gesundheitswesen (GF07) | 3 | 1 | 68 | 31 | 15 |
Freizeitgestaltung, Kultur und Religion (GF08) | 1 | 0 | 1 | 3 | 0 |
Bildungswesen (GF09) | 1 | 6 | 1 | 3 | 0 |
Soziale Sicherung (GF10) | 6 | 1 | 3 | 4 | 2 |
Insgesamt | 100 | 100 | 100 | 100 | 100 |
Die Detailergebnisse auf Basis des für die Studie verwendeten synthetischen Vergabedatensatzes zeigen, dass die öffentliche Beschaffung besonders stark auf den Bau (NACE F) und auf verschiedene Bereiche der Herstellung von Waren (NACE C) entfallen. Der Bau repräsentiert knapp 30 Prozent des Vergabevolumens. Bei der Herstellung von Waren entfallen 14 Prozent auf die Herstellung von medizinischen und zahnmedizinischen Apparaten und Materialien (C32.5), 5 Prozent auf die Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen (C21) sowie 4 Prozent auf den Sonstigen Fahrzeugbau (C30). Bei den Dienstleistungen sind rund 10 Prozent des Beschaffungsvolumens den Gesundheitsleistungen (Q86) zuzurechnen, knapp 6 Prozent der Information und Kommunikation (J62) und 5 Prozent dem Landverkehr und Transport in Rohrfernleitungen (H49).
CO2-Emissionen entlang der Wertschöpfungskette sind entscheidend
Insgesamt werden die mit dem Beschaffungswesen verbundenen CO2-Emissionen in Österreich auf etwas unter 6 Mio. Tonnen geschätzt; das sind rund 8 Prozent der heimischen Gesamtemissionen. Werden die weltweiten Lieferketten mitberücksichtigt, sind es rund 19 Mio. Tonnen an globalen CO2-Emissionen, die mit der öffentlichen Beschaffung verbunden sind. Die Schätzungen zeigen überdies, dass auch bei den CO2-Emissionen in Österreich der überwiegende Teil entlang der Wertschöpfungskette entsteht und nicht direkt bei den beauftragten Unternehmen.