In Deutschland wird derzeit darüber diskutiert, mittels „Industriestrompreis“ Industrieunternehmen längerfristig einen Teil ihrer Stromkosten abzunehmen. Das könnte einen Subventionswettbewerb in ganz Europa auslösen. Besser wäre, möglichst schnell ein leistbares, nachhaltiges und funktionierendes Energiesystem aufzustellen und mit vorausschauender Industriepolitik die grüne Transformation aktiv zu gestalten.
Energie als besonderes Gut
Energie ist kein Gut wie jedes andere, das haben uns die letzten Monate eindrucksvoll bewiesen. Die Energiepreiskrise, die vom russischen Überfall auf die Ukraine verursacht wurde, war ein Hauptauslöser für die hohe Inflationsrate der letzten Monate. Viele Unternehmen gaben die erhöhten Energiekosten über höhere Verbraucherpreise an die Konsument:innen weiter. Einige Unternehmen dürften die Situation auch dazu genutzt haben, ihre Preise noch weiter zu erhöhen und damit ihre Profite aufzupeppen. Andere Unternehmen, die gar nicht oder kaum von steigenden Energiepreisen betroffen waren, haben die Situation ausgenützt und ungerechtfertigt ebenfalls ihre Preise erhöht. Die österreichischen Haushalte waren dadurch doppelt vom Energiepreisanstieg betroffen: Sie mussten nicht nur höhere Strom- und Gasrechnungen stemmen, sondern waren zeitgleich mit steigenden Kosten für Lebensmittel, Mieten und viele andere Waren und Dienstleistungen konfrontiert.
Dass es so weit kommen konnte, liegt dabei auch an der Politik. Länder wie Spanien und Portugal konnten durch beherzte Markteingriffe den Strompreis vom explodierenden Gaspreis entkoppeln. Hätte man in Österreich durch ein ähnliches Vorgehen den Anstieg der Strompreise halbiert, dann wäre die Inflation im Jahr 2022 um rund ein Viertel niedriger gewesen. Noch besser gewesen wäre allerdings ein gemeinsames europäisches Vorgehen. Vor allem aus Deutschland kam gegen eine EU-Lösung heftiger Gegenwind. Stattdessen werden nun Subventionen diskutiert, um die Industrie vor hohen Energiekosten durch einen staatlich subventionierten „Industriestrompreis“ zu schützen. Denn die hohen Stromkosten schwächen den deutschen Wirtschaftsstandort.
Haushalte übernehmen Stromrechnung für die Industrie
Konkret soll die Industrie von einem Strompreisdeckel von (je nach Vorschlag) 4 bis 6 Cent pro Kilowattstunde (kWh) profitieren – oder zumindest bestimmte Teile der Industrie, etwa Unternehmen mit einem hohen Energiebedarf. Zum Vergleich: An der Strombörse zahlt man zurzeit etwa 10 Cent pro kWh. Rund die Hälfte des Strompreises würde damit aktuell bezuschusst werden, wobei „nur“ 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs gefördert werden sollen. Das deutsche Finanzministerium schätzt die Kosten für einen solchen Industriestrompreis insgesamt auf 25 bis 30 Mrd. Euro bis 2030. Dazu kommen weitere Kosten für zusätzliche Erleichterungen, etwa Vergünstigungen bei den Stromnetz-Entgelten für die Industrie (obwohl es hier ohnehin schon großzügige Erleichterungen gibt). Finanziert werden müsste die Förderung von den Steuerzahler:innen. Verteilungspolitisch ist das nicht unproblematisch. In Deutschland stammen die meisten staatlichen Einnahmen aus Steuern und Abgaben auf Arbeit und Konsum und nur zu einem geringen Teil aus Gewinnsteuern.
In Österreich dürften sich bei einer ähnlichen Vorgangsweise die Kosten bis 2030 auf 4 bis 6 Mrd. Euro belaufen, sofern sich der Kreis der Unternehmen an den bisherigen Stromkosten-Ausgleich laut Stromkosten-Ausgleichsgesetz (SAG) anlehnt und man von einem Strompreis von 10 bis 12 Cent pro kWh ausgeht. Wie in Deutschland wären auch hierzulande die Verteilungswirkungen problematisch – stammen in Österreich doch nur 9,3 Prozent der Steuereinnahmen aus Gewinnsteuern. Der überwiegende Teil der Einnahmen stammt aus Steuern auf Konsum und Arbeit. Gleichzeitig müssten die Haushalte weiterhin erhöhte Strom- und Netzkosten zahlen.