Das Jahr 2022 verzeichnete die höchste Teuerungsrate seit Jahrzehnten: Im Jahresdurchschnitt betrug die Inflation 8,6 Prozent. Preise für Güter des täglichen Verbrauchs waren also im Schnitt fast ein Zehntel teurer als im Vorjahr. Die Teuerung trifft jedoch nicht alle Haushalte und auch nicht alle Bundesländer gleich. Abgesehen von deutlichen Diskrepanzen in der Möglichkeit der selbstständigen finanziellen Abfederung verfügen Haushalte je nach Einkommen auch über verschiedene Konsummuster, die sie bei Preissteigerungen unterschiedlich vulnerabel machen. Wenn das verstärkt die Grundbedürfnisse Wohnen, Energie & Ernährung betrifft, kann die Teuerung zur existenziellen Bedrohung werden.
Ursachen der gestiegenen und weiter hohen Energiepreise
Grund für den außergewöhnlichen Anstieg des Verbraucherpreisindex ist in erster Linie eine (fossile) Energiekrise, die vorwiegend durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine ausgelöst wurde. Auch wenn die Energiepreise bereits Ende 2021 zu steigen begannen, schossen allen voran die Gaspreise nach Beginn des Kriegs regelrecht und kontinuierlich in die Höhe und bedingten auch einen Anstieg von Öl-, Strom- und sogar Fernwärmepreisen. Auch Basiseffekte als Folgen der Corona-Krise sowie Lieferkettenprobleme spielen aber teilweise noch eine Rolle. Problematisch ist vor allem, dass trotz derzeit sinkender Großhandelspreise am Gasmarkt spürbare Entlastungen für die Haushalte wohl erst – wenn überhaupt – in ein paar Monaten eintreten werden. Denn auch in der Vergangenheit haben Energielieferanten Preissenkungen kaum bis gar nicht an die Konsument:innen weitergegeben, wie vor allem während der ersten Phase der Corona-Pandemie zu beobachten war.
Wie viele Haushalte können sich Heizkosten nicht mehr leisten?
Der Begriff „Energiearmut“ – also die mangelnde Fähigkeit, Energiekosten zu stemmen und Energie so nutzen zu können, wie sie gebraucht wird – erlangte vor allem in den letzten Monaten einiges an erhöhter Aufmerksamkeit. Dabei ist „Energiearmut“ kein neues Phänomen: Auch abseits der Energiekrise gibt es Tausende Haushalte in Wien (und Österreich), die bei der Bezahlung ihrer Energiekosten unter Druck stehen. Wien ist hier grundsätzlich aufgrund diverser sozioökonomischer Merkmale stärker betroffen als der Rest Österreichs. Eine einheitliche Definition der „energiearmen Haushalte“ gibt es nicht, Annäherungen jedoch viele. Manche davon zählen Haushalte, die Energiekosten einer gewissen Höhe bestreiten und gleichzeitig an der Armutsgefährdungsgrenze leben. Andere quantifizieren Haushalte, die ihre Wohnung laut eigenen Angaben nicht angemessen warm halten können oder im letzten Jahr mindestens einmal mit ihren Wohnnebenkosten in Verzug waren.
Im Schnitt der letzten drei Jahre trafen die beiden letzteren Definitionen in Wien auf rund 37.000 und somit auf vier Prozent der Haushalte zu, österreichweit auf rund zwei Prozent. Die Umfrage „So geht’s uns heute“, die seit dem letzten Quartal 2021 von der Statistik Austria durchgeführt wird, schließt mit aktuelleren Werten an: Dementsprechend ist die Zahl der betroffenen Haushalte infolge der Krisensituation deutlich angestiegen. Im 2. Quartal 2022 konnten es sich laut der Umfrage 14 Prozent der Wiener:innen nicht leisten, ihre Wohnung angemessen warm zu halten – fast doppelt so viele wie in Österreich und mehr als dreimal so viele als noch im Jahr 2021. Auch die Zahl der Haushalte, die bei der Bezahlung ihrer Wohnnebenkosten Probleme haben, ist angestiegen – wenn auch nicht gleich stark. Ein Grund für die regionalen Unterschiede kann der höhere Anteil von häufiger betroffenen Ein-Personen-Haushalten in Wien sein. Zudem weisen Großstädte aufgrund größerer sozioökonomischer Diversität tendenziell ein geringeres mittleres Einkommensniveau, eine höhere Arbeitslosen- und Armutsgefährdungsquote sowie einen höheren Anteil an Mieter:innen auf als kleinere Städte oder ländliche Gebiete oder in diesem Falle der Rest Österreichs.