Die Inflationsdynamik schwächt sich bis Jahresende ab – gemäß aktueller WIFO-Prognose allerdings langsamer als angenommen. Zudem stagniert Österreichs Konjunktur heuer, der Industrie droht sogar eine Rezession. Trotz nachholendem Kaufkraftausgleich dank erfolgreicher Lohnverhandlungen rutscht ein Teil der Bevölkerung in Armut ab. Von konsum- oder nachfragegetriebener Inflation kann also bisher keine Rede sein. Zur Dämpfung der Inflation muss die Regierung dringend preisreduzierende Maßnahmen umsetzen – insbesondere bei Gas, Fernwärme und Mieten.
Nach Energiepreisschock folgten Gewinn-Preis-Spiralen
Auf die russische Invasion in die Ukraine folgte eine Energiekrise, die zu exorbitanten Anstiegen bei Gas- und daran gekoppelte Strompreise führte. Aktuell rechnet das WIFO mit einer Inflation von 7,5 Prozent für 2023 und 3,8 Prozent für 2024. Im Zuge der Preissteigerungen haben viele Unternehmen ihre Preise über ihre Kostensteigerungen hinaus erhöhen können. Das bestätigt nun auch die OeNB. 2022 haben die Unternehmensgewinne eine maßgebliche Rolle in der Inflation gespielt. Die Profite sind im letzten Jahr um fast ein Viertel gestiegen. Besonders in den Bereichen Energie, Bergbau, Wasser, dem Bausektor, der Land- und Forstwirtschaft sowie dem Verkehrssektor ist die Inflation fast zur Gänze auf die Gewinnentwicklung zurückzuführen. Auch die Banken und Versicherungen erwirtschaften derzeit Gewinnrekorde auf Kosten ihrer Kund:innen.
Hinzu kommt die Miet-Preis-Spirale. Die automatischen Anpassungen in Mietverträgen bescheren dem reichsten Zehntel stark steigende Gewinne. Für immer mehr Mieter:innen werden die Ausgaben zur schweren finanziellen Belastung. In Kategoriemietverträgen bekommen die Bewohner:innen demnächst die vierte Erhöhung in 15 Monaten, die zu einer Mietsteigerung von insgesamt fast 24 Prozent führt.
Die gewerkschaftlichen Lohnverhandlungen in Österreich hinken diesen rasanten Preissteigerungen aber hinterher. Das liegt in der Struktur der Kollektivvertragsverhandlungen, die die durchschnittliche Inflation der letzten zwölf Monate plus der mittelfristigen gesamtwirtschaftlichen Produktivitätssteigerung berücksichtigen. In Zeiten niedriger Inflationsraten ist der Bezug auf die vergangenen zwölf Monate nicht nennenswert, hat aber aktuell merkbare negative Effekte auf die Kaufkraft.
Inflation befeuert Armut
Die Anzahl der Personen in erheblicher Armut ist durch die Covid-Pandemie und Teuerungskrise um mehr als 40.000 auf über 200.000 Menschen gestiegen. Die Hälfte dieser Personen kann ihre Wohnungen nicht angemessen warmhalten, zwei Drittel können sich keine neue Kleidung kaufen, kaum jemand kann sich unerwartete Ausgaben wie etwa den Ersatz einer kaputten Waschmaschine leisten. In diesen akut von Armut betroffenen Haushalten leben auch 36.000 Kinder mitten in einem der reichsten Länder der Welt. Im 4. Quartal 2022 erwarteten 1,7 Millionen Menschen Zahlungsschwierigkeiten bei Wohn- und Energiekosten in den nächsten drei Monaten.
Auch wenn die monatlichen Inflationsraten zurückgehen: Das Leben ist in den letzten zwei Jahren deutlich teurer geworden. Die Mehrausgaben sind vor allem für das unterste Einkommenszehntel enorm: Die zusätzliche Belastung beläuft sich für diese Haushalte auf 24,7 Prozent des Haushaltseinkommens, wovon zwei Drittel nur auf Nahrungsmittel, Wohnen und Energie entfallen. Die offiziellen Armutsgefährdungsquoten könnten aufgrund der verzögerten Erfassung massiv unterschätzt sein, worauf auch die Schuldenberatung hinweist: die notwendigen monatlichen Ausgaben für Haushalte steigen, und allein letztes Jahr stiegen die Erstkontakte bei den Schuldenberatungen um ein Zehntel.