Die meisten Menschen denken beim Thema Sozialstaat wahrscheinlich an Familienbeihilfe, Pension, Pflege- oder Arbeitslosengeld. Tatsächlich fließen rund 70 % der Sozialausgaben in Geldleistungen. Sachleistungen wie Kindergärten, Pflegedienste oder Weiterbildungsangebote machen nur 30 % aus. Es gibt aber viele gute Gründe, warum sich das ändern sollte.
Geldleistungen oder Sachleistungen: Wovon sprechen wir?
Fast 130 Milliarden Euro werden aktuell für ein soziales Österreich ausgegeben. Wer an die Leistungen des österreichischen Sozialstaats denkt, hat wahrscheinlich zuerst einmal Geldleistungen im Blick. Zum Beispiel Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenpensionen, Kindergeld und Familienbeihilfe, Sozialhilfe und Mindestsicherung.
Daneben gibt es eine Vielzahl von Sachleistungen. Das sind soziale Dienstleistungen, die von den Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherungsträger) oder von privaten Einrichtungen (z. B. Vertragsärzt:innen, Apotheker:innen, …) bereitgestellt werden. Darunter fallen beispielsweise Behandlungen in öffentlichen Krankenhäusern, öffentlich (mit)finanzierte Kindergärten oder arbeitsmarktpolitische Schulungsangebote.
Vorrang für Geldleistungen
Eine (bislang unveröffentlichte) Sonderauswertung der Statistik Austria, deren Daten im Folgenden dargestellt werden, vermittelt ein Bild des Größenverhältnisses zwischen Geld- und Sachleistungen anhand letztverfügbarer Zahlen. Klar ist: Im österreichischen Sozialsystem überwiegen die Geldleistungen. Im Jahr 2020 machten sie 69,3 % der Sozialausgaben aus. Vor allem in den Bereichen „Hinterbliebenenleistungen“ (mit Leistungen wie Witwen-/Witwer- und Waisenrenten), „Alter“ (Alters-, Invaliditäts- oder Schwerarbeiterpensionen) und „Arbeitslosigkeit“ (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder Insolvenzentgelt) sind zumindest 9 von 10 Euro Geldleistungen. Dabei muss erwähnt werden, dass die Ausgaben im Bereich „Arbeitslosigkeit“ 2020 krisenbedingt massiv gestiegenen sind – durch den großflächigen Einsatz von Kurzarbeit und weil viele Menschen während der Pandemie ihre Arbeit verloren haben.
Geldleistungen sind ein wichtiger Bestandteil des Sozialstaates. Dass darauf das Schwergewicht liegt, hat oft seine Berechtigung. Trotz vieler offener Forderungen, wie der Anhebung der Nettoersatzrate in der Arbeitslosenversicherung oder der Ausgleichszulage – dem Mindesteinkommen in der Pension, das auch für Sozialhilfebezieher:innen relevant ist –, ist das System öffentlicher Geldleistungen in Österreich sehr gut ausgebaut.
Die restlichen 30,7 % der Sozialausgaben entfielen auf Sachleistungen. Diese steigen tendenziell seit Jahren an, allerdings nur langsam. So betrug der Sachleistungsanteil vor 20 Jahren 27,8 % und stieg bis 2019 auf 32,8 %. Die Maßnahmen der Krisenbekämpfung haben den Anteil – aufgrund der oben genannten höheren Ausgaben für Arbeitslosengeld und Kurzarbeit – zuletzt wieder sinken lassen.
Die größte Bedeutung haben Sachleistungen im Bereich der „Gesundheitsversorgung“, wo 86,8 % der Ausgaben darauf entfallen. Darunter fallen vor allem die ambulante und die stationäre Versorgung im Krankheitsfall. Außer in der Gesundheitsversorgung machen Sachleistungen lediglich im Bereich „Wohnen und soziale Ausgrenzung“ den überwiegenden Teil der Kosten aus (59,1 %). Dort sind es vor allem Ausgaben für Bewährungshilfe, Patient:innenanwaltschaft oder die Betreuung von Flüchtlingen und Asylwerber:innen durch den Bund.