Pensionen – unter­durch­schnittliches Ausgaben­wachstum & überdurch­schnittliche Leis­tungen

09. Juli 2024

Das österreichische Pensionssystem ist sicher und langfristig stabil. Laut Ageing Report der EU-Kommission steigt der Pensionsaufwand im Verhältnis zum BIP – trotz alternder Bevölkerung – nur sehr moderat und im EU-Vergleich sogar unterdurchschnittlich. Gleichzeitig liegen die Leistungen des staatlichen Pensionssystems im internationalen Spitzenfeld, sichern im Alter relativ gut ab und reduzieren Armut erheblich. Denn über die Pensionsversicherung wird mehr finanziert als „nur“ Pensionen. Neoliberale Forderungen, die eine Privatisierung oder die Anhebung des Pensionsantrittsalters fordern, sind aufgrund der aktuellen Zahlen fehl am Platz und würden die guten Leistungen gefährden. Statt Angst zu verbreiten, sollten das Vertrauen in das staatliche Pensionssystem gestärkt und gute Arbeitsmarktpolitik vorangetrieben werden. So lassen sich hohe Leistungen auch langfristig finanzieren.

Der Ageing Report von 2024 bestätigt, dass der gesamte Pensionsaufwand (inklusive Ausgaben für Beamt:innen) prognostiziert nur moderat von 13,7 (2022) auf 14,0 Prozent des BIP im Jahr 2070 steigen wird. Damit liegt die Steigerung sogar unter der Prognose des letzten Ageing Reports von 2021. Besonders beeindruckend sind diese Zahlen, wenn nicht nur auf den Pensionsaufwand, sondern auch auf die Pensionsleistungen geblickt wird. Laut OECD gehört Österreich zu jenen Ländern mit den höchsten Pensionen im Verhältnis zum vormaligen Einkommen. Aus Finanzierungssicht gibt es keinen Grund, dass dieses Spitzenfeld verlassen werden müsste, denn im internationalen Vergleich steigen die Pensionsausgaben in Österreich unterdurchschnittlich. Während in der EU der durchschnittliche Anstieg 0,43 Prozentpunkte ausmacht, sind es in Österreich nur 0,36 Prozentpunkte.

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Das staatliche Pensionssystem finanziert mehr als „nur“ Pensionen

Es stimmt zwar, dass der Pensionsaufwand in Österreich höher ist als in vielen anderen Ländern. Es stimmt aber auch, dass die Pensionsleistungen in Österreich viel höher sind als in anderen Ländern. Wer nur auf den Aufwand blickt, ohne auch die Leistungen zu thematisieren, verzerrt das Bild. Durch das staatliche Pensionssystem wird außerdem mehr finanziert als „nur“ die Pensionen. Die Pensionen sind ein wichtiger Teil im gesamten Sozialstaatsgefüge. Ohne öffentliche Sozialleistungen und öffentliche Pensionen wäre die Anzahl der Armutsgefährdeten 2023 in Österreich bei 3,8 Millionen gelegen. Der Sozialstaat mit den öffentlichen Pensionen reduziert Armut in hohem Ausmaß und trägt dazu bei, dass im Alter der Lebensstandard annähernd gesichert wird. Die Ausgaben für Pensionen sind vielfältig. Wer Ausgaben für Pensionen senken will, muss mit Mehrausgaben an einer anderen Stelle des Sozialstaats rechnen oder sich für steigende Armutszahlen rechtfertigen.

Ausgleichszulage

Eine wichtige, über „normale“ Pensionen hinausgehende Leistung ist die Ausgleichszulage. Sie wird über das Bundesbudget und somit nicht über Pensionsversicherungsbeiträge finanziert. Die Ausgleichszulage kann ähnlich wie eine Sozialleistung betrachtet werden. Sie beträgt 2024 für Alleinstehende 1.217,96 Euro und für Paare 1.921,46 Euro. Liegt das Pensionseinkommen unter diesen Werten, wird die Differenz durch die Ausgleichszulage aufgestockt. Somit wird sichergestellt, dass keine Pension in Österreich unter diesem Wert liegt. Die Ausgleichszulage ist, da sie unter der Armutsschwelle liegt, nicht armutsfest. Dennoch trägt sie erheblich zur Armutsverminderung im Alter bei. 2022 wurden durchschnittlich 329 Euro pro Monat an Versicherte ausgezahlt. Auch wenn es absolut Sinn macht, dass die Ausgleichszulage über die Pensionsversicherung abgewickelt wird, wäre es theoretisch denkbar, dass sie an einer anderen Stelle des Sozialstaats angesiedelt wäre. Würde die Ausgleichszulage nicht über die Pensionsversicherung organisiert sein, würde sich der Kostenanstieg für die gesamten Pensionen von den schon sehr moderaten 0,4 auf nur mehr 0,3 Prozentpunkte verringern. Ein Verschieben der Ausgleichszulage würde daher die Kosten für die Pensionen senken, sie aber an einer anderen Stelle im Sozialstaat um den gleichen Wert erhöhen.

Rehabilitationsgeld

Eine weitere, in der Pensionsversicherung verankerte Leistung ist das Rehabilitationsgeld. Diese Leistung steht in engem Zusammenhang mit der Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspension. Gewährt werden sollten diese Pensionsarten, wenn jemand wegen gesundheitlichen Beeinträchtigungen dauerhaft invalid (gilt für Arbeiter:innen) oder berufsunfähig (gilt für Angestellte) ist. Wer vorübergehend dem Arbeitsmarkt aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen nicht zur Verfügung steht, hatte früher die Möglichkeit, eine befristete Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension zu bekommen. Diese Pensionsart wurde mit 1.1.2014 abgeschafft. Anstelle dieser Leistung tritt das Rehabilitationsgeld. Nach dem Motto „Rehabilitation vor Pension“ war Ziel dieser Änderung, Menschen nach Erkrankungen wieder schneller in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Dieses Ziel wurde bisher nicht erreicht, und die Änderung brachte Nachteile für Versicherte mit sich.

Zwischen Rehageld und Ausgleichszulage zeigen sich Parallelitäten. Auch das Rehageld könnte theoretisch an einer anderen Stelle im Sozialstaat, etwa in der Krankenversicherung, angesiedelt sein. Dadurch würden die Pensionsausgaben im Ausmaß von rund 0,3 bzw. 0,4 Prozentpunkten des BIP sinken und jene in der Krankenversicherung um den gleichen Betrag steigen.


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Die Betrachtung der Ausgleichszulage und des Rehageldes ist deshalb sinnvoll, weil dadurch klar wird, dass die Ausgaben für Pensionen mehr als „nur“ Pensionen im engeren Sinne beinhalten. Es ist außerdem wenig sinnvoll, lediglich auf Ausgaben zu verweisen, ohne die Leistungen auf der anderen Seite zu betrachten. Diese sind im internationalen Vergleich nämlich sehr gut.

Verbesserung und Absicherung unseres Pensionssystems

Der Vergleich der Einkommensersatzraten zeigt, dass das staatliche Pensionssystem jetzt und auch in Zukunft hohe Leistungen garantiert. Der Ageing Report bestätigt, dass diese auch finanzierbar sind. Wer nur einseitig auf die Aufwendungen blickt, erhält ein verzerrtes Bild. Dass Österreich im internationalen Vergleich sehr gut abschneidet, bedeutet aber nicht, dass es keinerlei Probleme bei den Pensionen gäbe.

Altersarmut ist in Österreich zwar weniger Thema als in vielen anderen Ländern, aber es ist ein Thema. Die Ausgleichszulage vermindert Armut, aber verhindert sie nicht. Der Gender Pension Gap, also der Abstand zwischen Frauen- und Männerpensionen, ist einer der höchsten in der EU. Die Teuerung und die Untätigkeit der Bundesregierung sorgen derzeit dafür, dass Pensionen, die 2025 zum ersten Mal ausbezahlt werden, massiv entwertet werden. All diese Probleme müssen schnellstmöglich gelöst werden.

Nicht hilfreich sind dafür Forderungen nach direkten Pensionskürzungen oder Pensionskürzungen durch die Hintertür, z. B. durch eine Erhöhung des Antrittsalters. Diese würden Versicherte vor mehr als weniger Probleme stellen. Gute Arbeitsmarktpolitik ist die beste Pensionspolitik. Statt Generationenkonflikte heraufzubeschwören und Jung gegen Alt auszuspielen, braucht es daher eine Arbeitsmarktpolitik, die die enormen Beschäftigungspotenziale bei Frauen, älteren Arbeitnehmer:innen oder der Stillen Reserve nützt. Vorschläge dazu liegen genügend am Tisch. Es gilt sie umzusetzen. Damit auch noch unsere Kinder und Enkelkinder die Vorteile der gesetzlichen und solidarischen Absicherung für das Alter genießen können!

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