Und wieder einmal: Pensions-Schwarzmaler:innen durch aktuelle EU-Projektionen klar widerlegt. Der „Ageing Report 2024“ der Europäischen Kommission bestätigt vielmehr hohe Systemstabilität
Das österreichische Pensionssystem bietet im internationalen Vergleich aktuell und zukünftig, also auch den heute Jüngeren, eine sehr gute Absicherung. Gleichzeitig erhöht sich der öffentliche Pensionsaufwand gemessen am BIP trotz steigender Lebenserwartung und deutlicher gesellschaftlicher Alterung nur äußerst moderat. Also eigentlich eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte, auch wenn das in der öffentlichen Debatte viel zu wenig wahrgenommen und stattdessen beharrlich Verunsicherung geschürt wird.
Obwohl der Anteil der Älteren deutlich zunimmt, werden die relativen Pensionsausgaben langfristig nur geringfügig höher liegen als in den letzten Jahren. Über etwa die nächsten zehn Jahre kommt es durch das Hineinwachsen der Babyboomer ins Pensionsalter zwar vorerst zu einem moderaten Anstieg, dann aber rasch wieder zu einer rückläufigen Entwicklung. Damit werden alle Horrorszenarien und das substanzlose Gerede vom „insolventen“ Pensionssystem ad absurdum geführt. Der kürzlich veröffentlichte „Ageing Report 2024“ der EU-Kommission bestätigt damit noch deutlicher als bisher, dass die langfristige Finanzierbarkeit der Pensionen in Österreich in keiner Weise gefährdet, sondern sehr solide aufgestellt ist. Darüber hinaus liefert er eine Reihe weiterer aufschlussreicher Erkenntnisse.
Alternde Gesellschaften, angemessene Pensionen und „finanzielle Nachhaltigkeit“
Einer sachlichen Analyse der langfristigen Pensionsfinanzierung sollten einige grundlegende Klarstellungen vorangestellt werden: Prioritäre Aufgabe von Pensionssystemen ist es – auch unter sich demografisch bedingt deutlich erschwerenden Rahmenbedingungen – eine gute und verlässliche Absicherung im Alter zu gewährleisten. Die finanzielle Nachhaltigkeit ist dabei insofern von durchaus erheblicher Bedeutung, als die Verlässlichkeit der in Aussicht gestellten Leistungen voraussetzt, dass sich deren künftige Finanzierung auch darstellen lässt. Anders gesagt: Es hat wenig Wert, eine gute Absicherung im Alter zu versprechen, wenn diese nicht auch auf einer glaubwürdigen Finanzierungsperspektive basiert. „Finanzielle Nachhaltigkeit“ bedeutet letztlich aber nichts anderes, als dass heutige Leistungsversprechen auch in Zukunft noch eingelöst werden können. Dabei geht es in erster Linie offensichtlich um eine politische Frage. Wissenschaftlich bzw. ökonomisch lassen sich keine unstrittigen Grenzwerte der „finanziellen Nachhaltigkeit“ herleiten.
Ein breiter gesellschaftlicher Konsens darüber, was (wie) finanziert werden soll, trägt zweifellos ebenso wesentlich zur Systemnachhaltigkeit bei, wie der verlässliche Ausblick auf eine gute Absicherung. Denn die Bereitschaft, auch (etwas) mehr Geld in die Hand zu nehmen, wird naheliegenderweise entsprechend größer sein, wenn dadurch auch künftig eine gute und verlässliche Absicherung gewährleistet bleibt und nicht nur mehr mit miserablen Leistungen gerechnet werden kann.
Angesichts der demografischen Entwicklung sollte man meinen, dass es – wenn man das Schlagwort der Generationengerechtigkeit ernst nimmt – eigentlich auf der Hand liegt, dass für die anteilsmäßig deutlich wachsende Bevölkerungsgruppe der Älteren zukünftig zumindest auch ein etwas größeres Stück des (wachsenden) Gesamtkuchens reserviert werden sollte. Die dem aktuellen „Ageing Report“ zugrunde liegende Demografie-Projektion geht bis 2070 (gegenüber 2013) immerhin von einem beträchtlichen Anstieg um 64 Prozent aus! Etwas mehr für Zwecke der Alterssicherung darf es also schon sein, um auch den heute Jüngeren noch gute Sicherungsniveaus bieten zu können und steigende Altersarmut zu vermeiden. Jeden auch noch so moderaten Anstieg öffentlicher Pensionsausgaben als Ausdruck „mangelnder finanzieller Nachhaltigkeit“ zu diskreditieren hat jedenfalls keine sachliche Begründung, sondern belegt vielmehr eine politische Werthaltung, die angesichts des Ausmaßes der demografischen Verschiebungen nur als widersinnig bezeichnet werden kann. Und man sollte sich diese (widersinnige) politische Werthaltung auch nicht als ökonomische Zwangsläufigkeit verkaufen lassen, denn das ist sie nicht, sondern eben eine politische Entscheidung, die den Wähler:innen selbst obliegt!
Die österreichische Reformstrategie – der etwas andere Weg
Die österreichischen Pensionsreformen sind letztlich – nach Abwehr der Pläne der „Schüssel-Regierung“ Anfang der 2000er Jahre – nicht dem internationalen pensionspolitischen Mainstream gefolgt, der seit gut 30 Jahren unter dem Vorwand des demografischen Wandels ein Zurückdrängen umlagefinanzierter öffentlicher Pensionen und eine Verlagerung hin zu „kapitalgedeckter“ privater bzw. betrieblicher Vorsorge betreibt und der sich mittlerweile ziemlich deutlich als Irrweg herausgestellt hat. Österreich setzt demgegenüber weiterhin auf ein starkes öffentliches, breit einbindendes und künftig auch einheitliches Pensionssystem. Und viele beneiden uns mittlerweile zu Recht darum.
Kaum ein Bereich in Österreich ist in den letzten 20 Jahren so weitgehend reformiert worden wie jener der öffentlichen Alterssicherung, dennoch wird das von einigen konsequent und prominent ignoriert und beharrlich „endlich echte Reformen“ eingefordert. Um „echte Reformen“ handelt es sich demnach offensichtlich erst dann, wenn die Sicherungsniveaus in öffentlichen Pensionssystemen nachhaltig deutlich zusammengestutzt wurden. Und hier besteht zweifellos ein beträchtlicher Unterschied: Das österreichische Pensionskonto bietet auch den heute Jüngeren immer noch sehr gute Sicherungsniveaus, wie sie im internationalen Vergleich nach 30 Jahren Mainstream-Reformen kaum noch zu finden sind. Aber lässt sich das angesichts der Alterung auch finanzieren?
Klare Bestätigung der österreichischen Reformstrategie durch EU-Langfristprojektionen
Es passt natürlich so gar nicht in das von notorischen Pensionsschwarzmaler:innen gerne gezeichnete Bild des „unweigerlich drohenden Pensionskollapses“, dass sämtliche Langfristberechnungen zum österreichischen Pensionssystem keinerlei Grund zur Sorge vermitteln. Tatsächlich ist das aber keineswegs überraschend, weil sich die Wirkungen der umfassenden Reformen eben unabhängig davon entfalten, ob sie von manchen aus welchen Motiven auch immer beharrlich ignoriert und kleingeredet werden oder nicht.
Die Dämpfung der Ausgabenentwicklung erfolgt allerdings nicht durch eine pauschale, deutliche Kürzung der öffentlichen Pensionshöhen, sondern in erster Linie durch eine ausgewogene Anpassung der Leistungszusage: Auch zukünftig gute Sicherungsniveaus, allerdings bei im Durchschnitt (merklich) späterem Pensionsantritt. Dabei hängt das erforderliche Ausmaß des späteren effektiven Pensionsantritts, um weiterhin in etwa bisherige Pensionsniveaus zu erreichen, stark vom jeweiligen Erwerbsverlauf ab. So besteht bei eher typischen Arbeiter*innen-Verläufen mit oft sehr frühem Berufseinstieg und flacher Einkommensentwicklung kaum Reaktionsbedarf, während bei relativ steilen Einkommensverläufen – noch mehr in Kombination mit einem späten Berufseinstieg wegen langer Ausbildungsphasen – der erforderliche Aufschub durchaus merklich ausfällt. Manche Ökonom:innen meinen, die Alterung mache eine „(sozial ausgewogene) Anhebung des Pensionsalters notwendig“. Faktum ist, dass in unserem Pensionssystem die Weichen in diese Richtung – allerdings mit dem Fokus auf das faktische Pensionsalter – längst gestellt wurden. Die starken Anreize für einen späteren Pensionsantritt im Pensionskonto werden hierbei durch die hohe Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Anspruchsentwicklung entsprechend verstärkt.
Ein weiterer wesentlicher Dämpfungseffekt auf die Entwicklung des relativen Pensionsaufwandes trotz massiver Alterung resultiert aus der schrittweisen Angleichung der großzügigeren Sondersysteme für Beamt:innen (und Politiker:innen) an jenes der Pensionsversicherung. Die Pensionsreformen in Österreich beschränkten sich damit keineswegs nur auf die Pensionsversicherung, sondern setzen auf ein einheitliches System für alle Erwerbstätigen und sind damit z. B. den Rentenreformen in Deutschland meilenweit voraus. Damit wurden wichtige zusätzliche Verteilungsspielräume innerhalb der Gesamtaufwandsentwicklung eröffnet.
Aktuelle EU-Langfristprojektionen zu alterungsbedingten Pensionsausgabenentwicklungen bestätigen hohe Stabilität noch deutlicher als bisherige EU-Projektionen
Bereits die bisherigen Ergebnisse der EU-Langfristberechnungen machten deutlich, dass die immer wiederkehrenden Verunsicherungsversuche substanzlos sind. Im Basisszenario des aktuellen „Ageing Reports“ weicht der relative Pensionsaufwand (Ausgaben für Ausgleichszulagen und Reha-Geld sind hier miterfasst) gegenüber den Ergebnissen aus 2021 um bis zu 0,8 BIP-Prozentpunkte zusätzlich nach unten ab. Über den gesamten Prognosezeitraum bis 2070 liegt der relative Pensionsaufwand im Schnitt um einen halben BIP-Prozentpunkt unter den Werten der letzten Langfristberechnungen. Die den aktuellen Berechnungen zugrunde liegenden demografischen Projektionen gehen dabei von einem Anstieg des Anteils Älterer bis 2070 im Ausmaß von 64 Prozent (gegenüber 2013) aus.