Die Regierung plant, mit dem „Arbeitslosengeld neu“ den zeitlich unbegrenzt möglichen Notstandshilfebezug abzuschaffen. Sobald jemand künftig keinen Anspruch aus der Arbeitslosenversicherung mehr hat, bleibt damit – ähnlich dem deutschen Hartz-IV-Modell – nur mehr die Mindestsicherung als letztes soziales Netz übrig. Diese Kürzungen schmälern den Versicherungsschutz bei Arbeitslosigkeit für die Betroffenen, und es kommt zu drastischen Einkommensverlusten, da viele NotstandshilfebezieherInnen – sogar ohne Vermögensverwertung – gar keinen Anspruch auf Mindestsicherung hätten. Durch die Abschaffung der Notstandshilfe wären etwa 100.000 Personen zusätzlich armutsgefährdet.
Bereits im April 2017 und damit noch unter der Vorgängerregierung wurde eine Studie zur Umlegung der Hartz-IV-Reform auf Österreich im Auftrag des Finanzressorts öffentlich. Diese simulierte eine Abschaffung der Notstandshilfe, die durch verschiedene Mindestsicherungsregelungen (z. B. mit/ohne Deckelung) ersetzt wurde, und stellte die fiskalischen Wirkungen, die Änderung der Anzahl der Bezugsberechtigten sowie der zusätzlichen Armutsgefährdeten dar. Im Auftrag der Arbeiterkammer Wien führte das Europäische Zentrum für Wohlfahrtspolitik nun eine weitere Simulationsrechnung mit dem neuen Vorschlag der Regierung zur Mindestsicherung durch, der zusätzliche Kürzungen insbesondere bei Mehrkindfamilien vorsieht. Dabei wurden zwei verschiedene Varianten simuliert: ohne (Variante 1) und mit Vermögenstest (Variante 2). In der ersten Variante wird die Notstandshilfe durch die geplante Mindestsicherung ersetzt, unabhängig davon, ob der betroffene Haushalt Vermögen hat oder nicht. Erst in der zweiten Variante wird auch die Vermögensverwertung miteinbezogen.
Hälfte der NotstandshilfebezieherInnen ohne Anspruch auf Mindestsicherung
Ein zentraler Kritikpunkt in der öffentlichen Debatte bezieht sich zu Recht auf die drohenden Verschlechterungen im Vergleich zur Notstandshilfe durch die Vermögensverwertung bei der Mindestsicherung. Auf weitere wesentliche Unterschiede im Leistungsniveau zwischen der Versicherungsleistung auf der einen und der Fürsorgeleistung auf der anderen Seite wird selten eingegangen. Mithilfe der Simulationen wird aber deutlich, wie groß diese sind. Bereits ohne Vermögensverwertung (Variante 1) hätten etwa 45% aller im Jahr 2015 anspruchsberechtigten NotstandshilfebezieherInnen keinen Anspruch auf Mindestsicherung. Von den drohenden Kürzungen wären alle Altersgruppen stark betroffen. Wird die Vermögensverwertung in die Simulation mit einbezogen (Variante 2), sinkt die Anzahl der Anspruchsberechtigten, wobei der weitere Rückgang durch die Einbeziehung der Vermögen vergleichsweise gering ist. Personen über 50 wären von der Vermögensverwertung am stärksten betroffen. Hier wird deutlich, dass die meisten Arbeitslosen ohnehin über kein relevantes Vermögen verfügen. Für jene, die sich über Jahrzehnte mühsam etwas aufgebaut haben, spielt die Vermögensverwertung hingegen eine Rolle.