Im ersten Blogbeitrag zur Studie wurde dargelegt, dass die staatliche Nachfrage in Form von öffentlicher Beschaffung sowohl ökonomisch als auch ökologisch einen substanziellen Fußabdruck hat. Mit einem geschätzten Beschaffungsvolumen von 67 Mrd. Euro pro Jahr (in den Jahren 2015 bis 2022) repräsentiert die öffentliche Beschaffung rund 18 Prozent des BIP. In puncto Emissionen summiert sich die Schätzung auf durchschnittlich 19,4 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr. In diesem zweiten Blogbeitrag geht es um die wirtschaftspolitische Einordnung der Studienergebnisse und das Aufzeigen möglicher Ansatzpunkte für eine stärkere Klimaorientierung.
Internationale Koordinierung notwendig
Verglichen mit dem nationalen Emissionsvolumen Österreichs in Höhe von rund 74 Mio. Tonnen in 2020, scheint die öffentliche Beschaffung mit 19,4 Mio. Tonnen einen außergewöhnlich großen CO2-Fußabdruck zu haben (> 25 Prozent) – der Vergleich ist aber problematisch: Weniger als ein Drittel der betreffenden CO2-Emissionen fallen direkt in Österreich an, und substanzielle Teile des Fußabdrucks entstehen über Importe aus anderen EU-Ländern (34 Prozent) und Drittstaaten (37 Prozent). Direkt zur österreichischen CO2-Bilanz zurechenbar sind von den 19,4 Mio. Tonnen nur 29 Prozent bzw. 5,6 Mio. Tonnen (siehe Grafik).
Durch die starken Außenhandelsverflechtungen von Österreich ist daher der Konnex zwischen in Österreich nachgefragten Produkten und den in Österreich anfallenden Emissionen nur schwach ausgeprägt. In weiterer Folge heißt das auch, dass Politiken zur Reduktion des CO2-Fußabdrucks der öffentlichen Beschaffung sich nur teilweise direkt in der österreichischen CO2-Bilanz widerspiegeln werden. Umgekehrt haben ähnliche Politiken in Ländern, welche für Österreich wichtige Handelspartner darstellen, womöglich substanzielle Rückwirkungen auf den österreichischen CO2-Ausstoß.
Dieses spezielle Set-up lässt auch erkennen, dass neben nationalen Politiken zur Reduktion der Treibhausgasemissionen eine koordinierte europäische Vorgangsweise zielführend wäre. Eine koordinierte und abgestimmte europäische Politik zur Ökologisierung des Beschaffungswesens könnte dazu beitragen, die externen Effekte zu internalisieren, und dadurch Verzerrungen im Binnenmarkt einschränken.
Berücksichtigung der Vorprodukte als Schlüssel
Für die Gesamtbewertung der Studienergebnisse ist zudem zentral, dass der Anteil der direkten Emissionen durch die öffentliche Beschaffung überaus gering ist. Die von der öffentlichen Hand beauftragten Unternehmen emittieren demnach während ihrer Leistungserstellung nur knapp 13 Prozent bzw. 2,5 Mio. Tonnen CO2, der Großteil des CO2-Abdrucks der öffentlichen Beschaffung kommt über eingesetzte Vorprodukte zustande. Dieses grundsätzliche Muster zeigt sich auch unabhängig davon, ob die Leistung in Österreich erbracht wird (und die Emissionen Österreich zugerechnet werden) oder ob es sich um Importe handelt.
Da die Modellergebnisse recht klar zeigen, dass überwiegende Teile des CO2-Fußabdrucks durch Vorprodukte zustande kommen, sollte die Wertschöpfungskette verstärkt Beachtung finden. So würde sich anbieten, Beschaffungskriterien verstärkt für eine Beeinflussung der verwendeten Inputs bzw. des Materials zu verwenden.
Die konkrete Ausgestaltung der ökologischen Kriterien hängt stark von der jeweiligen Gütergruppe ab. Wie derartige Anforderungen in puncto Material- oder Leistungsvorgaben in Ausschreibungen spezifiziert werden können, ist in Kapitel 2 der Studie detaillierter dargestellt. Konkrete Materialanforderungen – beispielhaft sei hier die Verwendung von sogenanntem Niedrigtemperaturasphalt im Straßenbau genannt (siehe Kapitel 2 für mehr Details und Beispiele) – können relativ direkt in die Leistungsbeschreibung oder auch als Teil von Zuschlagskriterien in der Beschaffung Eingang finden. Auch das Good-Practice-Beispiel der „CO2 Performance Ladder“ aus den Niederlanden, wo ein Zertifizierungssystem zentral ist, kann speziell für die Berücksichtigung von CO2-Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette als zielführender Ansatz gesehen werden.
Fokus auf einige wenige Produktgruppen für größte Hebelwirkung
Einige wenige Beschaffungsgruppen sind für große Teile der CO2-Gesamtemissionen verantwortlich (siehe Tabelle). Allein auf das Bauwesen (und seine Vorleistungen) entfallen rund 30 Prozent der Emissionen. Hinzu kommen weitere große Beiträge in den Abschnitten Herstellung von sonstigen Waren (C32), Lagerei und Verkehr (H49) sowie Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen (C21). Insgesamt tragen die einzelnen Bereiche der Sachgütererzeugung rund ein Drittel der Gesamtemissionen bei.
Dieses Ergebnis der Studie spricht klar für einen Produkt- bzw. Sektorfokus bei der Entwicklung von Strategien zur Reduktion des CO2-Fußabdrucks der öffentlichen Beschaffung. Dazu passt, dass sowohl die europäischen Initiativen für eine ökologische Beschaffung als auch der Österreichische Aktionsplan für nachhaltige öffentliche Beschaffung (naBe-Aktionsplan) grundsätzlich einen produktspezifischen Zugang verfolgen. Diese Strategien sind jedoch viel breiter aufgesetzt – so ist die Klimathematik nur eine von mehreren Nachhaltigkeits-Dimensionen, und teilweise werden mit Sozial- oder Governance-Kriterien weitere Ziele verfolgt – und sehen grundsätzlich keine Priorisierung vor. Die hier präsentierten Studienergebnisse würden aber eine noch stärkere Fokussierung auf einzelne Produkte und Leistungen anzeigen, da die Hebelwirkung im Sinne des CO2-Fußabdrucks sehr ungleich über die unterschiedlichen Beschaffungsbereiche verteilt ist.
Anteile der sektoralen CO2-Emissionen durch das öffentliche Beschaffungswesen unterschiedlicher staatlicher Ebenen 2015 bis 2020
NACE-Sektor | Marktbestimmte Betriebe (S1101) | Bund (S1311) | Länder (S1312) | Gemeinden (S1313) | Sozialversicherung (S1314) | Insgesamt |
in % | ||||||
Land- und Forstwirtschaft (A) | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Bergbau (B) | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Herstellung von Waren (C) | 9 | 11 | 7 | 8 | 8 | 43 |
Energieversorgung (D) | 1 | 0 | 0 | 0 | 0 | 1 |
Wasserversorgung und Abfallentsorgung (E) | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 1 |
Bau (F) | 12 | 7 | 3 | 8 | 2 | 31 |
Handel (G) | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Verkehr (H) | 2 | 3 | 1 | 1 | 0 | 7 |
Beherbergung und Gastronomie (I) | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Information und Kommunikation (J) | 1 | 1 | 0 | 0 | 1 | 4 |
Finanz- und Versicherungsleistungen (K) | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Grundstücks- und Wohnungswesen (L) | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Freiberufliche/techn. Dienstleistungen (M) | 1 | 1 | 0 | 1 | 0 | 3 |
Sonst. wirtschaftl. Dienstleistungen (N) | 0 | 1 | 0 | 0 | 0 | 1 |
Öffentliche Verwaltung (O) | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Erziehung und Unterricht (P) | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 1 |
Gesundheits- und Sozialwesen (Q) | 1 | 1 | 1 | 0 | 2 | 5 |
Kunst, Unterhaltung und Erholung (R) | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Sonst. Dienstleistungen (S) | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Insgesamt | 27 | 26 | 13 | 20 | 14 | 100 |
Wichtig für die produktspezifischen Strategien ist zusätzlich die Tatsache, dass je nach Beschaffungsgruppe unterschiedliche staatliche Ebenen berührt sind. So ist auf subnationaler Ebene besonders die Beschaffung von medizinischen Gerätschaften oder Kraftfahrzeugen mit einem großen CO2-Emissionsvolumen verbunden, wohingegen auf Bundesebene eher die Beschaffungen im Zusammenhang mit dem Bahnverkehr (C30 Transportgerätschaften oder H49 Landverkehr) ins Gewicht fallen. Bauleistungen, wenngleich in unterschiedlichen Größenordnungen, werden demgegenüber von praktisch allen staatlichen Ebenen bezogen.
Zuletzt ist festzuhalten, dass neben den Gebietskörperschaften auch die Sozialversicherungen und die marktbestimmten Betriebe, d. h. ausgegliederte Unternehmen, in jede umfassende Strategie einbezogen werden sollten. Bund, Länder und Gemeinden repräsentieren nur ungefähr 56 Prozent der Emissionen, die ausgegliederten Unternehmen und die Sozialversicherung sind ebenfalls als wesentliche Konsumenten von emissionsintensiven Beschaffungen zu sehen.