Die Initiative „Frauenvolksbegehren“ hat im Jahr 2018 die Unterschriften von knapp 500.000 Menschen sammeln können. Sie hat dabei nicht nur politisches Gewicht erlangt, sondern darüber hinaus eine Generation junger Frauen und Männer mobilisiert und politisiert. Und das ausschließlich spendenfinanziert und von politischen Parteien unabhängig. Getragen wurde die Initiative von bestehenden Netzwerken und neu gegründeten Gruppen in ganz Österreich, in denen sich viele Frauen und einige Männer mit ganz unterschiedlichen sozialen Hintergründen und Lebenssituationen engagieren. Es war nicht immer leicht. Es gab wenig Budget und viel Kritik und Häme. Dennoch hat es funktioniert – mit persönlicher und politischer Hingabe, Sorge umeinander, Solidarität untereinander, Tränen und Leidenschaft.
Globale Trends und feministischer Widerstand
Das Frauenvolksbegehren hat der österreichischen Medien- und Politiklandschaft gezeigt, was lebendige Demokratie bedeutet. Es hat auch gezeigt, dass es mehr parlamentarische und außerparlamentarische feministische Gegenmacht zu den aktuellen Entwicklungen braucht. Es wurde initiiert, als die #MeToo-Debatte losbrach und neue, mit Rechtsextremismus und -populismus verbundene Formen des subtilen bis plakativen Sexismus alltäglich wurden.
Wir erleben schließlich nicht nur in den USA, Ungarn oder Polen, sondern auch in Österreich und Deutschland nationalistische und autoritäre Verschiebungen. Die sind deutlich männlich geprägt, propagieren traditionelle Geschlechter- und Familienbilder, bekämpfen feministische Forschung und stellen Frauenrechte infrage. Gegen diesen zerstörerischen globalen Trend, der sich in der Verschärfung von Ungleichheiten und Konkurrenz zum universellen Prinzip erklärt, formiert sich ein breiter feministischer Widerstand. Das Frauenvolksbegehren ist ein Teil davon. Auf institutioneller Ebene haben Vertreter_innen des Frauenvolksbegehrens beispielsweise im Europaparlament zur Verabschiedung einer Resolution gegen diesen Backlash beigetragen.
Geschlechterverhältnisse wieder thematisieren
Gegen diese Entwicklungen braucht es jedoch zusätzlich möglichst breite zivilgesellschaftliche Allianzen: Allianzen all derjenigen, die unter dem Patriarchat leiden. Dafür braucht es Wissens- und Erfahrungsaustausch, um Bewusstsein für die strukturelle Dimension von Unterdrückung zu schaffen und Stereotype zu hinterfragen. Die Herausforderung besteht darin, Traditionen und Identitäten infrage zu stellen und Geschlechter- und Lebensverhältnisse wieder als politisch verhandelbar zu betrachten.
Den Forderungen des Frauenvolksbegehrens gingen daher unzählige Gespräche mit von Armut, Diskriminierung und Gewalt betroffenen Frauen voraus; Erkenntnisse aus Studien, Expertisen von Wissenschafter_innen und das Wissen von Expert_innen aus Frauenvereinen, Frauenhäusern und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen wurden abgeglichen und in einem politischen Programm verschränkt. Der Zugang war in diesem Sinne interdisziplinär und sehr konkret, anknüpfend an unterschiedliche Erfahrungen der Ungleichheit und erlittene Verletzungen.
Feminismus mit politischem Anspruch
Das Frauenvolksbegehren hat einen expliziten Anspruch auf gesetzliche Veränderungen. Um Frauenrechte – Menschenrechte – zu schützen und patriarchale Herrschaft abzubauen, bedarf es einer Vielzahl sozialer und kultureller Veränderungen, aber auch rechtlicher Maßnahmen. Insofern sollten sich Feminist_innen nicht scheuen, politische Macht zu beanspruchen. Das ist – unabhängig von einer unmittelbaren Umsetzung der Forderungen durch die rechtskonservative österreichische Bundesregierung – gelungen; das Frauenvolksbegehren konnte den Diskurs innerhalb und außerhalb des Parlaments verschieben und ist mittlerweile eine gesellschaftliche Gegenmacht.
Für eine geschlechtergerechte Zukunft
Die Forderungen des Frauenvolksbegehrens sind vielfältig: eine Geschlechterquote für die Privatwirtschaft, Interessenvertretungen und alle politischen Ebenen, eine generelle Arbeitszeitverkürzung, Gehaltstransparenz und Abbau von Entgeltdiskriminierung, Verhütungsmittel und Schwangerschaftsabbruch „auf Krankenschein“, eine wirksame Gewaltprävention und ein nachhaltig finanzierter Gewaltschutz sowie die ausdrückliche gesetzliche Verankerung von frauen- und geschlechtsspezifischen Fluchtgründen.
Sie sollen dazu beitragen, dass die Rechte von Frauen und Minderheiten ernst genommen und unterschiedliche Erfahrungen und Lebensrealitäten als gleichwertig anerkannt werden – mit dem radikalen Ziel einer „menschlichen Zukunft ohne Rollenzwänge und Gewaltverhältnisse“ (Johanna Dohnal), einer Zukunft der Geschlechtergerechtigkeit, in der alle gleiche Bedingungen und Teilhabemöglichkeiten vorfinden, um sich so unterschiedlich entwickeln zu können, wie sie wollen.
Bei diesem Blogbeitrag handelt es sich um eine gekürzte und vereinfachte Version eines gleichnamigen, am 25.3.2019 erschienen Artikels von Christian Berger auf dem Gender-Blog der Friedrich-Ebert-Stiftung.