Das Frauenvolksbegehren kann noch bis Ende März mittels Handysignatur, Bürger*innenkarte oder an jedem Gemeindeamt Österreichs unterstützt werden. Schon eine Woche nach Beginn der Sammlung der Unterstützungserklärungen hatten über 100.000 Bürger*innen eine Unterstützungserklärung für das Frauenvolksbegehren abgegeben, womit es formal erfolgreich ist und im Nationalrat behandelt werden muss.
Dessen ungeachtet – oder gerade deswegen – nimmt die wirtschaftspolitische Kritik an den Forderungen des Begehrens wieder zu. In Kommentarspalten und sozialen Medien wird behauptet, es sei „ökonomisch fetzendeppert“, eine „Anleitung zum wirtschaftlichen Bankrott“ oder – höflich untertrieben – „obskurantistisch“. Zeit für eine Replik.
Die große Angst vor der Arbeitszeitverkürzung
Die meisten Kommentatoren stören sich besonders daran, dass das Frauenvolksbegehren eine schrittweise Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche fordert. Zumeist wird vorgebracht, dass Unternehmen und „die Wirtschaft“ dies nicht aushielten. Warum dies so sei und warum eine solche Forderung seltsam, lächerlich oder deppert sei, bleibt unklar, da eine Arbeitszeitverkürzung ohnehin schon stattfindet.
Vier von fünf neu begründete Arbeitsverhältnisse in der Eurozone sind Teilzeitarbeitsverhältnisse und niedrig entlohnt, Digitalisierung und Automatisierung werden früher oder später zu einer Verknappung des Bedarfs an Arbeitskräften führen und in einigen Unternehmen wie Makava oder eMagnetix und ganzen Branchen ist eine kürzere Vollzeit zum „Golden Standard“ geworden. Eine Anpassung der Normarbeitszeit an die Arbeitszeitrealität und Arbeitszeitwünsche der meisten Menschen wäre eigentlich ein logischer und grundvernünftiger zukunftspolitischer Schritt.
Wie Arbeitszeitverteilung mit Geschlechterungleichheit zusammenhängt
In Österreich fehlen nach wie vor flächendeckende Angebote zur Kinderbetreuung, Männer* leisten verhältnismäßig wenig Haus- und Sorgearbeit. Dazu kommt, dass etwa 80 Prozent der Teilzeitbeschäftigten in Österreich Frauen* sind, wovon wiederum etwa 23 Prozent für einen Niedriglohn arbeiten (deshalb fordert das Frauenvolksbegehren übrigens keinen vollen Lohn- und Personalausgleich, sondern einen variablen).
Frauen* verdienen in Österreich außerdem durchschnittlich 22 Prozent weniger als Männer, weil sie Frauen* sind (deshalb fordert das Frauenvolksbegehren auch Gehaltstransparenz und den systematischen Abbau von Entgeltdiskriminierung). Die geschlechtsspezifische Verteilung von (gut und schlecht) bezahlter und unbezahlter Arbeitszeit hat gravierende Auswirkungen auf den Verdienst: Frauen* entgeht im Verhältnis zu Männern* ein durchschnittliches Lebenseinkommen von 435.000 Euro sowie Pensionen und Vermögen. Sie verlieren damit auch Handlungsmacht in Haushalten und Möglichkeiten zur Teilhabe am öffentlichen Leben.
Frauenvolksbegehren: ökonomisch supergescheit
Neue Normarbeitszeiten ermöglichen nicht nur, bezahlte und unbezahlte Arbeit zwischen Frauen* und Männern* umzuverteilen und sich – und zwar ohne ökonomische Nachteile – von traditionellen Geschlechterrollen und Lebensmodellen zu lösen. Es ist auch davon auszugehen, dass eine Arbeitszeitverkürzung zu positiven Beschäftigungseffekten, mehr Leistungsfähigkeit, Arbeitsqualität und Innovation, einer verbesserten Gesundheit, weniger Arbeitsunfällen und damit weniger Sozialversicherungskosten führt.
Eine schrittweise Arbeitszeitverkürzung stärkt die Wirtschaft, wirkt Frauen- und Altersarmut strukturell entgegen, steigert das Wohlbefinden und schafft mehr Entfaltungs- und Teilhabechancen für Frauen und Männer. Das ist ökonomisch supergescheit.
Frauen*rechte als Menschenrechte
Eine Arbeitszeitverkürzung und die Beseitigung von geschlechtsspezifischer Entgeltdiskriminierung reichen allerdings nicht, um gleiche Lebenschancen für Frauen* und Männer* zu gewährleisten. Es braucht viel mehr, damit die Gleichwertigkeit der Geschlechter, die Gebot in Rechts- und Verfassungsstaaten ist, zur Realität wird.
Dazu gehört es, Frauen*rechte als Menschenrechte umfassend anzuerkennen – und ihnen Vorzug vor entgegenstehenden „kulturellen Traditionen“ einzuräumen. Zu diesen Traditionen gehört etwa – und dafür muss man auch kein katholischer Ultrafundi sein –, dass die Kosten für Schwangerschaftsabbrüche die Allgemeinheit einfach nichts angingen. Dies ist nicht zuletzt ein gutes Beispiel dafür, dass reproduktive Rechte als sogenannte Frauen*rechte zwar allgemeine Grund- und Menschenrechte sind, für Frauen hingegen besonders relevant sind, weil deren reproduktive Gesundheit und Freiheit nicht nur öfter, sondern systematisch beeinträchtigt werden.
Feministische Gesellschaftspolitik
Das Frauenvolksbegehren legt daher ein umfassendes feministisches gesellschaftspolitisches Programm vor, das in intensiven fachlichen, überparteilichen und äußerst partizipativ-demokratischen Auseinandersetzungen entstanden ist. In diesem Programm finden sich sehr konkrete, leicht umsetzbare Forderungen (wie die Einführung eines staatlich garantierten Unterhaltsvorschusses, der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen oder die staatliche Kostenübernahme für Verhütungsmittel aller Art sowie Schwangerschaftsabbrüche) und Erinnerungen an den Gesetzgeber hinsichtlich seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen (etwa im Bereich der Gewaltprävention und des Gewaltschutzes oder des Asyl- und Fremdenrechts). Darüber hinaus finden sich dort zugegebenermaßen visionärere Ziele wie die gleiche Teilhabe von Frauen* und Männern* an politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen, ein Verbot von Sexismus als Werbemittel und ja, auch die Umverteilung von Arbeit, Ressourcen und Zeit.