Die Koppelung von Zuwanderung und Aufenthalt an positiv absolvierte Sprachprüfungen gibt es in Österreich als sogenannte „Integrationsvereinbarung“ seit 2003. Es war keine österreichische Erfindung, aber der Gesetzgeber ist auf den europäischen Sprachprüfungs-Zug aufgesprungen. 2011 wurden die Regeln der Integrationsvereinbarung verschärft.
Gute Kenntnisse der deutschen Sprache werden immer mehr zu einem Zugangskriterium, das ist die Tendenz. Bemerkenswert war der im Bundesland Oberösterreich im Jahr 2017 eingeführte verpflichtende Nachweis von Deutschkenntnissen als Voraussetzung für einen Antrag auf Wohnbeihilfe. Damit wurde eine Linie überschritten: Die bisherige Koppelung von Deutschkenntnissen und Niederlassung oder Staatsbürgerschaft wurde ausgeweitet auf eine Koppelung von Deutsch und Sozialtransfers. Jetzt stülpt die Regierung das Modell über die bundesweite Mindestsicherung: Den vollen Betrag gibt es nur mit einem Zeugnis DaZ (Deutsch als Zweitsprache) auf Niveau B1, sonst 300 Euro weniger. Im aktuellen Gesetzes-Entwurf heißt es: „Ein monatlicher Mindestanteil in Höhe von 35 % der Leistung … ist von der Vermittelbarkeit am österreichischen Arbeitsmarkt … abhängig zu machen (Arbeitsqualifizierungsbonus).“ Übrigens: die Englisch-Matura eines AHS-Maturanten, der acht Jahre lang Unterricht hatte, entspricht Niveau B2.
Wenn nun das Deutsch-Niveau selbst für eine Minimal-Existenz Voraussetzung wird, stellt sich noch dringender als bisher die Frage: Wo lernt eine zugewanderte Person Deutsch? Denn wer aufgrund seines zu niedrigen Einkommens Anspruch auf Mindest-Sicherung hat, kann sich kaum Kurs- und Prüfungsgebühren in dreistelliger Höhe leisten.
Teilnahmegebühren für DaZ-Kurse variieren beträchtlich
Wer die Angebotslandschaft im Bereich Deutschkurse beobachtet, wird feststellen, dass die Preisgestaltung für DaZ-Kurse von beträchtlichen Eigenfinanzierungskapazitäten ausgehen. Die (jetzt schon) starke Nachfrage nach Kursen erlaubt es den Anbietern, entsprechende Teilnahmegebühren zu verlangen.
Eine Recherche vom Herbst 2017 zeigt für Wien: Am unteren Ende der Preisskala finden sich die Volkshochschulen, welche die Unterrichtseinheit (UE) für 4,25 Euro anbieten. Andere DaZ-Angebote (allgemeines Deutsch, ohne Angebote für berufsbezogenes Deutsch, die in der Regel etwas teurer sind) bei verschiedenen Sprachinstituten bewegen sich bei
· 280 Euro für 55 UE (A1.1 exkl. Kursbuch) = 5,09 Euro pro UE,
· 390 Euro für 60 UE (Stufe A1–A2) = 6,50 Euro pro UE,
· 589 Euro für 80 UE (A1-F inkl. Prüfung) = 7,36 Euro pro UE,
· 450 Euro für 60 UE (A1 inkl. Kursmaterialien und Prüfung) = 7,50 Euro pro UE,
· 485 Euro für 52 UE (B1 plus Prüfung) = 9,33 Euro pro UE,
· 998 Euro für 70 UE (A1 inkl. Materialien) = 14,26 Euro pro UE,
· 1.385 Euro für 80 UE (Basis in der Kleingruppe) = 17,31 Euro pro UE u. v. m.
Die Nachfrage nach Deutsch-Kursen wird natürlich durch die Flüchtlingsbewegung 2015 verstärkt. Für AsylwerberInnen in der Grundversorgung ist es besonders schwierig, eine Teilnahme an Deutsch-Kursen zu finanzieren. In einem geringen Ausmaß werden freundlicherweise Gratis-Kurs-Plätze zur Verfügung gestellt, Ehrenamtliche unterrichten in Flüchtlingsunterkünften, „PatInnen“ finanzieren Kursgebühren aus eigener Tasche. Nach Erhalt des Asylstatus erfolgt dann die Registrierung beim AMS, womit die Zuweisung in einen AMS-finanzierten Kurs möglich wird – davon gibt es allerdings weniger als zuvor.
Gutscheine als Reaktion auf den Markt
Was nun die Möglichkeiten anbelangt, sich der deutschen Sprache in gebührenpflichtigen Kursen anzunähern, so sieht man ein wenig abgestimmtes Flickwerk aus Angeboten und verschiedenen Fördervarianten. Um die Teilnahmegebühren für Deutschkurse abzufedern, gibt es flankierend Gutscheine, die von verschiedenen öffentlichen Stellen ausgegeben werden, aber zeitlich befristet sind (etwa vom Österreichischen Integrationsfonds ÖIF innerhalb von 5 Jahren nach positiver Asylgewährung oder in Wien von der MA 17 nach Familienzusammenführung, 18 Monate gültig). Allerdings können viele, die einen DaZ-Kurs machen wollen oder müssen, nicht die Förderungen wie etwa in Wien das Bildungskonto des Wiener ArbeitnehmerInnen-Förderungsfonds waff (da nicht erwerbstätig) oder den AK-Bildungsgutschein (da nicht AK-Mitglied) beanspruchen. Selbst wenn sie es können, handelt es sich um eine partielle Kostenübernahme: Vom waff gibt es bis zu 300 Euro (in 4 Jahren), von der AK 120 Euro (pro Jahr).
Der „Schlüssel“
Die Schlüsselfunktion von Deutschkenntnissen für die Integration wird stets betont, jetzt eben auch bei der Mindestsicherung. Umso befremdlicher wirkt die momentane Förderpolitik: Mittel werden nämlich gekürzt – allen voran für das AMS und für das Integrationsjahr.
Sind Sprachkenntnisse jedoch ein Basiselement von Gesellschaft und der Daseinsvorsorge, so wie der Zugang zu sauberem Trinkwasser und zum Gesundheitssystem – und jetzt auch zur Mindestsicherung –, dann muss die Frage sein: Wie kann ich möglichst allen Deutsch beibringen? Wie kann ich sicherstellen, dass jede/r einen Deutschkurs besuchen kann? Zwei mögliche Antworten:
„Zentrum für die österreichische Sprache“
Eine Antwort auf diese Frage wäre ein öffentlich finanziertes „Zentrum für die österreichische Sprache“, in dem „rund um die Uhr“ (vormittags, nachmittags, abends, am Wochenende) DaZ-Kurse auf allen Niveaustufen angeboten werden, von A1 bis C1. Das Angebot ist modular strukturiert (womit ein Einstieg oder Wiedereinstieg jederzeit möglich ist) und hat keine oder nur symbolische Teilnahmegebühren.
In diesem Zentrum unterrichten gut ausgebildete DaZ-TrainerInnen, die adäquat entlohnt sind und auch die Vor- und Nachbereitungszeit abgegolten bekommen. Sie unterrichten österreichisches Standard-Deutsch („Topfengolatsche“ statt „Quarktasche“), die Zentren in den einzelnen Bundesländern bzw. Regionen unterrichten zudem die lokalen Dialekte (weil diese in Alltag und Beruf oft mehr Relevanz als Hochdeutsch haben).
„Initiative Deutsch als Zweitsprache“
Ein weiteres Modell wäre eine neue „Initiative DaZ“ in Anlehnung an die „Initiative Erwachsenenbildung“ (IEB), in der sich Bund und Länder die Kosten 50:50 teilen und ESF-Mittel die nationalen Mittel aufstocken. So wie bei der IEB könnten in einer „IDaZ“ der Unterrichtsumfang pro Sprachlevel, verbindliche Qualitätskriterien für Anbieter und Qualifikationsanforderungen für DaZ-TrainerInnen definiert werden. Diese offenen Deutschzentren würden das Problem von Preisdifferenzen zwischen Anbietern, divergierenden Förderungen je nach Bundesland und Beschäftigtenstatus, zeitlichen Befristungen lösen und wären unabhängig von AMS-Kurskontingenten.
Die neuen Bestimmungen bei der Mindest-Sicherung bestätigen und verstärken die Tendenz, Deutsch-Kenntnisse dort zu einem Differenzierungskriterium zu machen, wo es um den Zugang zu öffentlich-finanziellen Unterstützungen geht. Gleichzeitig fehlt das Konzept bei der Erwachsenen- Sprachförderung.