Für Menschen, die auf ihrer Flucht vor Krieg und Gewalt in Österreich gestrandet sind und Asyl erhalten haben, beginnt spätestens nach dem Erhalt des positiven Asylbescheids die Suche nach einem adäquaten Arbeitsplatz. Vorrangiges Ziel ist die finanzielle Eigenständigkeit in Österreich, um der Familie, vor allem den Kindern, ein würdevolles Leben zu ermöglichen. Des Weiteren wird versucht, Berufserfahrung und -kompetenzen aus dem Herkunftsland am österreichischen Arbeitsmarkt zu verwerten.
Dieser Prozess ist aufgrund vielfältiger Zugangsbeschränkungen aufwendig und langwierig. Erstens gibt es, anders als bei gesuchten Experten wie zum Beispiel Universitätsprofessorinnen und -professoren, wenig Verständnis für mangelnde Deutschkenntnisse; vielmehr gilt für die meisten Tätigkeiten die Beherrschung der deutschen Sprache auf einem hohen Niveau als eine Bedingung der Beschäftigung, selbst wenn die Notwendigkeit aus der Außenperspektive nicht unmittelbar einsichtig ist. Zweitens ist der österreichische Arbeitsmarkt hochgradig professionalisiert, was bedeutet, dass qualifizierte Arbeitsplätze einen in Österreich anerkannten formalen Qualifikationsnachweis erfordern. Die Erbringung von informellen Nachweisen, wie die visuelle Dokumentation erfolgreich umgesetzter Projekte zum Beispiel im Baugewerbe, oder die Anfrage um eine Chance, die bereits gesammelte Berufspraxis unter Beweis zu stellen, werden von potenziellen Arbeitgebern mehrheitlich nicht aufgegriffen. Zwar gibt es in vielen Bereichen Verfahren der Nostrifizierung von Zeugnissen oder Ausbildungswegen, die jedoch alle gemeinsam haben, dass sie langwierig, aufwendig und teuer sind, wie etwa für Ärzte oder Zahnärzte. Und es ist klar, dass die Kompetenzen eines syrischen Rechtsanwalts in Österreich kaum über sehr spezifische Rechtsfälle hinausgehend einsetzbar sind. Ebenso klar ist, dass in Österreich andere Kriterien für den Bau eines Hauses gelten als im Irak. Drittens existieren für einige Berufe zusätzliche Kriterien, die die Aufnahme einer Tätigkeit im erlernten Berufsfeld um Jahre verzögern können, wie etwa die österreichische Staatsbürgerschaft Bedingung für die Zulassung als Tierarzt ist.
Hürden am Weg in den Arbeitsmarkt
Es geht hier nicht um die Frage, inwiefern die Bedingungen, an welche die Ausübung einer Tätigkeit gebunden ist, gerechtfertigt sind oder nicht. Viele der Vorschriften haben einen sinnvollen Hintergrund, der zum Beispiel mit Standards, mit dem Gefährdungspotenzial oder mit erforderlichen Kenntnissen der Rechtsordnung zusammenhängt. Asylberechtigte sind somit mit mannigfachen und im Einzelfall jeweils unterschiedlich wirkenden Hürden konfrontiert, wenn sie versuchen, eine Arbeitsstelle zu finden, in der sie ihre mitgebrachten Qualifikationen anwenden können. Nicht nur ist ihre Qualifikation in Österreich weniger wert, mit jedem Monat, den sie nicht arbeiten, weil das Asylverfahren sich hinzieht oder sie Deutschunterricht nehmen, schreitet die Entwertung ihrer Qualifikationen voran. Es geht hier also um die Frage, inwiefern diesen Menschen ein existenzsicherndes Leben ermöglicht wird, während sie die Hürden auf dem Weg in den österreichischen Arbeitsmarkt, der Kapazitäten freihat, bewältigen.
Als letztes, unterstes Auffangnetz des österreichischen Sozialsystems ist die Bedarfsorientierte Mindestsicherung als Instrument der Vermeidung materieller Not ausgelegt und nicht an vorangegangene Leistungen in die Sozialversicherung gekoppelt. Sie ist eben keine Versicherungsleistung, sondern eine Nothilfe, die dann zum Einsatz kommt, wenn jemand weder Einkommen noch Vermögen hat. Auf Asylberechtigte treffen all diese Kriterien zu, und so nimmt es nicht wunder, dass angesichts der vielen Hürden des Arbeitsmarktzugangs für viele der Antrag auf Bedarfsorientierte Mindestsicherung der einzige Weg der Existenzsicherung ist.
Die Lebenssituation von Geflüchteten in der Bedarfsorientierten Mindestsicherung
In einem kleinen, teils von der AK Wien finanzierten und vom AMS NÖ unterstützten Forschungsprojekt wurden Bezieher/-innen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Niederösterreich nach ihren subjektiven Wahrnehmungen von und Erfahrungen mit dem Bezug der Bedarfsorientierten Mindestsicherung befragt, wobei auch Menschen berücksichtigt wurden, die 2015/16 aus ihrem Heimatland geflohen waren und in Österreich Asyl erhalten haben. Die Auswahl der Interviewpartner/-innen erfolgte auf der Grundlage einer Zufallsstichprobe aus der Gesamtpopulation der Bezieher/-innen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in sechs niederösterreichischen Bezirken. Ergänzt wurde diese Stichprobe um Personen, die dem Forschungsteam über eine in der Flüchtlingshilfe tätigen Organisation vermittelt wurden.
Der Alltag der interviewten Asylberechtigten ist von ihren Bemühungen geprägt, mit den Zuwendungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung auszukommen. Viele leben zu hoher Miete beengt in Substandardwohnungen, die teils in desolatem Zustand sind, mit vorerst wenig Perspektive auf eine Verbesserung der Wohnsituation. Sie verbringen den Tag mit dem Erlernen der deutschen Sprache und mit der Suche nach Arbeit, wobei sie in der Regel aufgrund fehlender Qualifikationsnachweise mit Absagen konfrontiert werden. Verschiedene private Organisationen bieten Berufsberatung und Unterstützung bei der Suche nach Arbeit. Die damit einhergehenden Hoffnungen schlagen jedoch aufgrund der Ergebnislosigkeit in Frustration um. Zum Beispiel führen absolvierte Praktika nicht zum erhofften Berufseinstieg. Selbst wenn die Berufserfahrung im Herkunftsland einsichtig ist, wird diese in Österreich nicht berücksichtigt, sondern Asylberechtigte erhalten die Empfehlung, ihre Berufsqualifikationen und -erfahrungen aus dem Herkunftsland hintanzustellen und eine alternative Fachrichtung zu wählen.
Einige der interviewten Asylberechtigten waren von der 2017 implementierten Deckelung der Bezüge mit 1500 Euro pro Haushalt und der Wartefrist für den Bezug der vollen Mindestsicherung betroffen, ebenso wie von deren Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof im März 2018. Für die Betroffenen bedeutete die Reduktion der Bezüge vor allem eine Verschärfung der ohnedies prekären Lebenssituation und eine weitere soziale Marginalisierung.
Im Umgang mit ihrer Lebenssituation zeigen Asylberechtigte allerdings wesentlich mehr Optimismus, als dies in der Studie bei Einheimischen beobachtet werden konnte. Begründen lässt sich dies mit dem Weg in die Mindestsicherung, der sich bei Einheimischen als ein sukzessives Abgleiten darstellt, das mit zunehmender Ausweglosigkeit und Verzweiflung einhergeht, während für Geflüchtete neben der Dankbarkeit für die Unterstützung in Österreich die Perspektive eines erwarteten Einstiegs in den Arbeitsmarkt im Vordergrund steht.
Wege aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung
Was bedeuten diese Befunde für den politischen Umgang mit Geflüchteten? Menschen aus dieser Personengruppe befinden sich in der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, weil sie überleben müssen, während sie sich den Arbeitsmarktzugang erarbeiten. Sie hatten bisher keine Gelegenheit, sich im österreichischen Schulsystem und am österreichischen Arbeitsmarkt zu bewähren, sondern mussten ihr Land verlassen, um ihr Leben zu retten. Sie sind, sofern nicht durch Traumatisierung erkrankt, hochgradig motiviert, am österreichischen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, und sie sind in der Regel auch bereit, zumindest im Zuge des Einstiegs in den Arbeitsmarkt Zugeständnisse hinsichtlich des Berufsstatus zu machen. Die Dauer ihres Verbleibs in der Bedarfsorientierten Mindestsicherung hängt weniger von individuellen Faktoren als von den institutionellen Hürden ab, die ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt erschweren. Eine Politik, die auf die Minimierung der Ausgaben für die Bedarfsorientierte Mindestsicherung abzielt, muss daher insbesondere in den Deutschunterricht und in die auf das Wesentliche fokussierende Prüfung und Anerkennung von Qualifikationen investieren. Während die Verbesserung der Deutschkenntnisse schlichtweg eine Frage der Budgetverteilung ist, erfordert die Anerkennung von Qualifikationen etwas mehr Fantasie und Pragmatismus, weil die Zugangshürden in vielen Berufen nicht gesetzlich geregelt sind, sondern in der Verantwortung von berufsständischen Verbänden liegen. Zugleich würde eine solche Politik aber dazu beitragen, den vielerorts und wiederholt beklagten Fachkräftemangel in relativ kurzer Zeit durch motivierte und lernwillige Arbeitnehmer/-innen zumindest zu entschärfen.