Wirtschaftlich, sozial und politisch mögen die Aussichten derzeit nicht so erfreulich sein. Doch: Die Weichen richtig gestellt, kann 2023 das Jahr der Wende zum Besseren sein.
Die Konjunktur befindet sich im Abschwung. Die Rezession kann so mild ausfallen und die Arbeitslosigkeit so verhalten steigen, wie es das WIFO prognostiziert. Doch es kann auch stärker bergab gehen. Die durch enorme Finanzinvestitionen institutioneller Anleger spekulativ überhöhten Preise im Immobiliensektor beginnen auch in Folge steigender Zinssätze vielerorts zu fallen. Das kann rasch in Liquiditätsproblemen und Stress in anderen Finanzmarktsegmenten münden, der auch durch hohe Verschuldung bei Haushalten, Staaten, Unternehmen und Finanzinvestoren genährt wird. Für Österreich kommen massive wirtschaftliche Probleme beim Nachbarn Ungarn dazu, die durch inferiore Wirtschaftspolitik, besonders hohe Inflation (November: 22 Prozent), hohe Budget- und Leistungsbilanzdefizite verursacht sind.
Energie- und Klimakrise belasten die Volkswirtschaft heute mit enormen Kosten, und das politische System in Österreich und der EU reagiert mit viel zu großer Trägheit auf die Gefahren, sodass die kurz- und mittelfristigen wirtschaftlichen, wie ökologischen Kosten unnötig noch weiter erhöht werden. Gravierende soziale Kosten entstehen bei den unteren Einkommensgruppen, die von der Klimakrise besonders betroffen sind, ohne über individuelle Anpassungsmöglichkeiten zu verfügen, während das unverantwortliche Konsumverhalten der Reichen und Besserverdienenden die Klimakrise verschärft.
Eine große Gefahr geht zudem von der durch Covid- und Teuerungskrise getragenen Zunahme der Ungleichheit aus. Auf der einen Seite stehen die Krisengewinner:innen, darunter der Energiesektor mit kolossalen Übergewinnen, institutionelle Anleger:innen, multinationale Konzerne und die von steigenden Kapitaleinkommen begünstigten oberen Einkommensgruppen. Auf der anderen Seite rutscht das untere Einkommensdrittel in fast allen EU-Ländern in Richtung Armutsgefährdung ab und die breite Mitte erleidet teils erhebliche Reallohnverluste. Ungleichheit hat negative wirtschaftliche Effekte, weil die Nachfrage sinkt und die Unsicherheit steigt.
Die hohe Ungleichheit hat gravierende Folgen für die Demokratie. Im SORA Demokratie-Monitor stimmen 73 Prozent der Personen des unteren Einkommensdrittels der Aussage sehr oder ziemlich zu: „Die Politik behandelt Menschen wie mich oft als Bürger zweiter Klasse.“ Benachteiligte fühlen sich und ihre Interessen in der Politik nicht vertreten. Wenn sich das untere Einkommensdrittel enttäuscht von der Demokratie ab- oder rechtsextremen Bewegungen zuwendet, dann ist Feuer am Dach.
Armutsgefährdung politisch bestimmt
Die Politik reagiert nicht ausreichend auf diese immense Gefahr. Zwar hat die Bundesregierung 2022 mit hohen Einmalzahlungen die Einkommen gestützt, Teuerungseffekte ausgeglichen und die Sozialleistungen indexiert. Doch Einmalzahlungen bleiben Einmalzahlungen, die Anpassung der Sozialleistungen reicht nicht aus, weil die Armutsgefährdung bereits vor der Teuerungskrise hoch war und nun noch massiv verschärft wird, und die Maßnahmen signalisieren nicht, dass die Ängste der Menschen ernst genommen werden. Das gilt besonders für die in hohem Ausmaß von sozialer Ausgrenzung betroffenen Arbeitslosen. Im zweiten Quartal 2022 gaben 51 Prozent aller Arbeitslosen an, sich eine unerwartete Ausgabe in Höhe von 1.300 Euro finanziell nicht leisten zu können, 32 Prozent können sich keine Kleinigkeit gönnen, 26 Prozent können sich das Warmhalten der Wohnung, 20 Prozent eine warme Mahlzeit nicht leisten.
Und gleichzeitig fordern ÖVP-Wirtschaftsbund, Agenda Austria und NEOS massive Einschnitte bei der Notstandshilfe für Langzeitarbeitslose. Neoliberale Wirtschaftspolitik zielt darauf ab, Arbeitslosen, Armutsgefährdeten und prekär Beschäftigten Angst zu machen, damit die Leute schlechte Jobs annehmen, von denen im Moment so viele offen sind. Eine „Politik der Angstmacherei“ wird auch mit befristeten Mietverhältnissen, der dauernden Infragestellung der Finanzierbarkeit des sozialen Pensionssystems, einer zu jedem ungeeigneten Anlass beschworenen „Migrationskrise“ oder den vielen Beispielen dafür betrieben, wie es sich die wirtschaftlichen Eliten richten können.
Demokratie gefährdet
Kein Wunder, wenn sich Arbeitslose, Ein-Eltern- und Mehr-Kind-Familien, Hilfsarbeiter:innen, Mindestpensionist:innen da klein machen, nichts mehr von der Politik erwarten und an Wahlen erst gar nicht mehr teilnehmen. Dazu kommt, dass jene, die kleine Einkommen beziehen, oft gar nicht wahlberechtigt sind. Mehr als die Hälfte der Hilfsarbeiter:innen verfügt über keine österreichische Staatsbürgerschaft.
Mindestens so sehr, wie die Demokratie durch den Rückzug des unteren Einkommensdrittels gefährdet ist, ist sie durch den übergroßen Einfluss der Milliardär:innen und Multi-Millionär:innen in Gefahr. Sie finanzieren Wahlkämpfe und Parteien, Medien und neoliberale Think-Tanks. Die Politik nimmt sie täglich wichtig, auf der symbolischen Ebene ebenso wie auf der faktischen Ebene der ökonomischen Interessen. Wer Demokratie und sozialen Zusammenhalt retten will, muss verlässlich und klar für die Inklusion der unteren Einkommensgruppen und für die Begrenzung des schädlichen Einflusses der Milliardär:innen eintreten.
Soziale Untergrenzen festigen
Bessere soziale Untergrenzen im Rahmen der bestehenden Sozialsysteme geben den Menschen Sicherheit, erhöhen ihre Freiheit und sind für den Erhalt der Demokratie unverzichtbar. Von ihnen und dabei besonders von der Verbesserung der sozialen Dienste profitiert auch die breite Mitte. Dafür können bereits 2023 konkrete Schritte gesetzt werden: