Die Energiepreise sind regelrecht explodiert und steigen weiterhin stark an. Allein von August 2021 bis August 2022 ist der Energiepreisindex (EPI) in Österreich um über 40 Prozent gestiegen. Der Ruf nach einer gesicherten und gleichzeitig leistbaren Energieversorgung wird in der Bevölkerung immer lauter. Um das zu erreichen ist es notwendig, unser Energiesystem so rasch wie möglich zu dekarbonisieren und erneuerbare Energien auszubauen. Dabei ist es jedoch wichtig, die anfallenden Kosten gerecht zu verteilen und allen Partizipation zu ermöglichen. Wie kann also die Energiewende erreicht, Energie aber gleichzeitig leistbar werden bzw. bleiben?
Was genau ist Energiearmut?
Energiearmut bedeutet „arm“ bzw. knapp an Energie zu sein. Aber nicht, weil zu wenig Energie zur Verfügung steht, sondern weil diese für die eigenen Bedürfnisse nicht (mehr) leistbar und damit nutzbar ist. Dies bezieht sich auf das Heizen, das Warmwasser und den Strom im eigenen Haushalt – Energie ist damit ein zentrales Element der Daseinsvorsorge und wichtige Grundlage zur Teilhabe am gesellschaftlichen Alltag.
Energiearme Haushalte sind meist sogar doppelt belastet, denn häufig kann der ohnehin schon knappe, weil bereits eingeschränkte Bedarf an Energie nur zu überproportional hohen Kosten und gleichzeitig durch Aufwendung eines hohen Anteils des Einkommens gedeckt werden. Das bedeutet: Betroffene Personen nutzen Energie nicht in der Art, wie sie es eigentlich brauchen würden, oder wenn sie dies tun, sind sie mit hohen Ausgaben konfrontiert und müssen an anderer Stelle einsparen.
Die Gründe für Energiearmut sind dabei vielschichtig, lassen sich aber grob in vier Bereiche unterteilen:
- Finanzielle Einflussfaktoren: Haushaltseinkommen (Einnahmenseite) und Energiekosten (Ausgabenseite)
- Technische Einflussfaktoren: thermische Effizienz von Wohngebäuden und energetische Effizienz von Elektrogeräten
- Kulturelle/soziale Praktiken: Umgang mit und Wissen über Energie
- Lokale Besonderheiten: Lage des Wohngebäudes, vorhandene Kompensationsmöglichkeiten
Dort, wo alle vier Indikatoren zusammentreffen, ist die Situation besonders prekär: Also bei finanziellen Schwierigkeiten aufgrund von geringem Einkommen und gleichzeitig hohen bzw. steigenden Energiepreisen, prekären Wohnverhältnissen mit schlechtem thermischen Wohnstandard bzw. veralteten Geräteausstattungen und wenig Kompensationsmöglichkeiten, bspw. aufgrund von fehlendem Wissen oder schlechter Gebäudelage.
Dabei zeigt sich: Um Energiearmut nachhaltig und umfassend zu bekämpfen, braucht es tiefgreifende und vor allem strukturelle Maßnahmen. Umfassende Konzepte sowohl im sozialpolitischen als auch energiepolitischen Bereich sind notwendig. Und es braucht auch ein „Zusammendenken“ dieser beiden Politikbereiche. Denn die Betroffenheit von Energiearmut ist eben nicht allein auf Einkommensarmut reduzierbar, sondern umfasst die genannten Einflussfaktoren. Finanzielle Transfers können bei verschiedenen Haushalten (stark) unterschiedliche Auswirkungen haben, abhängig davon, wie beispielsweise die Energieeffizienz des Gebäudes beschaffen ist. (Leben armutsbetroffene Haushalte in thermisch effizienteren Gebäuden, müssen sie automatisch weniger Geld fürs Heizen ausgeben – leider ist gerade das häufig nicht der Fall.) Daher müssen immer auch energiepolitische Maßnahmen, wie z. B. thermische Sanierungen, in einen Maßnahmenkatalog mitaufgenommen werden, um, wie im genannten Beispiel, Haushalte mit geringem Einkommen explizit zu unterstützen.
Energiearmut bekämpfen und gleichzeitig die Energiewende vorantreiben – Status Quo
Aufgrund der Komplexität von Energiearmut ist auch die statistische Erhebung nach wie vor schwierig. Eine kürzlich von der Statistik Austria veröffentlichte Studie nähert sich dem Phänomen an und analysiert anhand von zwei Energiearmutsindikatoren und weiteren soziodemografischen Merkmalen die Betroffenheit in Österreich. Der Fokus liegt dabei auf hohen Energiekosten und der Nicht-Leistbarkeit von Heizungsenergie. Die Ergebnisse beziehen sich auf die Zeit vor der Energiekrise, konkret auf die Jahre 2020 und 2021. Dabei zeigt sich, dass 123.000 Haushalte durch sehr hohe Energiekosten belastet waren und rund 81.000 Haushalte ihre Wohnungen nicht warmhalten konnten. Neueste Daten auf Quartalsbasis zeigen eine besorgniserregende Tendenz: Im 4. Quartal 2021 gaben bereits 6,6 Prozent der österreichischen Haushalte an, nicht mehr angemessen heizen zu können; im 2. Quartal 2022 waren es bereits 9,2 Prozent! Demnach konnten knapp 750.000 Menschen ihre Wohnung in Österreich nicht entsprechend warmhalten – und dies noch vor dem heurigen Winter.
Aktuell wird in Österreich hauptsächlich Symptombehandlung durchgeführt, statt die Ursachen direkt zu bekämpfen. Es werden zwar Einmal-Zahlungen zur Unterstützung für Energieabrechnung geleistet, klassisches Beispiel hierfür sind die Heizkostenzuschüsse der Bundesländer, das zu Grunde liegende Problem wird dadurch allerdings nicht behoben. Auch neu eingeführte Maßnahmen, wie die seit Dezember 2022 gültige Stromkostenbremse, entlasten zwar die Haushaltsbudgets und machen angesichts der derzeitigen Teuerungen auch Sinn, leisten aber keinen Beitrag zu den notwendigen strukturellen Verbesserungen. Auch bereits vorhandene Sanierungsmaßnahmen, die sich explizit an einkommensschwache Haushalte richten, wie bspw. die „Sauber heizen für alle“-Initiative 2022, sind in keinen größeren strategischen Rahmen eingebettet. Dies muss sich dringend ändern, um tatsächlich nachhaltig, effektiv und effizient wirken zu können. Zur Reduktion der Energiearmut braucht es Konzepte für die Vereinbarkeit der Energiewende und leistbarer Energie. Diese fehlen derzeit jedoch gänzlich.
Der Weg zur nachhaltigen Bekämpfung von Energiearmut: Maßnahmen und Konzepte zur leistbaren Energie
Es stellt sich daher die Frage, wie ein umfassender und strategisch eingebetteter Maßnahmenkatalog aussehen kann. In Anlehnung an die vier Dimensionen von Energiearmut und auf Basis von Expert:inneninterviews wurde die in der Grafik dargestellte Klassifizierung entwickelt. Sie beinhaltet strukturelle, finanzielle, technische und soziale Faktoren: