Österreichischen Haushalten droht wegen der Rekordpreise bei Strom und Gas ein schwieriger Herbst und Winter. Weil der Markt nicht funktioniert, muss der Staat eine leistbare Energieversorgung durch einen Preisdeckel sicherstellen. Grundsätzlich gilt: Die volkswirtschaftlichen Kosten des weitgehenden Fehlens von preisregulierenden Markteingriffen sind bereits jetzt enorm. Insbesondere Energiepreise stehen am Beginn der Wirkungskette eines Inflationsaufbaus, der sich kaskadenartig auf immer mehr Güter und Dienstleistungen ausbreitet. Marktgläubige Ökonom:innen und Politik verhindern noch, dass diese Spirale durchbrochen wird. Ein Energiepreisdeckel für Haushalte ist dabei eine der notwendigen preisregulierenden Maßnahmen.
Bei Preissteigerungen kein Ende abzusehen – immer mehr Haushalte mit hohen Rechnungen konfrontiert
Bereits Anfang September 2021 waren Preisanstiege bei Energie zu beobachten. Seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine sind Preise für Gas und Strom auf ein Rekordniveau geklettert. Gegenwärtig ist der Großhandelspreis für Strom im Vergleich zum August des Vorjahres 2021 um 247 Prozent höher, der Großhandelspreis für Gas stieg gegenüber August 2021 um 323 Prozent. In der Folge sind auch zunehmend die Verbraucher:innen mit Preissteigerungen konfrontiert. Einige Energieversorger kündigen einseitig ihren Kund:innen ihre Verträge oder nehmen Tarifanpassungen vor. Schätzungen gehen von einer Verdoppelung bzw. Verdreifachung der Strom- und Gaspreise für Haushalte ab Herbst aus. Damit droht ein schwieriger Herbst und Winter für die breite Masse der Menschen in Österreich, und ein Eingreifen der Politik ist das Gebot der Stunde.
Markt funktioniert nicht
Die Zunft der an althergebrachten Modellen geschulten Ökonom:innen hält aber an ihren simplen Dogmen fest: Preiskontrollen würden die Signalfunktion hoher Preise für Güter, die eben knapp seien, außer Kraft setzen. Das Credo: Würde man aber die Preise ansteigen lassen, würden neue Anbieter in den Markt drängen, die dann ohnehin wieder die Preise nach unten drücken würden. Das Problem: Der hier beschriebene effiziente Marktmechanismus existiert nicht, und schon gar nicht im Energiesektor.
Der Energie- und insbesondere der Gassektor ist ein besonders extremes Beispiel für einen nicht effizienten Markt. Er ist gekennzeichnet durch ein oligopolistisches Preissetzungsverhalten, spekulative Übertreibungen, ein Strommarktdesign der EU, das angesichts steigender Gaspreise auch die Strompreise in schwindelerregende Höhen treibt. Die Ineffizienzen des Marktes treten in Anbetracht der kriegsbedingten Energieverknappung bzw. -preiserhöhung besonders offen zutage.
In der derzeitigen Situation sind die volkswirtschaftlichen Kosten des weitgehenden Fehlens von preisregulierenden Markteingriffen enorm. Energiepreise stehen am Beginn der Wirkungskette eines Inflationsaufbaus, der sich kaskadenartig auf immer mehr Güter und Dienstleistungen ausbreitet. Im Windschatten steigender Inflation und eines nicht funktionierenden Wettbewerbs werden Preise willkürlich immer höher gesetzt. Die unheilvolle Allianz von marktgläubigen Ökonom:innen, marktdominanten Unternehmen und Politik verhindert, dass diese Spirale durchbrochen wird.
Regierung setzt bislang auf Einmalzahlungen und Zuschüsse
Auf die rasant steigenden Preise und die damit verbundene Belastung der breiten Bevölkerung wird in Österreich fast ausschließlich mit Einmalzahlungen und Steuererleichterungen reagiert. Diese kommen zu spät und können die Teuerung bei Weitem nicht ausgleichen.
Nach monatelanger Zurückweisung jeglicher preisdämpfender Maßnahmen hat nun die Bundesregierung doch angekündigt, ein Modell für eine „Strompreisbremse“ für Haushalte umsetzen zu wollen. Die Idee eines Energiepreisdeckels für Haushalte ist keineswegs neu. So haben die Ökonom:innen Isabella Weber und Sebastian Dullien bereits Anfang des Jahres 2022 vorgeschlagen, mit einem Gaspreisdeckel für Haushalte die Inflation zu bremsen. Einige Länder in Europa, wie z. B. Frankreich, Norwegen, Malta oder Griechenland haben einen Energiepreisdeckel für Haushalte bereits eingeführt. Details zum in Aussicht gestellten Modell sind nicht bekannt und sollen erst erarbeitet werden. WIFO-Direktor Gabriel Felbermayr ventilierte Mitte Juli verschiedenste Ideen. Einen Preisdeckel lehnte er damals dezidiert ab. Eine Idee war, 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs an Strom als Freistrom zu vergeben. Dieses Modell ist jedoch mit hohem administrativem Aufwand verbunden. Die Orientierung am Vorjahresverbrauch begünstigt zudem jene, die im Vorjahr viel Energie verbraucht haben. Und zuletzt: Der Gaspreis wird nicht gedeckelt, d. h. die eine Million Haushalte, die überwiegend nicht kurzfristig auf andere Energieträger umsteigen können, zahlen den immer höher werdenden Gaspreis.
Auch die niederösterreichische Landesregierung preschte mit einem Zuschussmodell für Strom vor, wobei 80 Prozent des Durchschnittsverbrauchs subventioniert werden sollen. Dieses Modell ist ebenso administrativ aufwendig und schafft de facto keinen Anreiz zum Energiesparen. Aber auch hier wird auf die Menschen, die mit Gas heizen und nicht rasch auf andere Energieträger umrüsten können, vergessen. Das sind viele, denn immerhin 30 Prozent der Niederösterreicher:innen heizen mit Gas.
Energiepreisdeckel für Haushalte – das ÖGB-Modell
Mitte Juli hat der ÖGB ein Modell vorgelegt, das folgende fünf Ziele verfolgt:
a) Der Grundbedarf an Energie (Strom, Gas, Fernwärme) soll für alle leistbar sein,
b) es soll Anreize zum Sparen beinhalten,
c) die Energiekonzerne tragen die Kosten,
d) es soll einfach administrierbar und damit rasch umsetzbar sein und
e) einen inflationsdämpfenden Effekt haben.
Nach dem ÖGB-Modell soll der Preisanstieg bei privaten Haushalten für ihren jeweiligen Hauptwohnsitz vorübergehend mit einem Preisdeckel für einen Grundbedarf von Strom, Gas und Fernwärme gedämpft werden. Alles, was darüber hinaus an Energie verbraucht wird, obliegt den Marktpreisen. Durch die Deckelung des Grundbedarfs und nicht des gesamten Energieverbrauches ist ein Anreiz zum Energiesparen gegeben.
Das WIFO selbst kommt in seinem jüngsten Research-Brief zum Schluss, dass ein Modell, das ähnliche Kriterien wie jenes des ÖGB erfüllt, eine der besten Optionen wäre.
Preis für den Grundbedarf: bei Strom nicht mehr als 600 Euro, bei Gas nicht mehr als 784 Euro
Strom: Der durchschnittliche Stromverbrauch eines 2-Personen-Haushaltes liegt bei ca. 3.000 kWh. Dieser Verbrauch wird als Grundbedarf herangezogen. Ausgehend vom Preisniveau vom Jänner 2022 wären 20 Cent pro kWh (inklusive Steuern und Netzgebühren) festzulegen. Dieser Strompreis liegt etwas über dem Vorkrisenniveau, aber doch deutlich unter den zu erwartenden weiter steigenden Strompreisen im Herbst. Damit wäre die Jahresstromrechnung für einen Grundbedarf von 3.000 kWh mit maximal 600 Euro brutto begrenzt.
Gas: In Österreich verbrauchen Haushalte laut E-Control im Schnitt 7.000 bis 15.000 kWh Gas im Jahr. Dieser Gasverbrauch entspricht einer Wohnung von 50 bis 100 m2. Als Grundbedarf wird der durchschnittliche Gasverbrauch für eine 70-m2-Wohnung herangezogen. Dies entspricht laut E-Control einem Durchschnittsverbrauch von jährlich 9.800 kWh. Dabei wären – inkl. Steuern und Netzgebühren – 8 Cent als Preisobergrenze festzulegen. Die jährliche Gasrechnung für einen Grundbedarf von 9.800 kWh darf somit maximal 784 Euro betragen.
Weiters muss der zusätzliche Verbrauch für Wärmepumpen bzw. strombasierte Heizungssysteme ebenso gedeckelt werden. „Floating-Verträge“ müssen außer Kraft gesetzt werden, ebenso Verträge mit variablen Tarifen. Weiters soll die gängige Praxis verboten werden, bestehende Verträge mit Fixpreis zu kündigen.
Finanzierung durch eine Übergewinnsteuer – die Arbeitnehmer:innen dürfen nicht zur Kassa gebeten werden
Die Differenz des gedeckelten Preises zum Erzeuger- bzw. Einkaufspreis muss mit öffentlichen Kompensationen ausgeglichen werden, sonst drohen Insolvenzen. Diese Subventionierung der Energieversorger braucht jedoch eine Obergrenze. Der Erhalt einer Kompensation ist an bestimmte Bedingungen zu knüpfen, wie die Offenlegung der internen Kostenstrukturen, insbesondere der Einkaufspreise für Energie, ein Dividendenausschüttungsverbot sowie ein Verbot der Auszahlung von Boni an Top-Manager:innen.
Zur Finanzierung des allgemeinen Energiepreisdeckels sind krisenbedingte Übergewinne (die bisher angefallen sind und noch anfallen werden) durch eine Gewinnsteuer abzuschöpfen. Einige Länder wie beispielsweise Italien haben so eine schon eingeführt. Nach konservativer Schätzung ist in Österreich mit Übergewinnen von 5,4 Mrd. Euro in diesem Jahr zu rechnen. Geschieht dies nicht, fließt Steuergeld direkt an die privaten und staatlichen Aktionäre und Eigentümer von Energieunternehmen.