Die multiplen Krisen unserer Zeit lassen sich in einem wachstumszentrierten ökonomischen System nicht bewältigen. Es braucht daher eine sozial-ökologische Transformation in Richtung einer Postwachstumsgesellschaft. Zentrale Bedingung hierfür ist die wachstumsunabhängige Gestaltung des Wohlfahrtsstaates als elementare Institution für eine „Just Transition“. Um den Wohlfahrtsstaat fit für die Postwachstumsgesellschaft zu machen, ist eine Restrukturierung der Finanzierung nötig. Hierbei muss die Besteuerung von Kapital und Vermögen in den Mittelpunkt gestellt und der Faktor Arbeit grundlegend entlastet werden.
Sozial-ökologische Transformation in Richtung einer Postwachstumsgesellschaft
Wie kann ein gutes Leben für alle innerhalb planetarer Grenzen gewährleistet werden? Dies ist wohl die drängendste Frage des 21. Jahrhunderts. Denn Länder, die – wie Österreich – bei sozioökonomischen Indikatoren im globalen Vergleich gut abschneiden, tun dies auf Basis eines nicht mit planetaren Grenzen zu vereinbarenden Niveaus an Umweltbelastungen. Um diese sozial-ökologische Herausforderung zu bewältigen, wird nichts Geringeres als eine grundlegende Transformation unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystems vonnöten sein. Zunehmend wird jedoch klar, dass sich gängige Lösungsstrategien – allen voran jene des „grünen Wachstums“ – als ökologisch unzureichend erweisen. Vielmehr braucht es eine Überwindung des ökologisch und sozial destruktiven Wachstumszwangs; es braucht eine Transformation in Richtung einer Postwachstumsgesellschaft.
Zentrales Anliegen einer Postwachstumsgesellschaft ist die sozial gerechte Steigerung individuellen Wohlbefindens im Rahmen ökologischer Grenzen. Neben einem multidimensionalen Wohlstandsbegriff braucht es hierfür primär eine Abkehr vom Fokus auf das Wachstum der gesamtwirtschaftlichen Produktion von Gütern und Dienstleistungen, um Ressourcenverbrauch und Umweltbelastungen auf nachhaltige Niveaus zu senken. Eine quantitative Einschränkung der Wirtschaftsleistung kann hierbei nur mit einer begleitenden qualitativen Umstrukturierung der Wirtschaft gelingen. Während nicht nachhaltige Produktions- und Konsumpraktiken rückgebaut werden müssten, sollten sowohl sozial essenzielle (z. B. Bildung und Gesundheit) als auch für die Transformation unerlässliche Bereiche (z. B. erneuerbare Energien und öffentliche Verkehrsmittel) weiter ausgebaut werden.
Gesellschaftliche Wachstumsabhängigkeiten als strukturelles Hindernis
Die Idee einer Postwachstumsgesellschaft sieht sich jedoch mit einer zentralen Herausforderung konfrontiert: Die Stabilität und Funktionalität unserer gesellschaftlichen Institutionen sind derzeit von einer kontinuierlich wachsenden Wirtschaftsleistung abhängig. Bleibt Wirtschaftswachstum aus, folgen soziale und ökonomische Verwerfungen. Zentrales Anliegen und Voraussetzung für eine sozial-ökologische Transformation muss daher die Überwindung struktureller Wachstumsabhängigkeiten sein. Die Reduktion von Wachstumsabhängigkeiten scheint jedoch nicht nur aus einer Postwachstumsperspektive sinnvoll. Denn eine wachstumsunabhängige Gestaltung unserer Institutionen kann deren Krisenresilienz substanziell steigern, indem die negativen sozioökonomischen Auswirkungen von Rezessionen und mittelfristig sinkenden Wachstumsraten besser bewältigbar werden.
Die Wachstumsabhängigkeit des Wohlfahrtsstaates
Auch der Wohlfahrtsstaat ist eine vom Wirtschaftswachstum abhängige Institution. Wenn das gesamtwirtschaftliche Niveau an Produktion, Konsum und Arbeit sinkt, so schrumpfen ebenso staatliche Einnahmen aus Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen. Das Ausbleiben wirtschaftlichen Wachstums führt somit dazu, dass Wohlfahrtsstaaten unter Finanzierungsdruck geraten. Die Wachstumsabhängigkeit des Wohlfahrtsstaates liegt daher in seiner Finanzierungsstruktur begründet. Um einen Rückbau sozialstaatlicher Leistungen im Rahmen einer Postwachstumstransformation zu verhindern, muss die Finanzierung des Wohlfahrtsstaates wachstumsunabhängig gestaltet werden. Dies ist auch insofern essenziell, als der Wohlfahrtsstaat die Transformation durch klimasoziale Politiken unterstützen kann und somit als zentrale Institution für eine „Just Transition“ gesehen werden muss.
Die Finanzierung des österreichischen Wohlfahrtsstaates
Der österreichische Wohlfahrtsstaat umfasst eine Vielzahl an Geld- und Sachleistungen zum Zwecke sozialer Sicherung. Hierbei ist es möglich, die Einnahmen zur Finanzierung dieser wohlfahrtsstaatlichen Leistungen nach vier ökonomischen Quellen zu differenzieren: Arbeit, Konsum, Kapital und Boden. Hierzu werden die Sozialversicherungsbeiträge und Steuern den oben genannten Quellen einzeln zugeordnet und anschließend die Anteile der vier Kategorien an den Gesamteinnahmen errechnet. Basierend auf Daten der Statistik Austria und von Eurostat ergibt sich folgende Finanzierungsstruktur des österreichischen Wohlfahrtsstaates.