Die aktuelle Debatte über die Verhandlungsmacht von Arbeit und Kapital bezieht sich auf Faktoren wie steigende Einkommensungleichheit, das Auseinanderdriften von Löhnen und Produktivität und die geringen Lohnzuwachsraten in den letzten Jahren. Dieser Beitrag fokussiert auf vier Aspekte von Unternehmensmacht, die sowohl das Lohnwachstum als auch den Anteil der Löhne am Volkseinkommen dämpfen und damit die Einkommensungleichheit erhöhen: (1) Steigende Macht der Unternehmen auf Produktmärkten, (2) steigende Macht der Unternehmen auf Arbeitsmärkten, (3) sinkende Macht von ArbeitnehmerInnen und (4) neoliberale Arbeitsmarktpolitik.
Die aktuelle Debatte
In der Ökonomie spielen Annahmen, die nur ungern hinterfragt werden und geradezu zu Glaubenssätzen aufgestiegen sind, eine wichtige Rolle. Eine besonders folgenreiche Annahme ist die Wettbewerbsannahme, also die Annahme, dass auf einem bestimmten Markt funktionierender Wettbewerb herrscht. Diese Annahme erscheint zunächst einigermaßen unkritisch und gerade in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung als eine geradezu logische Annahme. Dadurch rechtfertigen Manager fragwürdige Unternehmensentscheidungen und wirtschaftsnahe Think-Tanks neoliberale Politikrezepte. Kann also gezeigt werden, dass diese Annahme unzutreffend ist, so eröffnet sich Raum für die Gestaltung wirtschaftspolitischer Alternativen, die besser im Einklang mit den Zielen einer sozial und ökologisch nachhaltigen volkswirtschaftlichen Entwicklung stehen.
Das Heft 1/2018 der Zeitschrift Kurswechsel thematisiert die zunehmende Macht von Unternehmen und die damit einhergehende Abnahme von Wettbewerb. So zeigen sich in den letzten Jahren wieder steigende Gewinnaufschläge, nachdem diese in der Krise stark gefallen sind. Gesamtwirtschaftlich ist die Abnahme von Wettbewerb jedenfalls keine gute Nachricht: Weniger Investitionen, weniger Innovationen, weniger Beschäftigung, steigende Ungleichheit und höhere Preise sind einige der möglichen Folgen.
Für den Arbeitsmarkt galt es lange Zeit als weitgehend selbstverständlich, die Wettbewerbsannahme zu treffen. Die von kritischen ÖkonomInnen und Gewerkschaften seit jeher diskutierte Machtasymmetrie zwischen ArbeiterInnen und UnternehmerInnen wurde als lediglich marginale Abweichung vom Idealtyp eingestuft. Tatsächlich wurde in den letzten Jahren die Fragwürdigkeit der Wettbewerbsannahme für Arbeitsmärkte aber immer deutlicher und es fällt immer schwerer die Existenz von Monopsonmacht, d.h. die Macht von Unternehmen, Löhne zu setzen, zu leugnen.
In dieser neuen Debatte über die relative Verhandlungsmacht von Arbeit und Kapital wird angenommen, dass Faktoren wie die steigende Einkommensungleichheit, das Auseinanderdriften von Löhnen und Produktivität und aktuell die geringen Lohnzuwachsraten in den letzten Jahren eine Rolle spielen. Der aktuelle OECD Employment Outlook 2018 behandelt das Puzzle des „wageless growth“, also der Kombination von Wirtschaftswachstum, steigender Beschäftigung und stagnierenden Reallöhnen. So war etwa in der OECD Ende 2017 das Wachstum der Nominallöhne nur halb so hoch wie bei vergleichbaren Arbeitslosenquoten vor der Krise. Auch bei den Reallöhnen lässt sich eine deutlich geringere Wachstumsdynamik als vor der Krise konstatieren: