Österreichs Alten- und Pflegeheime sind derzeit oft in den Schlagzeilen, Hauptthemen dabei sind Covid-Zahlen, Bettensperren oder Besuchseinschränkungen. Die tagtäglichen Leistungen der Beschäftigten werden genauso wenig hervorgehoben wie die veralteten Rahmenbedingungen, die die Arbeit erschweren und letztendlich auch eine Auswirkung auf die Lebensqualität haben. Wer pflegt und betreut und vor allem, wie viel Zeit dafür zur Verfügung steht, hängt immer noch von der Postleitzahl des Heimes ab. Personalberechnungen, die die enormen Leistungen in der Langzeitpflege abbilden, fehlen nach wie vor.
Heime als Lebens- und Arbeitsorte
Rund 77.000 Plätze in knapp 900 Einrichtungen der stationären Langzeitpflege stehen österreichweit zur Verfügung. Für 95.263 Menschen (rund 20 Prozent der Pflegegeldbezieher/-innen) wurde das Heim zum Lebensort. 2020 arbeiteten 43.221 Menschen (36.558 Personaleinheiten) direkt in der Betreuung und Pflege. Sie leisten wertvolle Arbeit und das 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Nicht selten stoßen sie aber an persönliche Grenzen bzw. zahlen einen hohen Preis – ihre eigene Gesundheit.
Beschäftigte arbeiten am Limit
„Wir laufen einen Marathon mit dem Tempo eines Sprints“ (Fachsozialbetreuer, OÖ), bei den Belastungen belegen Menschen in der Pflege negative Spitzenplätze. Laufende Be- und Überlastung, verbunden mit fehlender Anerkennung durch die Politik, führen dazu, dass immer mehr Menschen daran denken, ihren Beruf zu verlassen. 65 Prozent der Pflegebeschäftigten halten es für unwahrscheinlich, den Beruf bis zur Pension auszuüben. Die Handlungsfelder sind seit langem bekannt. Umfangreiche Erhebungen am Arbeitsplatz zeigen auf, das Menschschein ist zum Nebenschauplatz am Arbeitsplatz Heim geworden. Die letzten Bundesregierungen kündigten an, eine umfassende Pflegereform zu starten. Im Februar 2021 wurde der Bericht der Taskforce Pflege (im Auftrag des Pflegeministeriums) präsentiert. Ein Maßnahmenvorschlag dabei: das Erarbeiten einheitlicher Rahmenvorgaben für Personalbedarfsberechnungen mit dem Ziel einer qualitätsvolleren Pflege und Betreuung sowie Entlastung der Pflege‐ und Betreuungskräfte. Konkrete Umsetzungsschritte dazu fehlen derzeit.
Pflegen 2022 mit Personalvorgaben aus den 1990er-Jahren
Nicht erst Covid-19 hat gezeigt, wie wichtig die professionelle Pflege und Betreuung in der stationären Langzeitpflege ist. Pflege ist vor allem auch Emotions- und Beziehungsarbeit. 70 Prozent der Tätigkeiten sind laut einer Studie der Universität Innsbruck mit Kommunikation verbunden. Dieses Ergebnis ist nicht verwunderlich, zählt doch die Langzeitpflege zu einem Dienstleistungsbereich, in dem die qualitätsvolle Pflege und Betreuung stark von der Beziehung zwischen Bewohner/-in und Pfleger/-in abhängt. Genauso wichtig ist in diesem Zusammenhang die Kommunikation mit Angehörigen und den Kollegen/-innen. Ohne ausreichende Zeitressourcen für professionelle Kommunikation und Beziehungsarbeit kommt es immer wieder zur Ablehnung der Hilfe und in der Folge häufig auch zu Widerstand in Form von aggressivem bis zu gewalttätigem Verhalten. Bewohnervertretung und Volksanwaltschaft weisen seit Jahren darauf hin, dass durch knappe Personalbesetzungen auf Dauer das Wohl der Bewohner/-innen gefährdet ist.
Verantwortlich für die Personalberechnungsvorgaben sind die Länder. Neun unterschiedliche Vorgaben schaffen die (rechtliche) Basis zum Personaleinsatz in den Heimen. Wie viele Pfleger/-innen im Einsatz sind, und welche Qualifikation sie mitbringen, hängt somit oft mit der Postleitzahl zusammen, in dem das Heim steht und weniger mit den tatsächlichen Bedarfen der Bewohner/-innen und Beschäftigten. Eine Vielzahl an Berechnungsmodellen, oft gekoppelt an die Pflegegeldeinstufung, stellt meist den medizinischen Fokus in den Mittelpunkt.