Die alternde Gesellschaft und ihre Folgen gelten wegen der damit verbunden Kosten für die öffentliche Hand (insbesondere die Pensionsaufwendungen) als eine große fiskalische Herausforderung in den nächsten Jahrzehnten. Im Blickpunkt steht dabei meist der „demografische Wandel“ dh das veränderte Verhältnis der einzelnen Alterskohorten zueinander. Dieser wird in einem umlagefinanzierten Pensionssystem, wie auch das österreichische eines ist, primär für den steigenden Steueranteil in der Pensionsfinanzierung verantwortlich gemacht. Hat doch eine unter Umständen kleiner werdende Gruppe Erwerbstätiger eine immer größere und länger lebende Gruppe von PensionsbezieherInnen zu finanzieren. Folglich werden Verteilungsprobleme zwischen Jung und Alt als das zentrale gesellschaftliche Konfliktpotenzial konstruiert. Tatsächlich werden damit mindestens ebenso wichtige Faktoren außer Acht gelassen.
Demografie ist nur ein Faktor
Der Ruf nach mehr „Generationengerechtigkeit“ gehört in Politik und Ökonomie daher mittlerweile zu den Standardargumenten. Hand in Hand werden Einschnitte bei den Pensionen verlangt und Kürzungen propagiert, die in aller Regel primär die Pensionen der heute Jüngeren treffen würden. Die Einengung des Gerechtigkeitsdiskurses auf die Generationenfrage überlagert damit nicht nur andere Verteilungskonflikte, sondern lässt lediglich monokausale Schlüsse über die Nachhaltigkeit unseres Pensionssystems zu. Die bewusst so gewählte oberflächliche Analyse greift zu kurz, wichtige Faktoren werden außer Acht und Forderungen nach Pensionskürzungen als Sachzwänge präsentiert.
Demografischen Verschiebungen sagen viel weniger aus als oft behauptet. Die immer wieder auftauchende Gleichsetzung der Zahl der Menschen im Erwerbsalter mit der Zahl der Erwerbstätigen ist unsinnig und irreführend. Damit wird der Blick auf das Wesentliche bzw die zentrale Aufgabe, der möglichst guten Erwerbsintegration der Menschen im Erwerbsalter verstellt.
Darüber hinaus werden grundsätzlichen Wesensmerkmale der Alterssicherung und der eigentliche Verteilungskonflikt ausgeblendet. Denn jedes Pensionssystem stellt einen Transfermechanismus von den am Wertschöpfungsprozess beteiligten Erwerbstätigen zu den Inaktiven dar. Die ausschlaggebende Komponente für die Finanzierung der Alterssicherung ist damit die Wertschöpfung, deren Wachstum und Verteilung. Je größer das Volkseinkommen – und damit das Einkommen der Aktiven – umso größer ist auch der Spielraum, Teile dieses erwirtschafteten Wohlstandes an PensionistInnen weiter zu geben und die Folgen des demografischen Wandels abzufedern.
Mehr Beschäftigung – mehr BeitragszahlerInnen
In Österreich wird das öffentliche Pensionssystem zum größten Teil über Sozialversicherungsbeiträge finanziert. Für das Pensionssystem der unselbständig Beschäftigten (ASVG) bedeutet das folglich, dass deren Entgelte und ihre Entwicklung zur Schlüsselgröße werden. Da die Pensionsversicherungsbeiträge als fixer Anteil der Löhne und Gehälter berechnet werden, ist ihr Wachstum für die Dynamik des Beitragsaufkommens entscheidend. Ausschlaggebend dafür sind wiederum die Entwicklungen am Arbeitsmarkt. Je höher das Beschäftigungsniveau, umso höher ist die Zahl der BeitragszahlerInnen.
Mindestens genauso wichtig ist allerdings auch die Entlohnung der unselbständig Erwerbstätigen am Wertschöpfungsprozess. Die Lohnquote dient dabei als Maßstab für den Einkommensanteil der ArbeitnehmerInnen an der gesamtgesellschaftlichen Wertschöpfung. Kommt es zu Verschiebungen der Entlohnung der Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit so betrifft dies unmittelbar auch das Sozialversicherungssystem, und damit auch die Nachhaltigkeit des Pensionssystems.
Das Stück vom Kuchen wird kleiner
Die Lohnquote ist in Österreich – sowohl unbereinigt, als auch um die Beschäftigungsstruktur bereinigt – seit Anfang der 1980er Jahre bis vor der Wirtschafts- und Finanzkrise kontinuierlich gesunken und hat damit die Finanzierungsbasis der Altersversorgung substantiell geschmälert. Die Gründe für ihr Sinken sind vielfältig. Vor allem die steigenden Arbeitslosenzahlen wirken sich negativ auf die Entwicklung der Lohnquote aus. Eine große Rolle dürfte auch die Öffnung der österreichischen Volkswirtschaft spielen. Der gestiegene, internationale Wettbewerbsdruck schwächte – neben den gestiegenen Arbeitslosenzahlen – die Verhandlungsposition der Gewerkschaften in den letzten Jahrzehnten zusätzlich. Die zunehmende Exportorientierung der europäischen Wirtschaftspolitik gefährdet jene Lohnleitlinie, nach der beide Produktionsfaktoren – Arbeit und Kapital – gleichermaßen am Produktivitätsfortschritt partizipieren können.
Der Anstieg in den Krisenjahren kann über die Sensitivität der Lohnquote gegenüber Konjunkturschwankungen erklärt werden. Da Löhne und Gehälter sowie Beschäftigung zeitverzögert auf die Wirtschaftsentwicklung reagieren, Gewinne hingegen sehr rasch, ergibt sich dieser Effekt durch unterschiedliche Geschwindigkeiten in der Anpassung.
Auswirkungen auf die Beitragsgrundlage
Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte schmälerte nicht nur die Einkommensverhältnisse der unselbständigen Erwerbstätigen, sondern verringerte auch die Finanzierungsbasis für die Sozialversicherung. Denn diese setzt sich aus den Beitragsgrundlagen aller ASVG-Versicherten zusammen. Sinkt also die Lohnquote so geht auch die Finanzierungsbasis zurück.
Gedämpft wurde dieser Effekt zum einen dadurch, dass seit 1997 immer weniger öffentlich Bedienstete pragmatisiert wurden. Der Anteil der BeamtInnen am Gesamtpersonal des Bundes sank durch entsprechende Maßnahmen von 66,2 Prozent im Jahr 2003 auf 57,8 Prozent im Jahr 2013. Dies führte dies zu immer mehr ASVG Versicherte und im Gegenzug immer weniger BeamtInnen(die nicht im Rahmen des ASVG pensionsversichert sind).
Abbildung 1: Entwicklung der Bruttolöhne und Gehälter und Beitragsgrundlage anteilig am Nettoinlandsprodukt