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BIP-Deflator wäre keine gute Grundlage für Lohnverhandlungen
Von manchen Stimmen wurde in der wirtschaftspolitischen Debatte der vergangenen Monate die Forderung erhoben, den BIP-Deflator statt der rollierenden Inflation (gemessen mit dem Verbraucherpreisindex) als Grundlage für Lohnverhandlungen zu verwenden. Der Deflator des Bruttoinlandsprodukts (oder bei quartalsweiser Berechnung der Wertschöpfungs-Deflator) misst die „hausgemachten“ Preissteigerungen in der Produktion, die im Rahmen der österreichischen Wertschöpfung entstehen. Sämtliche importierte Vorleistungen, wie Rohöl- oder Gasimporte, gehen nicht in die österreichische Wertschöpfung ein und werden daher auch nicht berücksichtigt. Dafür sind aber auch Preissteigerungen von exportierten Gütern, die in Österreich produziert werden, im BIP-Deflator enthalten.
Der Verbraucherpreisindex (VPI) hingegen berücksichtigt das gesamte Konsumverhalten der im Inland wohnenden Verbraucher:innen. Dazu gehören auch Ausgaben für Erdgas, Heizöl, Benzin, Diesel usw. Wenn der Kaufkrafterhalt im Vordergrund stehen soll, dann ist der VPI das Maß der Dinge. In normalen Zeiten entwickeln sich der BIP-Deflator und der VPI sehr ähnlich. Bei einem Energiepreisschock wie im vergangenen Jahr steigt der VPI jedoch schneller als der BIP-Deflator. Ähnlich der Kerninflation sind rasch steigende importierte Energiepreise im BIP-Deflator nicht enthalten. Die sinkenden Energiepreise 2023 und 2024 wiederum verbessern die Terms of Trade, d. h., dass Österreich für Importpreise im Verhältnis zu den Exportpreisen wieder weniger zahlen muss.
Für die Lohnverhandlungen ist der BIP-Deflator zudem eine sehr schlechte Grundlage, weil er nur quartalsweise verfügbar und sehr revisionsanfällig ist. Endgültige Ergebnisse stehen beim Bruttoinlandsprodukt erst nach mehr als drei Jahren zur Verfügung. Im Gegensatz zum VPI können sich die Preisanstiege beim BIP-Deflator also noch mehrmals auch für die Vergangenheit ändern. Das würde zu großer Unsicherheit bei Lohnverhandlungen für beide Seiten führen. Monatliche Werte für den BIP-Deflator fehlen, Lohnverhandlungen finden aber monatlich statt. Österreichs Lohnverhandlungssystem beruht traditionell auf dem VPI, der monatlich verfügbar ist und nur gering revidiert wird.
Eine Frage der Gerechtigkeit
Die österreichische Industrie steht trotz aktuellem Abschwung gut da. Die Industrieproduktion ist 20,3 Prozent über dem Niveau von 2015 (zum Vergleich: die deutsche Industrieproduktion liegt 5,2 Prozent unter dem Niveau von 2015), die Investitionsneigung heimischer Unternehmen ist hoch. Auch die Beschäftigtenzahlen in der Industrie schauen aktuell noch gut aus. Die im ATX notierten österreichischen Metallkonzerne berichteten für 2022 ein Rekordjahr, ein Rückgang heuer muss also mit dem starken Anstieg der letzten beiden Jahre relativiert werden. 2022 haben die Gewerkschaften auf Basis der niedrigen rollierenden Inflation der Vergangenheit abgeschlossen. Nun ist es eine Frage der Gerechtigkeit, die aktuell höhere rollierende Inflation als Basis der Lohnverhandlungen heranzuziehen. Alles andere bedeutet anhaltende Reallohn- und Wohlstandsverluste für die breite Masse, für manche sogar massive Armutsgefährdung.
Der Abschluss der Metaller:innen in der Herbstlohnrunde setzt den Maßstab für die nachfolgenden Verhandlungen. Gerade in Branchen wie der Pflege, der Reinigung, dem Bildungs- und Sozialbereich sind hohe Lohnabschlüsse wichtig, um die Leistungen der Systemerhalter:innen in den Krisen der vergangenen drei Jahre anzuerkennen und fair zu entlohnen, aber auch um diese Berufe attraktiv für Neueinsteiger:innen zu machen.
Öffentliche Klimainvestitionen stützen schwächelnde Branchen
Eine rasche und weitgehende Erhöhung der öffentlichen Klimainvestitionen ist vor allem angesichts der Klimakrise unumgänglich. Die Treibhausgasemissionen sinken laut WIFO-Prognose derzeit nur in einem bedenklich langsamen Tempo (2023: -2,4 Prozent; 2024: -0,6 Prozent). Um die Klimaneutralität zu erreichen, sind massive zusätzliche Anstrengungen notwendig.
Die Bundesregierung muss mit gutem Beispiel vorangehen. Nach Berechnungen der TU Wien in Kooperation mit dem Umweltbundesamt beläuft sich das Potenzial an zusätzlichen öffentlichen Investitionen auf 87 Mrd. Euro bis 2030. Darunter fallen Investitionen in den Ausbau des ÖPNV, nachhaltige Renovierungen von öffentlichen Gebäuden, die Redimensionierung von Straßen oder der Ausbau erneuerbarer Energieanlagen, -netze und -speicher. Diese Investitionen führen zu Einsparungen von Energiekosten, verringerten Straf- und Kompensationszahlungen bei Verfehlung der Klimaziele und zu gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfungseffekten. Die langfristigen Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte könnten unterm Strich somit sogar positiv sein.
Gleichzeitig stützen öffentliche Klimainvestitionen genau die Branchen, die derzeit schwächeln: die Industrie und Baubranche. Eine öffentliche Investitionsoffensive wäre zudem eine gute Gelegenheit, begleitend niedrig qualifizierte Beschäftigte weiterzubilden. Dadurch können in Zeiten von Arbeitskräfteknappheit Arbeitnehmer:innen in Industrie und Bauwirtschaft in produktivere und besser zahlende Unternehmen wechseln, während gleichzeitig Fachkräfte für zukunftsfitte Branchen ausgebildet werden.
Fazit
Öffentliche Klimainvestitionen bewirken positive Effekte für die schwächelnde Industrie und Baubranche und sind im Kampf gegen die Klimakrise unbedingt notwendig. Zudem können Beschäftigte vom Wechsel in zukunftsfitte Branchen profitieren und Qualifizierungsmaßnahmen mit konkreten Perspektiven verbunden werden – gerade auch für arbeitslose Personen.
Ein Kaufkrafterhalt bei den aktuellen Lohnverhandlungen stabilisiert die Konjunktur ebenfalls, für die Arbeitnehmer:innen geht es allerdings auch um eine gerechte Verteilung der Krisenkosten. Während die Arbeitnehmer:innen vergangenes Jahr Reallohnverluste erlitten haben, haben einzelne Branchen mit Rekordprofiten die Inflation angeheizt. Die Unternehmen können es sich leisten, ihre Profite zugunsten der Arbeitnehmer:innen wieder zu reduzieren.
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