Teilzeit und alternsgerechtes Arbeiten: Sorgearbeit und Gesundheitszustand sind entscheidend

22. Mai 2024

Alternsgerechtes Arbeiten wird vor dem Hintergrund des gegenwärtigen und zukünftigen Arbeitskräftebedarfs sowie der Erhöhung des Pensionsantrittsalters von Frauen zum Schlüsselthema, um möglichst viele Menschen unter guten Bedingungen am Erwerbsleben teilhaben zu lassen. Die Schaffung von altersadäquaten Arbeitsbedingungen wird entscheidend dafür sein, Erwerbspotenziale zu nutzen. Wie der 3. Teil der Blogserie zeigt, ist die Möglichkeit zu Teilzeitbeschäftigung dabei ein wichtiger Hebel.

Ältere Arbeitnehmer:innen, die bereits seit vielen Jahren im Arbeitsprozess sind, sind oftmals von gesundheitlichen (Über-)Belastungen betroffen. Insbesondere bei Frauen haben diese Belastungen nicht nur mit Erwerbsarbeit, sondern auch mit der unbezahlten Sorgearbeit zu tun. Es braucht daher ein umfassendes Verständnis von Gesundheit, das neben der körperlichen auch die psychische Verfasstheit sowie psychosoziale Bedingungen wie soziale Anerkennung und Einbindung in Betrieb und Gesellschaft berücksichtigt.

Frauen arbeiten als „Systemerhalterinnen“ in besonders belastenden Berufen

Frauen sind in Berufen und Branchen mit physisch und psychisch belastenden Arbeitsbedingungen überrepräsentiert. Sie halten durch ihre Tätigkeiten etwa in der Pflege und im Sozialwesen, in der Elementarbildung, im Einzelhandel und in der Reinigung das Land am Laufen. Als „Systemerhalterinnen“ sind sie allerdings häufig unterdurchschnittlich bezahlt und großen Arbeitsbelastungen wie Zeitdruck, belastenden Arbeitszeitbedingungen, etwa Arbeiten in geteilten Schichten, auf Abruf oder zu „Randzeiten“ (frühmorgens, nachts oder am Wochenende), psychischen Belastungen (z. B. Lärm, Umgang mit Kranken oder Menschen in Krisensituationen) oder körperlichen Belastungen (Heben von Patient:innen, einseitige Bewegungsbelastungen u.a.) ausgesetzt. Wenig überraschend ist deshalb, dass sich mehr als 70 Prozent der Beschäftigten in der Alten- und Behindertenbetreuung, zwei Drittel der in der Reinigung Beschäftigten und über 60 Prozent der in den Gesundheitsberufen Beschäftigten über 45 Jahre laut einer Sonderauswertung des Arbeitsklimaindex nicht vorstellen kann, im aktuellen Beruf bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter durchzuhalten.

Doppel- und Mehrfachbelastungen: „Irgendwo reicht es dann“

Andererseits lassen sich die gesundheitlichen Mehrbelastungen von Frauen darauf zurückführen, dass sie neben der Erwerbsarbeit den Großteil der unbezahlten Sorgearbeit in der Familie und im breiteren sozialen Umfeld übernehmen. Konzepte wie die „doppelte Vergesellschaftung der Frau“ versuchen diese soziale Tatsache theoretisch zu erfassen. Auf empirischer Ebene zeigen aktuelle Erhebungsdaten, dass Frauen im Durchschnitt 60 Prozent ihrer Zeit für unbezahlte Arbeit, wie Kinderbetreuung und Hausarbeit, aufwenden (und 40 Prozent für Erwerbsarbeit), während Männer zwei Drittel ihrer Zeit für Erwerbsarbeit und ein Drittel für unbezahlte Arbeit verwenden. Sobald Kinder im Haushalt sind, vergrößert sich der Care-Gap weiter. Im Laufe des Lebens verändert sich nur wenig an der geschlechtsspezifischen Verteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit: Am höchsten ist die Differenz in der Altersgruppe zwischen 30 und 39 Jahren, d. h. in der Familiengründungsphase. Danach verringert sich der Care-Gap etwas, um in der Zeit des Pensionsantritts im Alter von 60 bis 64 Jahren bei den Frauen nochmals anzusteigen.

Frauen aller Altersgruppen nehmen Sorgearbeit häufiger als Männer als belastend oder unangenehm wahr. Das liegt daran, dass nicht nur der größte Teil der faktischen Arbeit bei ihnen liegt, sondern auch, dass sie zusätzlich häufig noch hauptverantwortlich für das Planen, Organisieren und Managen der Familienarbeit sind. Dies gilt besonders für die zeit- und planungsaufwändigen sowie immer wiederkehrenden Alltagstätigkeiten wie Essen und Bekleidung zur Verfügung stellen, Arzttermine organisieren oder mit dem Kindergarten oder der Schule kommunizieren. Das ständige Vereinbaren der Erwerbs- und Sorgearbeit selbst stellt eine Belastung dar. Dieser „Mental Load“ kann ebenfalls zu gesundheitlichen Belastungen bis zu Burn-out oder Depressionen führen. So ist es wenig überraschend, dass Frauen von gesundheitlichen Einschränkungen und Belastungen stärker betroffen sind als Männer. Zwar leben Frauen länger als Männer, sie verbringen aber weniger Jahre in guter Gesundheit.

Den Druck gesellschaftlicher und familiärer Erwartungen zur Übernahme von Sorgearbeit bei gleichzeitigem Fehlen institutioneller Sorgestrukturen (Pflege, Kinderbetreuung) bringt eine für eine Studie interviewte Frau auf den Punkt:

„Ich denke, als Frau hast du ja nicht nur die Arbeit, sondern wirklich ja teilweise Dreifachbelastungen, du musst den Haushalt machen, du hast die Kindererziehung, du hast oft Angehörige: Irgendwo reicht es dann. (…) Irgendwann auch die Enkel, wenn dann irgendwas ist, dass man da unterstützen kann.“ (Befragte in der Pflege)

Ältere Arbeitnehmerinnen: Prekäre Arbeitsbedingungen und gesundheitliche Belastungen

Wie nehmen ältere Arbeitnehmerinnen ihre Arbeitsbedingungen und -anforderungen wahr? Eine Studie zeigt, dass Frauen in Branchen wie Pflege und Einzelhandel die Jahre vor dem Regelpensionsantrittsalter als besonders belastend wahrnehmen oder sie bereits gesundheitliche Einschränkungen haben, die eine Erwerbstätigkeit bis zum regulären Pensionsantrittsalter erschweren oder verunmöglichen, wie folgende Zitate zeigen:

„Das ist schon dieses Zusammenreißen, du darfst nicht krank sein […] und da habe ich schon zu meinem Mann gesagt, da habe ich schon Bedenken gehabt, noch länger zu arbeiten, weil ich habe gesagt, irgendwann wird das dann nicht mehr gehen.“ (Befragte in der Pflege)

„(…) also ich kann es mir nicht vorstellen, bis 63 zu arbeiten, ich kann mir das nicht vorstellen, weil ich habe gesagt, ich möchte nicht als Wrack in die Pension gehen.“ (Befragte in der Pflege)

Ältere Beschäftigte: Arbeiten ja, aber in Teilzeit

In der statistischen Erhebung von Arbeitszeitwünschen geraten berufliche Überbelastungen, gerade von älteren Beschäftigten – die sich noch nicht in gesundheitlichen Beeinträchtigungen zeigen – aus dem Blick. Beispielsweise umfasst die Antwortkategorie des Mikrozensus „möchte keine Vollzeit“, wie im Blog Teil 1 ausgeführt, die im öffentlichen Diskurs oft als Wunsch nach mehr Freizeit gedeutet wird, auch den Wunsch nach Altersteilzeit oder nach Teilzeitarbeit in der Pension. Motive für Arbeitszeitreduktion sind tatsächlich aber häufig gesundheitsbezogene. Ein Teil der älteren Arbeitnehmer:innen sehen Teilzeitarbeit als Möglichkeit, Druck und Belastungen der Erwerbsarbeit besser zu bewältigen. Ein geringeres Erwerbsausmaß bietet mehr Zeit für Erholung, Regeneration oder Gesundheitsprävention. Die Möglichkeit der Altersteilzeit (kontinuierliche und geblockte Form), bei der die Beschäftigten die Arbeitszeit um 40 bis 50 Prozent reduzieren können, wird von Beschäftigten überwiegend als positiv gesehen. Ihre Inanspruchnahme ist über die Branchen aber sehr ungleich verteilt. Während beispielsweise der Kollektivvertrag im Pflege- und Sozialbereich einen Anspruch auf Altersteilzeit vorsieht, besteht diese Möglichkeit in Branchen wie der Reinigung kaum.

Insgesamt zeigt sich, dass mehr Frauen als Männer Altersteilzeit in Anspruch nehmen, insbesondere in der kontinuierlichen Form. Die Abschaffung der geblockten Variante der Altersteilzeit, bei der in der ersten Hälfte der Zeit die gesamte Arbeitsleistung erbracht wird und die zweite Phase einen Zeitausgleich darstellt, verringert deshalb für einen Teil der Beschäftigten die Möglichkeit, länger im Erwerbsleben zu verbleiben. Vor dem Hintergrund des restriktiven Zugangs zu krankheitsbedingten Pensionen (Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspension) sind Einschränkungen bei der Altersteilzeit kritisch zu sehen. Denn die Reduktion der Erwerbsarbeitszeit wird von Befragten als Möglichkeit gesehen, länger im Erwerbsleben zu verbleiben; beispielsweise äußerten rund ein Drittel der Beschäftigten ab 50 Jahren, die ihren Pensionsantritt noch vor sich haben, den Wunsch, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Für rund ein Viertel der noch Berufstätigen und rund jede zehnte nicht (mehr) erwerbstätige Person hätte eine Arbeitszeitreduktion einen längeren Verbleib in der Erwerbstätigkeit erleichtert.


© A&W Blog


Verringerung des Arbeitskräftemangels durch Erwerbstätigkeit Älterer?

Ältere Arbeitnehmer:innen werden vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Fach- und Arbeitskräftebedarfs immer wieder als mögliche Ressource zur Ausschöpfung des Arbeitskräftepotenzials genannt. Tatsächlich hat sich die Erwerbstätigenquote der 55- bis 64-Jährigen zwischen 2004 und 2023 verdoppelt; sie ist von 27,1 Prozent auf 57,3 Prozent gestiegen. Bei Frauen war der Anstieg (von 18,4 Prozent auf 49,4 Prozent) höher als bei Männern (von 36,6 Prozent auf 65,4 Prozent). Im EU-Vergleich unterdurchschnittlich.

Allerdings will einer aktuellen Umfrage der Statistik Austria zufolge nur ein sehr kleiner Teil (5,6 Prozent) der Nicht-Erwerbspersonen im Alter von 55 bis 74 Jahren eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, in der Gruppe der 55- bis 59-Jährigen sind es immerhin 23,6 Prozent, von denen allerdings nur ein Bruchteil in der Lage ist, innerhalb der nächsten zwei Wochen eine Arbeit aufzunehmen (7,7 Prozent der 60- bis 64-Jährigen und 2,9 Prozent der 65- bis 74-Jährigen).

Fazit: Arbeitsbedingungen alternsgerecht gestalten

Die alternsgerechte Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen ist in Österreich, etwa im Vergleich zu den skandinavischen Staaten, nicht die Priorität, um sicherzustellen, dass Beschäftigte gesund die Pension erreichen, und mehr älteren Arbeitnehmer:innen die Möglichkeit zu geben, ihren Bedürfnissen entsprechend am Arbeitsmarkt teilzunehmen. Die Arbeitszeit ist dabei ein wichtiger Hebel:

  • Altersadäquate Arbeitszeitmodelle (Lage der Arbeitszeit, ausreichende Erholungspausen).
  • Innovative Formen von Arbeitszeitverkürzung, z. B. leichtere Erreichbarkeit der sechsten Urlaubswoche, Anspruch auf 4-Tage-Woche, Freizeitoption in Kollektivverträgen, sowie das Modell der „Familienarbeitszeit“ tragen zur gerechteren Verteilung bezahlter und unbezahlter Arbeit bei.

Weitere Maßnahmen, um Arbeitsbedingungen alternsgerecht zu gestalten:

  • Veränderte Arbeitsorganisation (z. B. Arbeitsintensität verringern, bessere Personalplanung, innovative betriebliche Arbeitszeitmodelle).
  • Betriebliche Gesundheitsangebote müssen bekannt und in der Arbeitszeit nutzbar sein.
  • Berufliche Weiterbildungsmöglichkeiten für ältere Arbeitnehmer:innen.
  • Anpassungen bei der kontinuierlichen Altersteilzeit mit dem Ziel einer leichteren Inanspruchnahme.
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