© A&W Blog
Frauen empfinden in allen Altersgruppen häufiger Zeitdruck als Männer. Besonders betroffen sind jene zwischen 20-39 Jahren, 40 % unter ihnen wünschen sich mehr Zeit für sich selbst zu haben. Das hohe Stressniveau ist auf die oben beschriebene Doppelbelastung durch bezahlte und unbezahlte Arbeit zurückzuführen. Unter Männern ist die am häufigsten mit Stress verbundene Tätigkeit die Erwerbsarbeit, unter Frauen die Haus- und Familienarbeit. Kochen, Reinigen und Einkaufen sind die Aufgaben, wo der empfundene Stress am höchsten ist. Wenig überraschend ist daher, dass die Hausarbeit von besonders vielen Menschen, vor allem von Frauen, als die unangenehmste Tätigkeit des Tages genannt wird.
Stillstand bei der Gleichstellung
Aufgrund der unterschiedlichen Erhebungsmethoden ist ein unmittelbarer Vergleich einzelner Tätigkeitsbereiche zur Zeitverwendungserhebung aus dem Jahr 2008/09 nur begrenzt möglich. Man kann sich dieser Frage jedoch annähern, wenn man die Verhältnisse betrachtet: Und da zeigt sich, dass sich an der Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen Männern und Frauen in Österreich kaum etwas geändert hat. Das wird auch durch andere Studien bestätigt, die nur minimale Fortschritte in einigen Bereichen feststellen – oder teilweise sogar Rückschritte verzeichnen. So ist bei der Kinderbetreuung laut einer Erhebung im Rahmen des Gender-Generation-Programm der UN (UNECE) ein leicht positiver Trend in Österreich zu erkennen: Der Anteil der Paare, die angeben, dass beide gleichermaßen für Kinderbetreuung zuständig sind, hat sich – wenn auch auf niedrigem Niveau – von 10 % auf 14 % erhöht. Der Anteil an Paaren, in denen die Frau (fast) alles macht, hat sich von 51 % auf 40 % reduziert. Allerdings basiert das auf einer Selbsteinschätzung, die innerhalb von Paaren nicht unbedingt deckungsgleich ausfällt. Männer tendieren dazu ihren Beitrag zu überschätzen. Daten aus dem AK Wiedereinstiegsmonitoring wiederum zeigen, dass der Männeranteil unter den Personen mit Kinderbetreuungsgeldbezug zuletzt rückläufig war.
Wieso hält sich diese Ungleichheit in der Verteilung bezahlter und unbezahlter Arbeit so hartnäckig?
Erstens haben gesellschaftliche Rollenbilder großen Einfluss auf unsere Vorstellungen davon, was Männer und Frauen gut können, wofür sie zuständig sein sollen und damit entsprechenden Einfluss auf die tatsächliche Verteilung unterschiedlicher Tätigkeiten. So denkt die Hälfte aller Männer aller Altersgruppen, dass sich Frauen besser um Kinder kümmern können. 64 % der Frauen sind hingegen der Ansicht, dass Männer und Frauen gleich gut die Kinder versorgen können. Laut der Europäischen Wertestudie stimmt knapp die Hälfte der in Österreich Befragten der Aussage zu, dass "Kinder unter der Berufstätigkeit der Mutter leiden". Österreich liegt damit unter den 10 EU-Ländern mit der höchsten Zustimmung. In einer Studie des Österreichischen Instituts für Familienforschung gibt die Mehrheit der Befragten zwar an, dass beide Partner:innen gleichermaßen Einfluss auf die Arbeitsteilung haben, jedoch wartet mehr als ein Viertel der Männer darauf, dass die Partnerin sagt, was zu tun ist (bei Frauen sind das nur 9 %). Männer geben zwar an, sich gleichermaßen verantwortlich zu fühlen, in die Praxis wird das aber nur begrenzt umgesetzt. Das erklärt auch den Stress und Zeitdruck vieler Frauen, die im Job leisten und auch zu Hause für alle mitdenken müssen (Müssen die Kinder wieder zum Zahnarzt? Wer organisiert das Geschenk für die Schwiegereltern? Gehen uns die Windeln aus?) und dann auch noch Arbeitsteilung in der Partnerschaft koordinieren und verantworten sollen.
Auch bestehende gesellschaftliche Rahmbedingungen begünstigen eine ungleiche Verteilung bezahlter und unbezahlter Arbeit, etwa: Ungleichheiten in der Bewertung von Arbeit und Entgeltdiskriminierung, die sich wiederum in niedrigeren Frauenlöhnen niederschlagen, die dann als Legitimation dafür dienen, warum Frauen eher und länger ihre Erwerbstätigkeit für Kinderbetreuung unterbrechen. Oder die unzureichenden Ausgaben und der gravierende Personalmangel in Langzeitpflege und Kinderbetreuung, welche die Sorgearbeit in die Privathaushalte verschiebt – die wenig überraschend wiederum von Frauen übernommen wird. Männlich geprägte Betriebskulturen mit hoher Vollzeitnorm und einer Überstunden(un)kultur, die kaum mit den anderen – für die Gesellschaft so unverzichtbaren Sorge- und Betreuungsarbeiten – vereinbar sind, und wenn, dann nur zum Preis von Einkommensverlusten durch Teilzeitbeschäftigung und hoher Stressbelastung. Oder auch ein gesellschaftliches Leistungsverständnis, das nur Erwerbsarbeit als Beitrag zur Gesellschaft wertet und unbezahlte Arbeit – und damit einen großen Teil der Arbeit von Frauen – unsichtbar macht und abwertet.
Unsere Forderungen
Um die Ursachen dieses Ungleichgewichts zu bekämpfen und den Stillstand bei einer gerechteren Verteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit zu beenden, sind eine Reihe von Maßnahmen umzusetzen:
- Ausbau der Kinderbetreuung: Ein Rechtsanspruch auf qualitativ hochwertige und vollzeit(nahe)taugliche Kinderbildungs- und Betreuungsangebote ab dem 1. Geburtstag
- Ausbau von Angeboten in der Langzeitpflege: Rechtsanspruch für Leistungen der Langzeitpflege und einen verbindlichen Zeitplan für den Ausbau von Betreuungs- und Unterstützungsangeboten.
- Erhöhung der Väterquote bei der Elternkarenz: Eine Erhöhung des Mindestanteils am Kinderbetreuungsgeld, der bei Nichtinanspruchnahme verfällt, stärkt die Akzeptanz einer längeren Väterkarenz in Gesellschaft und Unternehmen und führt auch langfristig zu einer höheren Beteiligung bei der Kinderbetreuung.
- Steuer- und Abgabesystem wie auch die Familienförderung müssen so umgestaltet werden, dass sie eine partnerschaftliche Teilung der unbezahlten Arbeit und der Erwerbsarbeit zwischen Frauen und Männern fördern bzw. negative Anreize beseitigen.
- Es braucht eine sorge-freundliche Erwerbsarbeitszeitkultur. Ein Baustein dafür ist die Einführung einer kurzen, gesunden Vollzeit. Sie ist zwar kein Garant für mehr Gleichberechtigung, ermöglicht aber eine Neuaufteilung von Care-Arbeit innerhalb von Paaren. Ein erster Schritt in diese Richtung ist das AK/ÖGB Modell der Familienarbeitszeit.
- Bessere Daten: Regelmäßige und vergleichbare Erhebungen zur Zeitverwendung sind notwendig, um Entwicklung in der Verteilung von (Arbeits-)Zeit analysieren und entsprechende politische Maßnahmen ableiten zu können.
Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0: Dieser Beitrag ist
unter einer Creative-Commons-Lizenz vom Typ Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
International zugänglich. Um eine Kopie dieser Lizenz einzusehen, konsultieren Sie http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/.
Weitere Informationen https://awblog.at/ueberdiesenblog/open-access-zielsetzung-und-verwendung