Was bringt der neue Finanzausgleich? Große Töne, kleine Schritte

17. Januar 2017

Mit dem Finanzausgleichsgesetz 2017 (FAG 2017) wurde nun erstmals seit 2008 ein neuer Finanzausgleich vorgelegt, der die Finanzen von Bund, Ländern und Gemeinden reformiert. Dabei geht es um nicht wenig Geld: 2014 wurden Abgaben in der Höhe von rund 90 Mrd. Euro über den Finanzausgleich verteilt.

Das FAG 2008 wurde seit seinem erstmaligen Auslaufen im Jahr 2013 zweimal um in Summe drei Jahre verlängert. Im Paktum 2008 wurde vereinbart, dass zu strittigen Themen Studien vergeben werden und seit Juni 2015 tagten nicht weniger als 7 verschiedene Arbeitsgruppen zu möglichen FAG-Reformen unter der Koordination von Finanzminister Schelling. Die in das FAG 2017 gesetzten Reformerwartungen waren entsprechend hoch. Doch wurden diese erfüllt? In diesem Beitrag werden die wichtigsten Reformvorhaben im Zuge des FAG 2017 dargelegt und analysiert.

Aufgabenorientierung: Pilotprojekte Kinderbetreuung und Pflichtschulen

Erstmals wurde der Einstieg in die von Arbeiterkammer und ExpertInnen seit langem geforderte Aufgabenorientierung als Pilotprojekt in der Kinderbetreuung ab 2018 und in den Pflichtschulen ab 2019 beschlossen. Aufgabenorientierung im Finanzausgleich bedeutet die Geldflüsse zwischen Bund, Ländern und Gemeinden verstärkt an Leistungskriterien zu binden, anstatt sie von Verhandlungsergebnissen abhängig zu machen. Sowohl die Elementare Bildung als auch die Pflichtschulen sind geeignete Felder für die beiden Pilotprojekte.

In der Elementaren Bildung bietet sich die Möglichkeit die Finanzierung der durch den Ausbau der Betreuungseinrichtungen erhöhten laufenden Kosten abzusichern, zusätzlich bietet sich sowohl bei der Kinderbetreuung als auch bei der Ausweitung der Aufgabenorientierung auf die Pflichtschulen die Möglichkeit zum Einstieg in den Chancenindex. Der Ausbau ganztägiger Schulen könnte auf langfristig abgesicherte Beine gestellt werden und die bisherigen Bund-Länder Vereinbarungen ersetzen. Der im FAG 2017 verankerte Einstieg in die Aufgabenorientierung enthält bislang wenig Information zur konkreten Umsetzung und lässt daher auch einige zentrale Fragen offen:

  • Bundeseinheitliche Festlegung der Kriterien: mit länderspezifischen Festlegungen kann weder dem Prinzip der Leistungsgerechtigkeit noch der Vereinfachung entsprochen werden.
  • Aufgabenerbringung aus einer Hand: die Einführungen der Aufgabenorientierung sollte mit einer Transferentflechtung zwischen Ländern und Gemeinden einhergehen.
  • Abgestimmte Vorgangsweise bei der Elementaren Bildung und den Pflichtschulen: Im Sinne einer konsistenten und verwaltungstechnisch einfachen Abwicklung, sollten die Kriterien in den beiden Bereich so weit möglich aufeinander abgestimmt sein.
  • Einbeziehung der Rahmenbedingungen wie das sozioökonomisches Umfeld: Die Einrichtungen sehen sich mit unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert und müssen eine daran orientierte Finanzierung bekommen.

Ausbau Pflegeleistungen

Die Weiterführung des Pflegefonds mit 350 Mio. im Jahr 2017 Euro sowie die Valorisierung mit 4,5 % ab 2018 ist ein wesentlicher Beitrag für die verstärkten Anstrengungen zum Ausbau der öffentlichen Pflegeleistungen. Der Bedarf eines weiteren Ausbaues von Sachleistungen ist jedenfalls gegeben: Immer noch werden 50 % der PflegegeldbezieherInnen ausschließlich von Angehörigen – davon wiederum zu 80 % Frauen – ohne Inanspruchnahme professioneller Dienste betreut. Für eine mittelfristige Absicherung der Finanzierung müsste der Pflegefonds dauerhaft eingerichtet und mit ausreichend Steuermitteln ausgestattet werden.

Die hierfür benötigten Mittel sollten über eine Erbschafts- und Schenkungssteuer lukriert werden. Ein weiterer wichtiger Schritt wurde im Zusammenhang mit dem Finanzausgleich vereinbart und in einer Novelle zum Pflegefonds-Gesetz umgesetzt: Das Angebot an Sachleistungen soll vereinheitlicht werden – das entspricht einer langjährigen Forderung der Arbeiterkammer. Die gesetzliche Bestimmung bleibt allerdings vage und eine Nicht-Beachtung hat keine finanzielle Konsequenz.

Wohnbau: Keine Zweckwidmung, jedoch Abgabenautonomie

Das Ziel von Bundesseite eine Zweckwidmung wieder einzuführen, wurde von den Ländern erfolgreich verhindert. Als Ersatz kommt eine freiwillige Selbstbindung zur Vorlage eines Wohnbauprogramms für zumindest die nächsten beiden Jahre. Hierbei ist eine Bedarfserhebung nicht vorgesehen. Das Wohnbauprogramm erhöht möglicherweise die Transparenz, aber ist keinesfalls ein adäquater Ersatz für die Zweckwidmung. Das Problem des knappen Wohnraums insbesondere in den Ballungsträumen wird dadurch nicht adäquat adressiert.

Des Weiteren soll mit 1.1.2018 der Wohnbauförderungsbeitrag in eine ausschließliche Landesabgabe umgewandelt werden. Die Länder können dann die Höhe des Tarifs selbst festlegen. Dabei soll es keine bundesweiten Vorgaben einer Ober- oder Untergrenze geben. Auch jene aus dem neuen Wohnbauförderungsbeitrag lukrierten Mittel müssen nicht verpflichtend für den Wohnbau verwendet werden. Die Ausweitung der Abgabenautonomie der Bundesländer führt zu einer erhöhten Komplexität des Finanzausgleichs und ist daher skeptisch zu sehen.

Zudem besteht mittelfristig die Gefahr eines Steuerwettbewerbs zwischen den Bundesländern, indem die Länder versuchen sich gegenseitig zu unterbieten. Die negativen Folgen würden jedoch noch stärker wirken, wenn länderautonome Zu- oder Abschläge auf eine der großen Steuern wie z.B. Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer realisiert worden wäre. Diese Optionen sollen jedoch im Rahmen einer Arbeitsgruppe geprüft werden.

Keine wesentlichen Fortschritte bei der Transparenz

Trotz einiger Vereinfachungen bei Gemeindebedarfszuweisungen und Vorwegabzügen, wurden neue Mischzuständigkeiten geschaffen. In Summe wurde weder das System wesentlich vereinfacht noch die Transparenz erhöht. Dem Ziel des Regierungsprogramms eine „Transparenz in den Finanzströmen: Entflechtung der Aufgaben, Mischfinanzierungen und Transfers“  ist der Finanzminister nicht nähergekommen. Hilfreich hierfür wäre der Vorschlag des KDZ zur Einführung einer Transferdatenbank. In dieser wären die Transfers aller Gebietskörperschaften untereinander inklusive der gesetzlichen Grundlage bzw. der Kriterien für die Mittelzuteilung abzubilden. Dies wäre der erste Schritt, um eine faktenbasierte Debatte über die Entflechtung der Aufgaben, der Transfers und der Mischfinanzierungen führen zu können.

Eindrucksvoll zeigt das Beispiel der neuen Regelung für die Eisenbahnkreuzungen im Paktum wie der gegenteilige Weg gegangen wurde. Der Konflikt zwischen Bund und Gemeinden, wer die Kosten für die Sicherung bei Eisenbahnkreuzungen aufgrund der Eisenbahnkreuzungs-VO 2012 zu tragen hat, wird geregelt durch neue Fonds – einer für jedes Bundesland. Die Länder entscheiden über die Mittelvergabe, erstellen jeweils eigene Richtlinie und erhalten allfällig nicht verbrauchte Mittel für den Personen- und Regionalnahverkehr für das Landesbudget. Finanziert wird der Fonds zu 50% durch den Bund und zu 50% durch die Gemeinden.

Gemeinden verstärkt von Landestransfers abhängig

Nicht nur am Beispiel der Eisenbahnkreuzungen zeigt sich, dass die Kompetenzen der Länder gegenüber den Gemeinden mit dem neuen Finanzausgleich gestärkt werden. Erhöht wurden außerdem die Mittel für Gemeindebedarfszuweisungen, die von den Ländern im Wesentlichen nach eigenem Ermessen vergeben werden können. Dadurch steigt der Anteil an Landestransfers in den Gemeindebudgets und folglich auch die finanzielle Abhängigkeit der Gemeinden gegenüber den Ländern.

Eine Möglichkeit dem entgegenzuwirken ist die Aufwertung der Gemeinden als mit den Ländern gleichberechtigte Finanzausgleichspartner. Wohin das Geld fließt – also welche Gemeinden davon profitieren – wird nicht ausgewiesen. Die Stärkung der Transfers zwischen Ländern und Gemeinden ist daher auch insofern überraschend als die Finanzen von Ländern und Gemeinden aufgrund der vielen Finanzverflechtungen sowie mangelnden Transparenzregeln bereits jetzt ein undurchsichtiges Konvolut bilden. Innerhalb der Gemeinden begünstigten die Ländertransfers vor allem kleine Gemeinden, während die Städte chronisch unterdotiert sind. Dieser Trend wird sich wohl mit dem neuen Finanzausgleich fortsetzen.

Bundeseinheitliche Haftungsobergrenzen und Spekulationsverbot

Im Rahmen einer unbefristeten 15a-Vereinbarung wurden bundeseinheitliche Haftungsobergrenzen festgelegt. Die eingegangen Haftungen dürfen demgemäß bei Gemeinden maximal 75 % ihrer Nettoeinnahmen (eigene Steuern und Ertragsanteile) betragen. Bund und Länder dürfen Haftungen bis zu 175 % ihrer Nettoeinnahmen (Bund: eigene Steuern, Länder: eigene Steuern, Ertragsanteile und Landesumlage) übernehmen. Eine Risikogewichtung, die zu einer defacto Ausdehnung der Haftungsobergrenzen führen könnte, wurde explizit ausgeschlossen, eingeführt wurde hingegen ein Austausch der Gebietskörperschaften über die Haftungsstrukturen. Der Budgetdienst hat für das Jahr 2017 eine Obergrenze für den Bund mit 88 Mrd. Euro berechnet. Die konsolidierten Haftungen von Bund, Ländern und Gemeinden lagen daher im Jahr 2015 mit 77,8 Mrd. Euro deutlich unter der Obergrenze. Auch eine flächendeckende Umsetzung des Spekulationsverbotes für alle Gebietskörperschaften wurde vereinbart.

Fazit

Die oftmals im Vorfeld getätigten großen Ankündigungen einer „grundsätzlichen Erneuerung“ bzw. „Gesamtreform“ des Finanzausgleiches blieben vor allem eines – Ankündigungen. Dies verwundert angesichts der Komplexität der Finanzbeziehungen zwischen den Gebietskörperschaften wenig. Allerdings konnten die Finanzausgleichpartner für das Finanzausgleichsgesetz 2017 (FAG 2017) in einigen Bereichen konkrete Schritte vereinbaren.

In wesentlichen Fragen wie der Einführung der Aufgabenorientierung in der Elementaren Bildung sowie den Pflichtschulen lässt die konkrete Umsetzung jedoch auf sich warten. Damit läuft das Projekt Gefahr bis zur tatsächlichen Implementierung verwässert oder gänzlich abgesagt zu werden. Positiv ist insbesondere die Weiterführung und Valorisierung des Pflegfonds sowie die Einigung auf die einheitlichen Haftungsobergrenzen sowie das flächendeckende Spekulationsverbot hervorzuheben. In Sachen Transparenz sowie der Aufwertung der Gemeinden im Finanzausgleich kam es hingegen kaum zu Fortschritten, sondern sogar zu partiellen Rückschritten.