Undokumentiert beschäftigte Drittstaatsangehörige und die Durchsetzung ihrer Ansprüche als Arbeitnehmer*innen

30. Mai 2017

Drittstaatsangehörige können bei der Durchsetzung ihrer Arbeitnehmer*innenrechte mit vielfältigen Problemen konfrontiert sein. Sei es, dass sie undokumentiert, d. h. ohne notwendige arbeitsrechtliche Bewilligung, beschäftigt oder aufgrund ihres irregulären Aufenthalts schlechteren Arbeitsbedingungen als vergleichbare österreichische Arbeitnehmer*innen ausgesetzt sind (siehe hierzu den Bericht der Arbeitsgruppe Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung). In der Folge will ich mich mit der Frage auseinandersetzen, ob die Gewährung eines Aufenthaltsrechts bestimmten Drittstaatsangehörigen bei der Durchsetzung ihrer Arbeitnehmer*innenansprüche helfen kann.

Um die aufgeworfene Frage angemessen behandeln zu können, ist zunächst zu klären, ob undokumentiert beschäftigte Drittstaatsangehörige überhaupt einen Anspruch auf Entgelt haben. Anschließend wird thematisiert, welche Formen Arbeitsausbeutung annehmen kann. Die „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“, die Betroffenen von Menschenhandel und Arbeitsausbeutung erteilt werden kann, wird als Beispiel für die Beschreibung der derzeit geltenden Rechtslage angeführt. Zuletzt werde ich meine Forderung begründen, warum undokumentiert beschäftigte Arbeitnehmer*innen zur Durchsetzung ihrer Ansprüche ein Aufenthaltsrecht gewährt werden sollte.

Entgeltanspruch von undokumentiert beschäftigten Drittstaatsangehörigen

Grundsätzlich kommt ein Arbeitsvertrag mit drittstaatsangehörigen Arbeitnehmer*innen mündlich oder schriftlich zustande. Gerade die Schriftform ist jedoch kein notwendiges Erfordernis für das Zustandekommen des Vertrages. Dies ist auch bei Personen der Fall, die ohne die notwendige arbeitsrechtliche Genehmigung arbeiten. Obwohl der Vertrag – wie in einer AK-Analyse ausgeführt – nichtig ist, haben die ausländischen Arbeitnehmer*innen dieselben Ansprüche, wie wenn der Vertrag gültig wäre.

Darüber hinaus gilt die Vermutung, dass das Arbeitsverhältnis zumindest für die Dauer von drei Monaten bestanden hat. Sollte ein/e Arbeitgeber*in etwas anderes behaupten, trifft ihn/sie die Beweispflicht hierfür. Der Anspruch besteht aber (natürlich) nur für die tatsächliche Dauer des Arbeitsverhältnisses. Die Anspruchshöhe ist dieselbe wie bei einem gültigen Arbeitsvertrag.

Da also ein Anspruch auf Bezahlung besteht, bleibt zu klären, wie es um die Durchsetzung dieses Anspruchs steht, vor allem, wenn die infrage stehende Person nicht nur undokumentiert beschäftigt, sondern auch irregulär aufhältig ist. Unter irregulärem Aufenthalt versteht man einen unrechtmäßigen Aufenthalt im Sinne des Fremdenpolizeigesetzes; im Wesentlichen bedeutet dies, dass eine Person über kein Aufenthaltsrecht verfügt. Ist eine Person irregulär aufhältig, ist die Durchsetzung ihrer Ansprüche gerade aufgrund des prekären Aufenthaltsstatus besonders problematisch.

Arbeitsausbeutung von undokumentiert beschäftigen Arbeitnehmer*innen

Arbeitsausbeutung kann viele Formen annehmen. In der maßgeblichen Arbeitgebersanktionenrichtlinie der EU wird der Begriff der besonders ausbeuterischen Arbeitsbedingungen wie folgt definiert: „Arbeitsbedingungen, einschließlich der Arbeitsbedingungen infolge von geschlechtsbezogener oder anderweitiger Diskriminierung, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen rechtmäßig beschäftigter Arbeitnehmer stehen — zum Beispiel indem sie die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer gefährden und die Menschenwürde verletzen“. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Arbeitgeber*innen, die solche besonders schweren Fälle undokumentierter Beschäftigung setzen, strafrechtlich zu sanktionieren. In Österreich wird dies bspw durch den Tatbestand der „Ausbeutung eines Fremden“ sichergestellt (siehe auch § 28c Ausländerbeschäftigungsgesetz).

Darüber hinaus kommt es oftmals neben der direkten Ausbeutung im Arbeitsverhältnis zu Situationen, die mit dem Begriff des Menschenhandels umschrieben werden (siehe die Definition in Art 4 des Übereinkommens des Europarats zur Bekämpfung von Menschenhandel). Die in Wien ansässige Interventionsstelle für Betroffene von Frauenhandel leistet für jene Migrantinnen Beratung, „die durch Gewalt, Drohung, Ausnützung ihrer starken Abhängigkeit oder durch Täuschung nach oder innerhalb von Österreich gehandelt werden, um in der Prostitution in Österreich ausgebeutet zu werden oder um in der Ehe, im Haushalt oder in anderen Tätigkeiten und Dienstleistungsverhältnissen (wie Reinigung, Tourismusindustrie, Landwirtschaft) ausgebeutet zu werden“.

Verschiedene Indikatoren können als Hinweise für Menschen- bzw. Frauenhandel dienen (siehe Anhang 4 der Broschüre Arbeit ohne Papiere, aber nicht ohne Rechte).

Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz, insbesondere für Betroffene von Menschenhandel und Arbeitsausbeutung

Nunmehr können nach der derzeit geltenden Rechtslage Betroffene von Menschenhandel und Arbeitsausbeutung eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ erhalten, wenn ein diesbezügliches Straf- bzw. Zivilverfahren anhängig ist (siehe zum Menschenhandel, zur Ausbeutung eines Fremden sowie § 28c Ausländerbeschäftigungsgesetz). Doch bestehen hier zwei gravierende praktische Probleme, die Drittstaatsangehörige in weiterer Folge an der Durchsetzung ihrer Arbeitnehmer*innenansprüche hindern:

1.       Zunächst ist das Vorliegen einer gerichtlich strafbaren Handlung und ein eingeleitetes Straf- bzw. Zivilverfahren erforderlich. Dies führt zu keiner gesicherten aufenthaltsrechtlichen Perspektive der Betroffenen. Hängt doch das Aufenthaltsrecht gerade vom „Gutdünken“ der Behörden ab. Leiten diese überhaupt kein Strafverfahren ein, ist die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung ausgeschlossen.

2.       Das bedeutet aber auch, dass die Gefahr für die Betroffenen besteht, mangels gesicherter aufenthaltsrechtlicher Perspektive, wieder in das Abhängigkeitsverhältnis zurückgeworfen zu werden. Deshalb steht schon seit längerem die Forderung im Raum, dass die Erteilung eines Aufenthaltsrechts an Betroffene des Menschenhandels nicht zwingend an die Einleitung bzw. das Fortbestehen eines Strafverfahrens oder zivilrechtlichen Verfahrens gebunden sein sollte (siehe die politischen Forderungen von UNDOK). Diese Forderung wird durch das Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung von Menschenhandel unterstrichen. Nach diesem muss ein Aufenthaltstitel auch dann erteilt werden, wenn die zuständige Behörde der Auffassung ist, „dass der Aufenthalt des Opfers aufgrund seiner persönlichen Situation erforderlich ist“ (Art 14). Durch den Bezug auf die persönliche Situation wird klar, dass soziale und andere Umstände bei der Entscheidung über den Aufenthaltstitel berücksichtigt werden müssen. Österreich müsste deshalb in solchen Situationen auch vor Einleitung eines Gerichtsverfahrens einen Aufenthaltstitel erteilen, um seinen internationalen Verpflichtungen gerecht zu werden.

Aufenthaltsrecht für Betroffene von Arbeitsausbeutung?

Darüber hinaus bin ich jedoch der Ansicht, dass auch von bloßer Arbeitsausbeutung Betroffenen, die nicht durch den Tatbestand des Menschenhandels geschützt sind, ein Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Durchsetzung ihrer Arbeitnehmer*innenansprüche gewährt werden sollte. Damit könnten sich die Betroffenen, die sich sowohl aufenthalts- als auch arbeitsrechtlich in äußerst prekären Situationen befinden, zumindest aus dem prekären Arbeitsverhältnis dauerhaft „befreien“. Österreich würde so sicherstellen, dass die Arbeitgeber*innen den ausstehenden Entgeltanspruch tatsächlich nachzahlen und so seiner europarechtlichen Verpflichtung nachkommen (Art 6 Abs 1 lit a und Abs 3). Gibt es doch zurzeit keine Garantien im österreichischen Recht, die eine wirksame Durchsetzung der Entgeltansprüche nach der Rückkehr/Rückführung bzw. ohne Anwesenheit der Betroffenen vorsehen.

Die Förderung von Klagen gegen Arbeitgeber*innen ist überdies ein wesentlicher Faktor, der zu einer tatsächlich wirksamen Bekämpfung von undokumentierter Beschäftigung führen würde. Geht doch selbst die EU davon aus, dass die Mängel bei der Geltendmachung der Rechte von undokumentiert Beschäftigten sich kontraproduktiv auswirke (so die Mitteilung der Europäischen Kommission zur Arbeitgebersanktionenrichtlinie). Ein gesichertes und befristetes Aufenthaltsrecht für die Dauer von mindestens einem Jahr würde die Durchsetzung der Entgeltansprüche jedenfalls verbessern und sich in diesem Sinne auch positiv auf die Eindämmung von undokumentierter Beschäftigung auswirken.