Arbeit heute: Raues Betriebsklima, hoher Zeitdruck

24. April 2014

Das Institut für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften (ISW) führt jährlich eine Online- und Briefbefragung unter allen Betriebsratsvorsitzenden in Oberösterreich zu Veränderungen, Zufriedenheit und Problemen in der Arbeitswelt durch. 40% der 1600 Betriebsratsvorsitzenden in Oberösterreich haben an der Befragung teilgenommen und damit in die Unternehmen hineinblicken lassen. Die Ergebnisse zeigen eines vorweg: Das Betriebsklima wird rauer, die Arbeitsbelastung steigt und der Druck auf ArbeitnehmerInnen wird immer größer. (Die Ergebnisse wurden in der WISO-Ausgabe 4/13 veröffentlicht)

Schon die Themen, mit denen sich BetriebsräteInnen im vergangenen Jahr beschäftigt haben, zeigen indirekt den Anstieg des Drucks auf die ArbeitnehmerInnen. An erster Stelle rangiert die Beschäftigung mit der betrieblichen Gesundheitsförderung (43%), gefolgt von

Dekoratives Bild © A&W Blog
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ArbeitnehmerInnenschutz (41%), Erhöhung des innerbetrieblichen Leistungsdrucks (41%), Verschlechterung des Betriebsklimas (39%), sowie Änderung der Arbeitsorganisation (37%). Diese Themenfelder deuten auf eine Veränderung, bzw. eine Verhärtung in Betriebs- und Arbeitsklima hin, das Bemühen um betriebliche Gesundheitsförderung ist nicht zuletzt ein Indikator der augenscheinlichen Verschlechterung psychischer oder physischer Gesundheit der MitarbeiterInnen. Das zeigt auch die gesondert abgefragte Wahrnehmung der BetriebsrätInnen zur Entwicklung der psychischen und physischen Belastung im Betrieb.

Die Erhöhung des Leistungsdrucks könnte ein direkter Grund für die zunehmende Beschäftigung mit betrieblicher Gesundheitsförderung sein. In einem starken Zusammenhang stehen jedenfalls Leistungsdruck und Betriebsklima: Jene BetriebsrätInnen, die sich mit der Erhöhung des Leistungsdruck beschäftigen, geben mehrheitlich auch eine Beschäftigung mit der Verschlechterung des Betriebsklimas an.

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Gemeinsam mit der Schwerpunktsetzung in der Betriebsratsarbeit zeigt sich auch bei den Frageserien zu Art und Charakter der Arbeit[i], dass die Belastung und der Druck auf die Beschäftigten hoch ist, bzw. weiter zunimmt. 81 % der Befragten stimmen der Aussage, dass die Arbeit in ihrem Betrieb durch Kosten- und Einsparungsdruck geprägt ist, zu. 86% der Befragten geben an, dass die Arbeit in Ihrem Betrieb durch Termin und Zeitdruck geprägt ist, 88% der befragten Betriebsrät/-innen sehen die Arbeit außerdem durch hohes Arbeitsvolumen geprägt.

Die Ansprüche an Produkt- und Dienstleistungsqualität sind weiterhin hoch und prägen für 80% die tägliche Arbeit. Gleichzeitig ist die Arbeit laut 63% der Befragten durch Mehrarbeit von Beschäftigten geprägt. Dieser Eindruck wird durch die Priorisierung des Leistungsdrucks als Thema in der Betriebsratsarbeit sowie durch die Existenz umfassender Betriebsvereinbarungen zum Thema Arbeitszeit verstärkt. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Aussage der BetriebsrätInnen, dass, der hohen Dichte an Betriebsvereinbarungen zum Thema Arbeitszeit zum Trotz, 41% der Befragten angeben, dass die betriebliche Arbeit durch einen Mangel an Planbarkeit der Arbeitszeit geprägt ist.

Neoliberaler Wind in den Betrieben

Ziel dieser Frageserie war es zudem herauszufinden, ob und welchen Einfluss Unternehmensstrategie und Unternehmensführung auf die tägliche Arbeit der Beschäftigten haben. 75% der Befragten geben an, dass die Arbeit in ihrem Betrieb durch Controlling geprägt ist, hohe Kennziffernorientierung (68%) prägt ebenfalls den Arbeitsalltag. 58% der Befragten geben an, dass Zielvereinbarungen die tägliche Arbeit in ihrem Betrieb prägen, und 90% nennen Kundenorientierung. Gleichzeitig ist ein Großteil der Beschäftigten laut Einschätzung der Betriebsrät/-innen stolz darauf, in ihrem Betrieb zu arbeiten (69%). Gerade  Stolz und auch die emotionale Bindung an Firma, Beruf und Arbeit, die auch trotz widriger Arbeitsbedingungen vorhanden ist, deutet auf die Wichtigkeit von Arbeit in der Selbstdefinition der Menschen hin. Umso bedenklicher: Das Klima am Arbeitsmarkt und in den Betrieben wird rauer. Und die Arbeitnehmer/-innen leiden darunter.

In 44% der Antworten geben die Betriebsrät/-innen an, dass bei Ihnen im Betrieb der Anteil der Arbeitnehmer/-innen am betrieblichen Erfolg nicht anerkannt wird. In 86% der Antworten ist Arbeit stark durch Zeit- und Termindruck gekennzeichnet, 88% geben an, dass die Arbeit von eher stark von hohem Arbeitsvolumen geprägt ist. 20% der Befragten geben an, dass die Angst vor Arbeitsplatzverlust die Arbeit charakterisiert.

Diese Betrachtung deckt sich mit der Wahrnehmung der Arbeitnehmer/-innen als Ressource, die es möglichst gewinnbringend zu managen gilt, nicht als Partner/-innen zum gemeinsamen Erfolg. In 40% der Fälle hört der Vorgesetzte eher nicht auf Vorschläge der Mitarbeiter/-innen, 40% geben an, dass die Betroffenen von technischer Neuerung nicht um ihre Meinung gebeten werden, 33% der Befragten sagen, dass sich bei ihnen im Betrieb die Wertschätzung eher nicht am Menschen fest macht. Die Unternehmensleitung argumentiert in Augen der Betriebsrät/-innen gerne und oft mit dem Druck des Marktes um Entscheidungen durchzusetzen (65%).

Die Unternehmensstrategie selbst ist bei 74% der Befragten eher stark bzw. sehr stark von Kostensenkung geprägt, ein klassisches Beispiel für kurzfristige Unternehmensstrategien und kapitalmarktorientierte Unternehmen. Ebenso spielt bei 34% der Befragten in der Unternehmensstrategie die langfristige MitarbeiterInnenbindung keine Rolle. Diese beiden Beispiele sprechen für finanz- und volkswirtschaftlich Kurzfristige Unternehmensstrategien. Ebenso das Faktum, dass für 41% die Verbesserung der Arbeitsbedingungen keine Rolle spielen, genau sowenig die Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeiter/-innen.

Diese Wahrnehmungen und Strategien kommen laut BetriebsräteInnen auch ungefiltert bei den ArbeitnehmerInnen an. Den größten Einfluss auf Motivations-/und Frustrationsniveau der ArbeitnehmerInnen hat – wenig überraschend – die Angst vor Arbeitsplatzverlust sowie schwieriges Vorgesetztenverhalten. Die Befunde der ISW-Betriebsrätebefragung 2013 decken sich mit mit den Befunden einer jüngst veröffentlichten Studie des Gallup Instituts: 75% der ArbeitnehmerInnen in Deutschland sind laut Engagement Index 2013 mit ihren Vorgesetzten unzufrieden, 84% kaum noch motiviert, zur Arbeit zu gehen.[ii]

 Arbeit als Zentrum der Gesellschaft

Gerade die Erosion des Sinnes von Arbeit für jene Personen und die schrittweise Aushöhlung des Anspruchs auf gute Arbeit und Erfüllung sollte bedenklich stimmen. Gerade die Wirtschaftskrise wird oft als Argument gegen die Forderung höherer Standards und Qualitätssicherung der Arbeitsplätze (und nicht der erbrachten Leistung) verwendet. Arbeit in Österreich ist laut Arbeitgebervertretung zu teuer, zu ineffizient und nicht konkurrenzfähig.(Industriellenvereinigung). Abgesehen davon, dass sich diese Angaben fernab jeglicher Realität (Arbeit ist nicht zu teuer)  bewegen, ist das Recht auf gute Arbeit ein Grund- bzw. Menschenrecht. Heißt es in der UN-Menschenrechtscharta: „Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf angemessene und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz gegen Arbeitslosigkeit.“ (Art 23,1). Somit kann gute Arbeit, bzw. bei „befriedigenden Arbeitsbedingungen“ nicht als „Soft“-Forderung oder „Wohlstandsproblem“ abgetan werden, Arbeitsbedingungen und Arbeit zu haben, die gerne verrichtet wird, ist ein Fundament einer guten, gerechten Arbeitsgesellschaft. Immerhin: 28% der Befragten sagen, dass der gewerkschaftliche Organisationsgrad seit 2010 in ihren Betrieben gestiegen sei.

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Anmerkungen:

[i] Wie stark ist die Arbeit in ihrem Betrieb durch folgende Faktoren geprägt?“ Skala: Überhaupt nicht stark, eher nicht stark, eher stark, sehr stark, „Wie stark ist die Unternehmensstrategie Ihres Betriebs geprägt durch …“ Skala: Überhaupt nicht stark, eher nicht stark, eher stark, stehr stark, „Wie stark ist die tägliche Arbeit in Ihrem Betrieb geprägt durch …“ Skala: Überhaupt nicht stark, eher nicht stark, eher stark, sehr stark.

[ii] Siehe dazu auch: Bund, Kerstin/Rohwetter, Marcus (2014): So wollen wir arbeiten in Die Zeit vom 3.04.2014, S. 23.