Mehr Klimainvestitionen durch EU-Investitionsfonds ermöglichen

06. Dezember 2022

Österreich muss ebenso wie andere EU-Länder die öffentlichen Investitionen steigern, um die Klimaziele zu erreichen. Die bestehenden Fiskalregeln erschweren dies durch unzureichende Investitionsanreize. Die in Aussicht gestellte Reform der EU-Fiskalregeln wird die öffentlichen Investitionen aller Voraussicht nach nicht ausreichend verbessern. Deshalb argumentieren wir in einer neuen Studie für die Einrichtung eines permanenten EU-Investitionsfonds für Klima- und Energieinvestitionen, um die erforderlichen zusätzlichen Investitionen zu ermöglichen.

Konsolidierungsdruck beschränkt investive Spielräume

Die staatlichen Nettoinvestitionen sanken in der EU nach der Finanzkrise markant und haben sich nicht vollständig erholt. Österreich schnitt bei den Investitionen besser ab als viele andere EU-Länder, hat aber ebenso erhebliche zusätzliche Investitionsbedarfe.

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog

Das EU-Ziel, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu werden, erfordert erhebliche zusätzliche Investitionen. Der Anteil der öffentlichen Gelder für die Klimainvestitionen muss signifikant sein. Während ein Teil der grünen Investitionen für den privaten Sektor unprofitabel ist, kann die private Seite durch öffentliche Investitionen mobilisiert werden.

Die öffentlichen Investitionen müssten für die Umstellung des Energie-, Gebäude- und Transportsektors um mindestens 1% der EU-Wirtschaftsleistung pro Jahr ausgeweitet werden. Im Sinne der Generationengerechtigkeit ist es notwendig und angemessen, einen erheblichen Teil der Klimainvestitionen durch öffentliche Schulden zu finanzieren; denn zukünftige Generationen profitieren wesentlich von diesen Investitionen und sollten damit an ihrer Finanzierung beteiligt werden.

Die nationalen und europäischen Institutionen erkennen zwar weitgehend die investiven Anforderungen, doch bei der Frage der Finanzierung bleiben die Lösungen unzureichend. So veröffentlichte die Europäische Kommission zuletzt ihre Ideen zur Reform der EU-Fiskalregeln, welche der Budgetpolitik von Österreich und anderen EU-Mitgliedstaaten Defizit- und Schuldengrenzen setzt.

Während der Fokus laut Kommissionsvorschlag auf einem mittelfristigen Abbau der öffentlichen Schuldenquoten liegt, soll es keine weitreichenden Ausnahmen für Klimainvestitionen geben. Österreich wird ebenso wie andere EU-Mitgliedstaaten kaum in der Lage sein, die zusätzlichen öffentlichen Investitionen in die Energie- und Transportsysteme sowie energieeffiziente Gebäude, Solarpaneele und Fahrzeuge im erforderlichen Ausmaß zu tätigen, während man gleichzeitig, wie gefordert, die öffentliche Schuldenquote zurückführt. Der Budgetkonsolidierungsdruck steigt im Nachgang der Covid-19-Krise und der Energiekrise, worunter die Investitionen zwangsläufig leiden, da sie leichter gekürzt oder aufgeschoben werden können als andere Ausgaben.

Ein neuer EU-Investitionsfonds für Klima und Energie

In einer neuen Studie  argumentieren wir, dass die Einrichtung eines neuen permanenten EU-Klima- und Energieinvestitionsfonds im Ausmaß von mindestens 1% der EU-Wirtschaftsleistung pro Jahr zur Finanzierung öffentlicher Investitionen einen wichtigen Schritt in Richtung einer grünen Wende setzen und die nationalen Haushalte der EU-Mitgliedstaaten entlasten würde.

Für die Errichtung des neuen EU-Investitionsfonds für Klima und Energie könnten die positiven Erfahrungen mit dem während der Corona-Krise auf den Weg gebrachten Wiederaufbauinstrument (Recovery and Resilience Facility, kurz: RRF) genützt werden. Die RRF wurde zur wirtschaftlichen Abfederung der Covid-19-Krise lanciert; sie entspricht einer ersten größer angelegten EU-weiten Investitionsinitiative, die unter anderem Ziele im Bereich der Dekarbonisierung verfolgt. Doch sie ist nicht groß genug, um die Investitionsanforderungen wegen Klimawandel und Energiekrise ausreichend zu adressieren. Zur Erreichung des EU-Klimaziels bis 2030 wäre eine Ausweitung der öffentlichen Investitionen in der Größenordnung des zehnfachen des grünen Investitionsanteils der RRF notwendig.

Für die Finanzierung des neuen EU-Investitionsfonds für Klima und Energie würde die Europäische Kommission, nach dem Vorbild der RRF, im Namen der EU, eigene Anleihen begeben, um die Investitionsmittel auf den Finanzmärkten aufzunehmen. Die Mitgliedstaaten haften nicht einzeln für die begebenen EU-Anleihen; die Haftung bleibt bei der EU. Die Verwendung der Investitionsmittel durch die Mitgliedstaaten ist an grüne Auflagen gebunden; die Investitionen müssen also die Erreichung von Klima- und Energiezielen befördern. Während von einzelnen Mitgliedstaaten aufgenommene Schulden die nationale Schuldenquote erhöhen und damit Konflikte mit den EU-Fiskalregeln erzeugen, würden über EU-Anleihen finanzierte Zuschüsse nicht auf die Staatsschuldenquote durchschlagen.

Die EU-Anleihen könnten durch einen Einnahmenfluss mit neuen EU-Eigenmitteln bedient werden. Als Vorschläge für solche EU-Eigenmittel nennt die Europäische Kommission Einnahmen auf der Grundlage eines überarbeiteten EU-Emissionshandelssystems und eines neu eingeführten Mechanismus für einen CO2-Grenzausgleich sowie für die Neuzuweisung von Besteuerungsrechten für Gewinne großer multinationaler Unternehmen. Doch es gibt weitere Möglichkeiten, bspw. in Bezug auf die Besteuerung von Vermögen und Top-Einkommen auf EU-Ebene. Die Finanzierung eines permanenten EU-Investitionsfonds könnte aus einer Kombination von verschiedenen Instrumenten gestaltet werden. Eine weitere Option besteht darin, die EU-Anleihen nicht (vollständig) durch EU-Eigenmittel zu bedienen und den Aufbau eines EU-Schuldenstocks zuzulassen.

Die aus dem EU-Klima- und Energieinvestitionsfonds finanzierten Investitionen könnten sich verstärkt auf genuin europäische Projekte im Bereich der Umstellung von Energie- und Transportsystemen fokussieren, die einen EU-Mehrwert schaffen. Dabei sind etwa Investitionen in ein europäisches Schnellzugsystem zu nennen, das langfristig die CO2-Emissionen im Transportsektor reduzieren könnte. Im Bereich von Energie und Dekarbonisierung wäre die Realisierung eines integrierten Stromnetzes für die Übertragung von 100% erneuerbarer Energie sowie die Grundlagenforschung bei ergänzenden Batterie- und grünen Wasserstoffprojekten eine Option.

Schlussfolgerungen

Die aktuellen Vorschläge der EU-Kommission zur Reform der EU-Fiskalregeln setzen unzureichende Investitionsanreize für die Regierungen. Angesichts der absehbaren Zunahme des Budgetkonsolidierungsdrucks sollten die nationalen Haushalte durch die Errichtung eines permanenten EU-Investitionsfonds für Klima und Energie entlastet werden, der jährlich Investitionen von mindestens 1% der EU-Wirtschaftsleistung bereitstellt. Ein solcher Fonds würde nicht nur die Tätigung notwendiger Investitionen zum Schutz von Klima und Umwelt befördern, sondern auch zu einer stabilen Entwicklung des europäischen Wirtschaftsraums beitragen.

Die Energie- und Klimakrise stellt eine gemeinsame, grenzüberschreitende europäische Herausforderung dar, die am besten durch gemeinsame europäische Lösungen zu bewältigen sind. Die Koordinierung der Investitionsanstrengungen und die Sicherstellung ihrer Finanzierung zur Erreichung der Klima- und Energieziele ist auf EU-Ebene effizienter als auf nationalstaatlicher Ebene zu erreichen. Eine gemeinsame kreditfinanzierte Anstrengung mit einer Aufteilung der Kosten zwischen Generationen reduziert zudem den Druck zu nationalen Steuererhöhungen in der Gegenwart. Ein permanenter EU-Investitionsfonds könnte die Gemeinschaft der EU-Mitgliedstaaten nicht nur von innen heraus wirtschaftlich und politisch stärken, sondern auch ihre zukünftige geostrategische Handlungsfähigkeit in unsicheren Zeiten fördern.

Dieser Beitrag beruht auf der Studie „RRF 2.0: Ein permanenter EU-Investitionsfonds im Kontext von Energiekrise, Klimawandel und EU-Fiskalregeln“, wiiw-Forschungsbericht No. 23.