© A&W Blog
Die Verringerung der ökonomischen Ungleichheit ist also eine zentrale Stellschraube im Kampf gegen die Klimakrise. Verschiedene Wissenschafter:innen kommen zu dem Schluss, dass wir uns Reichtum und den damit zusammenhängenden Überkonsum klimapolitisch einfach „nicht mehr leisten können“ (Theine und Taschwer 2021 oder auch Wiedmann et al. 2020; Jaccard et al. 2021) und plädieren daher für Umverteilung.
- Direkte Auswirkungen der Klimakrise betreffen vulnerable Bevölkerungsgruppen besonders stark
Die Folgen der Klimakrise sind bereits heute deutlich in Österreich spürbar und werden in Zukunft weiter zunehmen – Beispiele dafür sind die stärkeren und länger anhaltenden Hitzeperioden, häufigere Starkwetterereignisse, die Verschlimmerung von Allergien oder die Verbreitung von Infektionskrankheiten. Bestimmte Personengruppen leiden besonders unter diesen immer extremer werdenden Wetterphänomenen: Eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz nennt hier unter anderem ältere Menschen und Personen mit gesundheitlichen Belastungen, aber vor allem auch Personen mit geringem Einkommen, die sich viel weniger vor Extremwetterereignissen schützen können. Neben der dringend notwendigen vorsorgenden Klimapolitik sind daher auch sozial inklusive Anpassungsmaßnahmen unerlässlich, z. B. die flächendeckende Vermeidung von Hitzeinseln in der Stadtplanung.
- Klimaschutzmaßnahmen haben Verteilungswirkungen
Die bereits erwähnte Studie im Auftrag des Sozialministeriums befasst sich auch mit den sozialen Auswirkungen von derzeit bestehenden klimapolitischen Maßnahmen und zeigt, dass auch hier Personen, die spezifische Vulnerabilitätsmerkmale aufweisen, direkt oder indirekt durch bestimmte klimapolitische Maßnahmen schlechtergestellt werden. Zu den vulnerablen Bevölkerungsgruppen zählen zum Beispiel, Personen mit geringem Einkommen, Kleinkinder, ältere Menschen, Personen mit gesundheitlichen Belastungen, Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund und Personen mit niedrigem Bildungsstand. Klassische Beispiele sind die Verschlechterung des Mobilitätszugangs aufgrund einer Preiserhöhung auf Treibstoffe (wir erinnern uns an die Gelbwesten-Proteste in Frankreich) oder die Verdrängung von Personen mit geringem Einkommen aus Wohnungen und Stadtvierteln, wenn infolge grundsätzlich sehr begrüßenswerter Maßnahmen wie thermischer Sanierungen oder Gebäudebegrünungen aus Profitinteresse die Mieten erhöht werden („Green Gentrification“). Weitere Beispiele für sozial exklusive klimapolitische Maßnahmen sind Förderungen, z. B. für private Photovoltaikanlagen oder E-Autos, da diese nur für Personen zugänglich sind, die über ausreichende finanzielle Mittel und den Zugang zu Förderinformationen verfügen. Besonders inklusive Maßnahmen sind gemäß der Studie hingegen jene, die zu universellen strukturellen Verbesserungen führen, wie beispielsweise der Ausbau und die Vergünstigung öffentlicher Verkehrsmittel.
In der Studie wird jedoch argumentiert, dass die mangelnde soziale Inklusion aber natürlich nicht zur pauschalen Abwehr von dringend notwendigen klimapolitischen Maßnahmen verwendet werden darf. Vielmehr muss bei deren Ausgestaltung auf die soziale Verträglichkeit geachtet sowie ein bunter Maßnahmenmix erstellt werden, in dem universellen und strukturellen Maßnahmen Vorrang gegeben wird. Außerdem lassen sich beispielsweise Förderungen für thermische Sanierungen inklusiver gestalten, indem ein besonderes Augenmerk auf Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen gelegt wird und die Rechte von Mieter:innen gestärkt werden.
- Nichthandeln erzeugt hohe Kosten
Sollte es nicht gelingen, den Temperaturanstieg auf 1,5 bzw. maximal 2 Grad Celsius zu beschränken, kommen auf Österreich enorme Kosten zu: Zum einen entstehen Mehrausgaben für Anpassungsmaßnahmen und zur Behebung von klimawandelbedingten Schäden von mehreren Milliarden Euro jährlich (von immateriellen Schäden ganz abgesehen). Zudem ist Österreich derzeit weit davon entfernt, die verpflichtenden EU-Klimaziele bis 2030 zu erreichen, und läuft daher Gefahr, Kompensationszahlungen von bis zu 9,2 Milliarden Euro leisten zu müssen. Das sind Zusatzausgaben, die bereits in ihrer Entstehung höchst ungerecht sind und die außerdem von neoliberalen Politiker:innen als Argument für Sparmaßnahmen im Sozialstaat instrumentalisiert werden könnten.
- Globale Klimagerechtigkeit muss in den Fokus rücken
Klimagerechtigkeit ist vor allem auch eine Frage der globalen Gerechtigkeit: Ist der Verbrauch von Treibhausgasemissionen in Österreich schon sehr ungleich verteilt, sind diese Ungleichheiten global gesehen noch viel extremer. Die EU ist für ein Viertel des historischen Treibhausgasausstoßes verantwortlich, aber andere Länder, die wenig bis gar nichts zur Klimakrise beigetragen haben, kämpfen am meisten mit ihren Folgen. Österreich gehört als früh industrialisiertes und wohlhabendes Land in Relation zu seiner Bevölkerungsgröße zu den historisch gesehen größten Emittenten und hat – je nach Berechnungsmethode – derzeit nur mehr ein verbleibendes Emissionsbudget von maximal 700 Megatonnen CO2-Äquivalenten bzw. hat das dem Land zustehende Treibhausgasbudget sogar bereits überschritten. Auch die Menschen im untersten Einkommenszehntel in Österreich verbrauchen derzeit mehr, als langfristig mit den Klimazielen vereinbar wäre. Das hängt oft mit strukturellen Bedingungen zusammen, denn Menschen mit geringem Einkommen leben häufig in schlecht sanierten Wohnungen und haben dadurch zum Beispiel einen relativ hohen Energieverbrauch. Daher müssen Möglichkeiten geschaffen werden, sodass auch Personen mit geringem Einkommen Zugang zu klimaneutralem Wohnen und klimaneutraler Mobilität, nachhaltigen Lebensmitteln und einem ökologisch vertretbaren Arbeitsplatz haben. Darüber hinaus braucht es im Sinne der internationalen Solidarität eine ganzheitliche Umgestaltung der Lebens- und Wirtschaftsweise, um ein gutes Leben aller innerhalb der planetaren Grenzen zu ermöglichen. Dies bedeutet, sowohl die Grenzen des Wachstums ernst zu nehmen als auch den Begriff „Wohlstand“ neu zu definieren.
Und jetzt? Klimaschutz und Arbeitnehmer:innenthemen zusammendenken
Die Klimakrise ist eine Gerechtigkeitskrise und eine Krise des Kapitalismus – und daher auch im Herzen ein Arbeitnehmer:innenthema. Dieses Verständnis wird zunehmend auch in den Gewerkschaften geteilt, was sie – im Gegensatz zum historisch oft skeptischen Kurs – zu einer treibenden Kraft einer sozial-ökologischen Transformation in Österreich machen könnte. Dass ein tiefgreifender Wandel erfolgen muss, steht mittlerweile außer Frage – denn wie Katharina Bohnenberger und Jana Schultheiß in ihrem Beitrag im Buch „Klimasoziale Politik“ schreiben: Die Überschreitung des Treibhausgasbudgets wäre sowohl die gefährlichste als auch die ungerechteste Alternative. Daher muss es nun oberste Priorität sein, diesen überlebensnotwendigen Wandel im Sinne einer „Just Transition“ so sozial wie möglich zu gestalten.
Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0: Dieser Beitrag ist
unter einer Creative-Commons-Lizenz vom Typ Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
International zugänglich. Um eine Kopie dieser Lizenz einzusehen, konsultieren Sie http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/.
Weitere Informationen https://awblog.at/ueberdiesenblog/open-access-zielsetzung-und-verwendung