Im Rahmen des Kapitalismus eint der Drang nach Wirtschaftswachstum die Unternehmen und die Gewerkschaften. Für das Kapital führt der Weg zur Profitmaximierung über die Expansion. Die Gewerkschaften streben Wachstum an, um trotz Rationalisierung und Produktivitätssteigerungen Arbeitsplätze zu erhalten. Es ist damit leichter, von einem größer werdenden Kuchen der Wirtschaft ein zusätzliches Stück abzubekommen. Mit diesem Credo für Wachstum kämpfen die Gewerkschaften de facto auch für die Gewinnmaximierung der Unternehmen. Da es fraglich ist, ob eine BIP-Erhöhung bei gleichzeitiger Einsparung von Rohstoffen und Energie überhaupt möglich ist, stehen in dieser Systemlogik Arbeitsplätze und Umweltschutz häufig in einem Widerspruch.
Das Ende einer Erfolgsgeschichte
Diese Politik erwies sich in den ersten Jahrzehnten der Nachkriegszeit als durchaus segensreich. Weil Arbeit eine knappe Ware war, verbesserte sich der Lebensstandard der Beschäftigten in Ländern wie Österreich enorm. Zwei Faktoren bremsen inzwischen diese Erfolgsgeschichte: Erstens wurde immer offensichtlicher, dass es planetarische Grenzen gibt und der stets wachsende Rohstoff- und Energieverbrauch die Ökosysteme der Erde zum Kippen bringen wird. Zweitens setzte sich – speziell nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten – die neoliberale Ideologie und die damit verbundene Umverteilung von unten nach oben durch.
Treibhausgase und Lohnquote – zwei gegenläufige Trends
In folgender Tabelle ist in Rot die Lohnquote in Österreich aufgetragen. Diese Quote gibt den Anteil der Löhne und Gehälter am gesamtwirtschaftlichen Einkommen an und ist somit ein guter Indikator für die Verteilung zwischen Arbeit und Kapital. Zu berücksichtigen ist, dass hohe Arbeitslosenzahlen, aber auch Scheinselbstständige die Lohnquote drücken. Im Jahr 1978 erreichte sie einen historischen Höchstwert von 77,2 Prozent, um dann innerhalb von drei Jahrzehnten auf rund 63 Prozent (2007) abzusacken und bis 2017 wieder leicht anzusteigen. Logischerweise spiegelbildlich entwickelte sich der Anteil an Gewinn- und Vermögenseinkommen. Laut Thomas Piketty wachsen seit Jahrzehnten weltweit die Renditen und Vermögen schneller als die Wirtschaft, sodass das Sinken der Lohnquote die zwangsläufige Folge ist. Ein drastisches Beispiel dafür liefert Amazon: Während für dessen Chef das Vermögen während der Corona-Krise auf 146,6 Milliarden US-Dollar (Stand Mitte Mai 2020) gestiegen ist, wurde es in den Amazon-Verteilzentren unter erbärmlichen und vielfach illegalen Arbeitsbedingungen erwirtschaftet.
Österreich ist völkerrechtlich verpflichtet, seine Treibhausgas-Emissionen – ausgehend vom Niveau des Jahres 1990 – drastisch zu senken. So sah das Kyoto-Ziel vor, dass der Ausstoß von Klimagasen von 1990 bis zu der Zeitspanne 2008–2012 um 13 Prozent sinken sollte (hellblaue Punkte). Die dunkelblaue Linie in der Grafik zeigt zweierlei: Einerseits hat Österreich in Bezug auf Klimaschutz versagt und auf dem Weg zu einer vollständigen Dekarbonisierung 30 wertvolle Jahre verloren. Auf der anderen Seite haben Österreichs Beschäftigte nicht von dieser Umweltverschmutzung profitieren können. Die Entwicklung der Emissionen von Treibhausgasen und der Lohnquote verlief in den vergangenen Jahrzehnten gegenläufig. Der vermehrte CO2-Ausstoß hat offensichtlich hauptsächlich die Profite gesteigert.