Soeben erschien der neue AK-Wohlstandsbericht. Die AK möchte damit einen Beitrag zur Etablierung einer breiten Messung des Wohlstands in Österreich leisten, die Implementierung der Ziele nachhaltiger Entwicklung (SDGs) unterstützen und gleichzeitig zu mehr politischer Kohärenz beitragen. Unsere Analyse zeigt auf, dass bei der „Lebensqualität“ in Österreich erhebliche Fortschritte erzielt wurden, gefolgt von den Dimensionen „fair verteilter materieller Wohlstand“ und „ökonomische Stabilität“. Bei den Zielen „Vollbeschäftigung und gute Arbeit“ und „intakte Umwelt“ orten wir den größten Handlungsbedarf. Wir schlagen daher ein Bündel an Maßnahmen zur Steigerung des Wohlstands vor. Dabei stehen für uns positive Beschäftigungseffekte und faire Verteilung, verbesserte Rahmenbedingungen für „gute Arbeit“, die Reduktion der Unterbeschäftigung sowie Klimaschutz und Energie im Mittelpunkt.
Soziale, ökologische und ökonomische Ziele in den Mittelpunkt stellen
Wohlstand ist das oberste Ziel des Wirtschaftens. Ein hoher Entwicklungsstand schafft wesentliche Voraussetzungen für ein gutes Leben und erleichtert sozialen Fortschritt. Die in der wirtschaftspolitischen Debatte dominante Kennzahl – das Wachstum der Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt) – hat nur beschränkte Aussagekraft zur Messung von Wohlstand. Auch in Zeiten von hohem Wirtschaftswachstum kann es sein, dass nur wenige davon profitieren und sich die Lebensbedingungen vieler nicht verbessern. Wichtige Aspekte für ein gutes Leben wie Gesundheit, Bildung, Gleichstellung, Verteilungsgerechtigkeit oder ökologische Nachhaltigkeit werden gar nicht abgebildet. Wachstum bedeutet nicht automatisch mehr Wohlstand für alle. Deswegen sind umfassende Konzepte und die Einbeziehung verschiedener Dimensionen für die Messung von Wohlstand unbedingt erforderlich.
In den letzten zehn Jahren gab es einige Vorzeigeprojekte, die versuchten, eine breitere Messung von Wohlstand und Lebensqualität in den Mittelpunkt der politischen Debatte zu rücken – insbesondere die sogenannte Stiglitz-Kommission (2009) und die international akkordierten und 2015 beschlossenen UN-Ziele nachhaltiger Entwicklung (SDGs). Diese haben aber den wirtschaftspolitischen Diskurs bislang nur geringfügig verändert.
AK-Wohlstandsbericht baut auf Vorzeigeprojekt von Statistik Austria auf
Um zentrale Wohlstandsdimensionen systematisch aufeinander zu beziehen, hat die Statistik Austria im Jahr 2012 das Projekt „Wie geht’s Österreich?“ ins Leben gerufen. Der AK-Wohlstandsbericht knüpft an diese Arbeiten an und ergänzt sie zukunfts- und politikorientiert. Als Zielwerte dienen uns – wenn vorhanden – politisch legitimierte Vorgaben. Fehlen diese, definieren wir auf Grundlage unserer Expertise sachlich gerechtfertigte Ziele, erstrebenswerte Trends oder Benchmarks. Im Vergleich mit den Zielwerten beurteilen wir den mittelfristigen Trend aus interessenpolitischer Perspektive. Daraus leiten wir wirtschaftspolitische Prioritäten und Maßnahmen ab.
Das „magische Vieleck“ wohlstandsorientierter Wirtschaftspolitik als Ausgangspunkt
Anhand des „magischen Vielecks“ einer wohlstandsorientierten Wirtschaftspolitik mit fünf übergeordneten Zielen – „fair verteilter materieller Wohlstand“, „Vollbeschäftigung und gute Arbeit“, „Lebensqualität“, „intakte Umwelt“ sowie „ökonomische Stabilität“ – analysieren wir mit einem umfangreichen Indikatorenset den gesellschaftlichen Fortschritt Österreichs und leiten Prioritäten sowie politische Empfehlungen für eine Steigerung des Wohlstands ab. Wir blicken nicht nur in die Vergangenheit, sondern analysieren auch aktuelle Trends aus einem interessenpolitischen Blickwinkel. Als Vertretung der ArbeitnehmerInnen messen wir der Arbeitswelt eine besondere Bedeutung zu. Im neuen Bericht haben wir in jeder Wohlstandsdimension einen zusätzlichen Indikator aufgenommen und uns dabei an den SDG-Indikatoren orientiert.
Ergebnisse des AK-Wohlstandsberichts 2019
In Österreich sind der materielle Wohlstand und die Lebensqualität – nicht zuletzt im internationalen Vergleich – hoch: Sehr hohe Arbeitsproduktivität und real verfügbare Einkommen gehen mit hoher Lebenszufriedenheit und physischer Sicherheit einher. Die Armutsgefährdung ist im europäischen Vergleich gering, der Grad der gewerkschaftlichen Mitbestimmung zufriedenstellend, der öffentliche Verkehr gut ausgebaut und stark genutzt. Ökonomische Stabilität und hohe Forschungsausgaben ermöglichen prinzipiell einen optimistischen Blick in die Zukunft.
Dennoch ist der Ausblick in die nahe Zukunft bei fast einem Drittel der analysierten Indikatoren negativ, nur in sechs Fällen wird die Entwicklung für 2019 und 2020 positiv eingeschätzt. Ursachen dafür sind nicht nur der aktuelle Konjunkturabschwung, sondern auch die gering ausgeprägten Ambitionen in der Energie- und Klimapolitik, der steigende Druck in der Arbeitswelt und die persistenten Ungleichgewichte in Wirtschaft und Gesellschaft. Dieser vergleichsweise skeptische Ausblick in zentralen Wohlstandsdimensionen spiegelt sich auch in deren Bewertung wider.