Erderwärmung eindämmen: Jugend fordert Klimaschutzmaßnahmen

02. Juni 2023

In Österreich verdoppelte sich die Anzahl an Hitzetagen, und es kommt öfter zu Extremwetterereignissen. Dennoch steigt der Ausstoß an CO2 vor allem im Verkehr weiterhin ungebremst an – Österreich ist seit Kurzem in deklarierter Weise „Autofahrerland“. Jugendliche werden verstärkt aktiv und ringen um mehr Aufmerksamkeit, um den Verkehr als einen der Hauptverursacher der Erderwärmung ins Bewusstsein zu rücken. Für manche ist aber das Festkleben auf Straßen überzogen und zu radikal. Wir gehen der Frage nach: Wie ticken Jugendliche in Bezug auf Mobilitätswandel und Erderwärmung?

Im von Bundesministerium für Klimaschutz (BMK) und Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) geförderten Projekt youthcodes wurden Repräsentativbefragungen bei Jugendlichen (15–24 Jahre) durchgeführt, um die Einstellung und Stimmung zu dokumentieren. Weiters wurde konkret erprobt, mit welchen Impulsen sich diese Zielgruppe aktivieren lässt. Ziel war es, geeignete Tools, Anreize und Kommunikationsstrategien aufzuzeigen, um Jugendliche aus unterschiedlichen sozialen Milieus emotional zu aktivieren, sich mit den Herausforderungen und den notwendigen Verhaltensänderungen im Mobilitätsbereich auseinanderzusetzen.

Wer kann und muss handeln?

Weitgehend einig sind sich die Jungen darüber, dass die Verantwortung bei der Politik liegt, Maßnahmen gegen den Klimawandel zu setzen. Bei manchen Aktivist:innen steigt die Ungeduld, wenn kaum Gegenmaßnahmen zur Eindämmung der CO2-Emissionen – etwa im Verkehrsbereich – eingeleitet werden. Aus der Sicht der Jungen werden sie diejenigen sein, die die Klimarechnung der Alten begleichen müssen.

Sehr erfreulich ist, dass von den insgesamt rund 937.000 österreichischen Jugendlichen in der Altersgruppe 15 bis 24 Jahre (lt. Statistik Austria) 757.000 (das sind 81 Prozent) glauben, viel bzw. etwas zum Klimaschutz beitragen zu können (etwa durch Veränderung der Verkehrsmittelnutzung oder des Lebensstils).

Für viele ist Klimaangst ein Thema, viele denken, dass die Politik endlich handeln sollte. Junge Personen haben somit die „kritische Masse“ erreicht und fordern zu Recht rasche Veränderungen ein. Für eine konstruktive Bewältigung der Klimakrise, insbesondere im Hinblick auf den Verursacher Verkehr und Lebensstil, braucht es konfrontative Diskurse, abgestimmte Wissensimpulse und Aktivitäten. Große Teile der Jugendlichen fühlen sich nicht ausreichend ernst genommen in ihrer Sorge um den Planeten Erde. Klimaaktivist:innen wollen eine „Unterbrechung der Normalität“, um auf die Dringlichkeit aufmerksam zu machen.

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog

Insgesamt ist der Befund eindeutig: Die Jugendlichen sind der Meinung, dass wir rasche Veränderungen und viel Raum für Diskussionen brauchen, um die Erderwärmung einzubremsen. Dafür ist für 85 Prozent der jungen Menschen die Politik gefordert – diese sollte rasch Maßnahmen gegen den Klimawandel ergreifen (Top 1). 81 Prozent setzen auch bei sich selbst und den eigenen Lebensgewohnheiten an (Top 2). Für 39 Prozent ist es sogar sehr wichtig, dass wir Menschen unseren Lebensstil ändern. Dazu ist vor allem eine klare Vorstellung, welche Wirkung mit welchen Maßnahmen erreicht werden kann, notwendig und wie genau ein Anreizsystem ausschauen kann. Viele der noch offenen Fragen können nur in Diskussionen geklärt werden, deshalb erscheint dieser Aspekt 8 von 10 befragten jungen Personen auch sehr/eher wichtig.

Wie ticken unterschiedliche Jugendmilieus?

Eines ist klar: „Die Jugendlichen“ gibt es so nicht, sie sind keine homogene Gruppe. INTEGRAL Marktforschung wies 2020/21 sechs verschiedene Sinus-Jugendmilieus aus, die jeweils unterschiedlichen sozialen Hintergrund haben. Sie unterscheiden sich deutlich in ihren Einstellungen und Meinungen und ihnen sind ganz verschiedene Dinge besonders wichtig. Die unterschiedlichen Milieus sind über differenzierte Schwerpunktsetzungen und Social-Media-Kanäle zu erreichen und zu aktivieren und verändern sich im Zeitablauf.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Es macht Sinn, Jugendgruppen in ihrer Unterschiedlichkeit zu verstehen und gemäß ihren Lebensumständen jeweils umweltfreundliche und für sie akzeptable Lösungen aufzuzeigen. Die Fülle an Informationen zu den Umweltfolgen ist oft schwierig im Blickfeld zu halten sowie abzuwägen. Deshalb ist es notwendig, das Thema u. a. von der Wirkung auf die CO2-Bilanz her aufzurollen und die Jugendtypen damit zu konfrontieren. Der eigene „Fußabdruck“ pro Person und Jahr kann sich durch ein Einzelereignis (bspw. eine Flugfernreise) massiv verändern. So haben Flugreisen innerhalb der Jugendmilieus unterschiedlichen Stellenwert, was die Diskussionsgrundlage verändert.

Was wissen die Jungen und was interessiert sie?

Es gibt viele Wissensbereiche rund um die Erderhitzung, die (für die Zielgruppe der 15- bis 24-Jährigen) nicht ausreichend bekannt erscheinen.

Die Top fünf Themen mit hohem Informationsbedarf gemäß einer Repräsentativbefragung im März 2022 bei 520 Jugendlichen zwischen 15 und 24 Jahren sind:

  1. Der Maßnahmenplan der Regierung zur Erreichung der CO2-Ziele
  2. Die 17 Nachhaltigkeitsziele (SDGs)
  3. Die Auswirkungen der Bodenversiegelung (Verbauungen)
  4. Der Gesamtbedarf von Energie für E-Mobilität
  5. Der Stand der Forschung zu umweltfreundlichen Fahrzeugen

Vor allem die Jüngeren brauchen noch mehr Informationen zur Klimakrise, ihren Ursachen und wie sie bewältigt werden kann. Hier steht etwa besonders der Maßnahmenplan der Regierung, um die durchaus ambitionierten CO2-Ziele zu erreichen, im Zentrum. Zwei von drei Jugendlichen sehen sich hier nicht ausreichend informiert. Das hohe Interesse am Maßnahmenplan ist eine der ungenutzten Chancen: Hier könnten konkrete Verhaltensänderungen angeregt und die Wirksamkeit von Maßnahmen aufgezeigt werden.

Neben dem prinzipiellen Bedürfnis nach mehr Informationen geht es auch darum, Inhalte wirklich zu verstehen und nachvollziehen zu können. So ist für jede:n zweite:n Befragte:n der Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit und Spritverbrauch und die Sinnhaftigkeit von Geschwindigkeitsreduktionen unzureichend erklärt.

Acht von zehn der befragten jungen Menschen ist eine Änderung unserer Lebensgewohnheiten sehr bzw. eher wichtig. Dieser Wert ist zwischen 2020 und 2022 sogar gestiegen. In Summe ist das eine hohe Bereitschaft, einen eigenen Beitrag zu leisten, um das Klima zu retten. Doch fehlen die klaren Empfehlungen der Politik, welche Maßnahmen sinnvoll und effektiv sind, um die Klimaziele zu erreichen. Viele Jugendliche wünschen sich von der Politik einen transparenten „Gesamtaktionsplan“, der einen klaren Handlungsspielraum sowie konkrete Einsparziele für klimaschädliche Emissionen vorgibt. Ebenso erachten acht von zehn Jugendliche Diskussionen zum Klimawandel für wichtig.

Politik muss bessere Chancen für die Jugend schaffen

„Wir sind die erste Generation, die die Folgen der Klimakrise spürt und gleichzeitig die letzte Generation, die noch gegensteuern kann.“ Nein, das ist kein Protestslogan, sondern verdeutlicht im aktuellen Regierungsprogramm die Notwendigkeit zu handeln. Dementsprechend hat sich die österreichische Bundesregierung die Ziele gesetzt, bis 2040 Klimaneutralität zu erreichen und die Krise auch als Chance für Gerechtigkeit und mehr Vertrauen in die Politik zu nutzen. Wenn sich Klimaaktivist:innen zunehmend stärker in Szene setzen, ist das ein Schrei nach Aufmerksamkeit und das Einfordern von konkreten Maßnahmen, um diese Ziele zu erreichen. Die deutsche Klimaschützerin Aimée van Baalen meint in einem Artikel der „Zeit“: „Es reicht nicht, die Politiker:innen zu konfrontieren. Wir brauchen die Unterbrechung der Normalität, sonst passiert nichts.“ Daraus leitet sich die Frage ab: Wie können Erkenntnisse aus youthcodes genutzt werden, um beispielsweise eine kreative, künstlerische Auseinandersetzung mit Klimafakten zu befeuern, sodass Veränderungen auf der Verhaltensebene und parallel dazu auf der politischen Ebene passieren?

  • Perspektiven schaffen statt Verunsicherung schüren: Junge Menschen sind mit multiplen Krisen, wie Klimakrise, brüchigen Sozialsystemen und Pandemie, konfrontiert. Hand in Hand gehen Vertrauensverluste in demokratische Systeme. Hier muss gehandelt werden. Nach dem Motto: Wir reden mit den Jungen statt über sie. Jugendliche brauchen die Möglichkeit, Gestalter:innen ihrer Gegenwart und Zukunft zu sein.
  • Klimaschutz und Mobilität: Im Regierungsprogramm wurde eine Mobilitätsgarantie angekündigt, bei der Umsetzung müssen auch die Bedürfnisse junger Menschen berücksichtigt werden. Notwendig ist auch eine Ausweitung der Jugendtickets auf alle Jugendlichen bis 25 in anerkannten Ausbildungsmaßnahmen. Bei der Bewältigung der Veränderungen ist es wichtig, dass die Anliegen von jungen Menschen ernst genommen werden, und es braucht mehr Verständnis dafür, welche eigenen Verhaltensweisen einen großen Klimabeitrag bringen und welche kaum Wirkung zeigen. Zuhören, Ängste und Sorgen verstehen und auch Diskurse zu Falschmeldungen und K.-o.-Argumenten (bspw.: Ich allein kann eh nicht, aber die anderen, …) sind hier wichtig.
  • Keine Zukunft ohne Mitsprache der Jugend: Bei entscheidenden Zukunftsfragen müssen Jugendräte beigezogen werden, Jugendvertrauensräte müssen gestärkt werden und es müssen laufend Initiativen gesetzt werden, um die Mitsprache der jungen Generation zu fördern.

Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Schwerpunkt „Jugend und Klima“ der Zeitschrift „Wirtschaft und Umwelt“.

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