Sozioökonomisch Benachteiligte wenden sich verstärkt vom politischen System ab, ein immer größerer Teil der Bevölkerung ist vom Wahlrecht ausgeschlossen, und junge Menschen fühlen ihre Interessen in dramatischem Ausmaß von der Politik nicht mehr berücksichtigt.
Nicht gehört – trotz Mehrfachbelastung und trüber Aussichten
Corona-Pandemie, Klimakatastrophe, Krieg in Europa und eine galoppierende Teuerung. Das sind trübe Zukunftsaussichten – nicht nur, aber speziell für junge Menschen! Laut einer aktuellen SORA-Studie machen sich 87 Prozent der Jungen Sorgen wegen des Kriegs, 67 Prozent wegen des Klimawandels, 59 Prozent wegen der auseinandergehenden Schere zwischen Arm und Reich und weitere 55 Prozent wegen der Pandemie und ihren Folgen. Drei Viertel (74 Prozent) der 16- bis 25-Jährigen fühlen sich und ihre Interessen von der Politik nicht gehört. Ein Wert, der unter Schüler:innen, Lehrlingen und Jugendlichen aus finanziell schwieriger Lage noch deutlich höher liegt. Das Missmanagement der Corona-Pandemie, monatelanges „Distance Learning“, aber auch Vereinsamung, Isolation und fehlende Sozialkontakte haben die psychischen Belastungen junger Menschen auf Rekordwerte ansteigen lassen: Bei 62 Prozent der Mädchen und 38 Prozent der Burschen zeigte sich 2021 zumindest eine mittelgradige depressive Symptomatik. Angesichts dieser Entwicklung fühlen sich Junge – verständlicherweise – im Stich gelassen.
Steigender Druck und Konkurrenz
Zusätzlich steigt der Druck auf junge Menschen weiter – sowohl in der Schule als auch am Arbeitsmarkt. Jugendliche sind mit wesentlich größeren Unsicherheiten konfrontiert, wenn es um Zukunftsplanung und das Arbeitsleben geht. Sie haben es heute mit prekären Arbeitsverhältnissen zu tun und sind stärker von Arbeitslosigkeit bzw. von der damit einhergehenden Bedrohung von Selbstwert und Selbstvertrauen betroffen als die Generation ihrer Eltern. Diese waren noch an nahezu Vollbeschäftigung und stabil steigende Löhne wie Wohlstandsgewinne gewöhnt.
Junge Menschen sind heute laufend Wettbewerbssituationen ausgesetzt, ob privat, im Bildungssystem oder auch beruflich. Sie konkurrieren und nehmen zugunsten der eigenen Marktpositionierung auch schlechte Arbeitsbedingungen, unbezahlte Praktika oder längere, „flexible“ Arbeitszeiten in Kauf. Und sie müssen dies oft auch tun. Denn Vereinzelung und Leistungsdruck stehen im Schul- und Arbeitsleben auf der Tagesordnung. Hinzu kommt, dass das Leben immer schwieriger leistbar ist, die galoppierende Teuerung trifft Junge besonders hart, denn sie sind mit geringerem Einkommen besonders stark betroffen. Die explodierenden Wohnkosten und die steigenden Energiekosten bedrohen zusätzlich soziale wie räumliche Mobilität.
Möglichkeiten zur Mitbestimmung schaffen – vor allem für sozioökonomisch Schwächere
Es geht ans Eingemachte! Der Weg in die Zukunft ist mit vielen Herausforderungen, Problemen, Risiken, aber auch Versprechen gepflastert. Ganz egal, ob jemand viele oder wenige Ressourcen mitbekommen hat, junge Menschen müssen quer durch alle Schichten die Möglichkeit zur Mitbestimmung bekommen. Sie haben ein Recht auf Mitbestimmung, denn sie sind es, die mit den Folgen der jetzt getroffenen Entscheidungen im Alter leben müssen. Es braucht mehr Möglichkeiten zur Mitbestimmung. Wer gewöhnt ist, mitzureden und sich einzubringen, wird sich generell leichter tun, sich Gehör zu verschaffen. Wenn Demokratie eine Selbstverständlichkeit und ein Fixpunkt im eigenen Alltagserleben ist, wird sie auch vehementer eingefordert und sind auch höhere demokratiepolitische Kompetenzen vorhanden. Speziell sozioökonomisch benachteiligte junge Menschen haben das Gefühl, zu wenig über politische Beteiligungsmöglichkeiten gelernt zu haben – wie eine SORA-Studie aus dem Jahr 2021 zeigt: 56 Prozent der 16- bis 26-Jährigen in finanziell prekärer Lage gaben dies an. Doch auch 38 Prozent derjenigen, die meinen, gut bis sehr gut mit ihrem Einkommen auszukommen, gaben an, zu wenig über Formen politischer Partizipation gelernt zu haben.
Fehlendes Wahlrecht bei den Jungen
Besonders dramatisch ist der Faktor fehlendes Wahlrecht. Denn wie der Integrations- und Diversitätsmonitor der Stadt Wien zeigt, haben in Wien 30 Prozent der Wohnbevölkerung kein Wahlrecht, besonders stark betroffen davon sind junge Menschen: 38 Prozent der 20- bis 24-Jährigen und ganze 42 Prozent der Wiener Wohnbevölkerung zwischen 25 und 44 Jahren haben kein Wahlrecht aufgrund der fehlenden österreichischen Staatsbürgerschaft. Verheerend ist die Situation gerade für jene jungen Menschen, die schon in Österreich geboren wurden, aufgrund der fehlenden Staatsbürgerschaft aber keinen Zugang zum Wahlrecht haben. Diese jungen Menschen werden von der demokratischen Mitbestimmung komplett ausgeschlossen.