Der Household Finance and Consumption Survey (HFCS) ist die wichtigste Datenquelle über die Vermögensverteilung in Österreich. Die jüngste Veröffentlichung der vierten Erhebungswelle zeigt eine markante soziale Schichtung entlang des Immobilienbesitzes und dass der HFCS den oberen Rand der Verteilung auch weiterhin nicht ausreichend erfasst. Die Daten bilden zwar die Vermögen der breiten Bevölkerung gut ab, bieten jedoch keine empirische Grundlage für die gesellschaftspolitische Debatte über Vermögenskonzentration.
Immobilienbesitzer:innen gewinnen, Mieter:innen verlieren
Die Ergebnisse aus dem neuen HFCS zeigen zwei markante Trennlinien: 1) zwischen der unteren Hälfte (1. bis 50. Vermögensperzentil) und der oberen Mitte (50. bis 90. Perzentil) entlang des Besitzes des eigenen Hauptwohnsitzes und 2) die Abgrenzung der obersten 10 Prozent entlang des Besitzes von Unternehmen und vermietbaren Immobilien.
Österreich ist eine Gesellschaft von Mieter:innen, denn weniger als die Hälfte der Bevölkerung lebt im Eigentum. Grob gesagt gilt: Wer den eigenen Hauptwohnsitz besitzt, zählt zur oberen Mitte. Die Vermögen dieser Gruppe sind im Vergleich zur letzten Erhebung im Jahr 2017 deutlich gestiegen. Ein wesentlicher Grund dafür sind die massiven Preisanstiege bei Immobilien in den letzten Jahren. Davon profitierten auch Vermieter:innen, die hauptsächlich am oberen Ende der Vermögensverteilung zu finden sind.
Während wohlhabende Haushalte in den letzten Jahren mehr sparen konnten, steigen die Preise für ärmere Haushalte und insbesondere Mieter:innen drastisch. Da diese Haushalte einen großen Teil ihres Einkommens für Miete ausgeben müssen, bleibt ihnen immer weniger Geld übrig. Dadurch werden ihre Möglichkeiten, Vermögen aufzubauen, weiter eingeschränkt. Das führt dazu, dass das reichste Zehntel der Bevölkerung in den letzten Jahren einen dreimal so hohen Anteil seines Einkommens sparen konnte wie Haushalte der unteren Bevölkerungshälfte.
Nur wenige von Vermögensteuern betroffen
Zu dieser Entwicklung kommt verschärfend hinzu, dass nach dem Prinzip „Wer hat, dem wird gegeben“ reichere Haushalte auch noch deutlich öfter Erbschaften erhalten: Im unteren Vermögenszehntel haben im aktuellen HFCS überhaupt nur 20 Prozent der Haushalte geerbt – durchschnittlich 21.000 Euro. Dagegen haben 77 Prozent der reichsten Haushalte Erbschaften von durchschnittlich 413.000 Euro erhalten. Dennoch werden in Österreich primär Arbeitseinkommen besteuert, während Erbschaften und Vermögen steuerlich kaum herangezogen werden.
Hinsichtlich aktueller Debatten über Vermögensteuern ab einer Million Euro Nettovermögen bietet der HFCS 2021 zusätzliche Erkenntnisse. Bewohnte Hauptwohnsitze sind im Durchschnitt 372.000 Euro wert. Selbst der im Eigentum von Selbstständigen bestehende Unternehmensbesitz beträgt im Durchschnitt „nur“ 579.000 Euro. Beide Werte liegen somit weit unter der Schwelle von einer Million Euro. Weniger als 5 Prozent der Haushalte in Österreich sind Millionärshaushalte und wären von einer Vermögensteuer, wie derzeit diskutiert, betroffen. Aber diese schätzen sich – auch das wird im HFCS gefragt – nicht als reich oder besonders wohlhabend ein. Kaum ein Haushalt aus den reichsten 10 Prozent verortet sich im obersten Zehntel – im Gegenteil: Diese Haushalte vermuten sich selbst in der Mitte der Gesellschaft. Das mag ein Teil der Erklärung sein, warum Vermögensteuern fälschlicherweise als Steuer auf die Mittelschicht dargestellt werden.
16, 23, 39 oder doch 50 Prozent Vermögensanteil?
In den neuen Daten sind aber ohnehin nur wenige sehr reiche Haushalte enthalten, sogar weniger als in den vergangenen Wellen des HFCS: 2010 hatte der reichste Haushalt in den Daten rund 14,3 Mio. Euro, 2014 waren es 43,7 Mio. Euro, 2017 dann 32,5 Mio. Euro und in der aktuellen Welle 2021 sind es 12 Mio. Euro. Diese Schwankungen zeigen, warum die aus den Rohdaten berechneten Verteilungsmaße über die Wellen hinweg kaum vergleichbar sind. Der bekannte Gini-Koeffizient, der an sich ein recht träges Messinstrument für Ungleichheit ist, bewegte sich in den vergangenen Erhebungswellen zwischen 0,73 und 0,76 und liegt nun bei 0,69. Der Anteil des reichsten 1 Prozent am Gesamtvermögen liegt nach 23 Prozent im HFCS 2017 nun bei 16 Prozent im HFCS 2021.
Eine plausible Erklärung für die geringe Anzahl „reicher Beobachtungen“ im HFCS 2021 ist rasch gefunden: Covid-19, mangelnde Auskunftsbereitschaft und die Stichprobenauswahl. Durch die Pandemie wurde die ursprünglich für 2020 geplante Befragungsperiode auf Mai 2021 bis Februar 2022 verschoben, doch auch in dieser Zeit erschwerte Covid die Interviews für den Survey. Da der HFCS eine freiwillige Erhebung ist, lag die Antwortrate schon früher bei nur rund 50 Prozent und ist nun weiter auf 39 Prozent gesunken.
Die fachkundigen Mitarbeiter:innen der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), die den HFCS durchführen, legen höchsten Wert auf Datenqualität. Dazu wird viel Arbeit in das Survey-Design, den Fragebogen und die Schulung von Interviewer:innen gesteckt. Umso erstaunlicher ist es, dass die OeNB-Führung sich bislang gegen ein von vielen Expert:innen empfohlenes Oversampling des HFCS entschieden hat. Die Idee ist simpel: Da mit steigendem Vermögen die Teilnahmewahrscheinlichkeit am Survey sinkt, werden überproportional mehr Haushalte in die Brutto-Stichprobe gezogen, bei denen ein höheres Vermögen vermutet wird. 17 von 22 Länder der HFCS-Befragung machen genau das – mit Erfolg.
Eine bewährte Methode, um die fehlenden Reichen im HFCS dennoch im Nachhinein statistisch hinzuzuschätzen, ist die Pareto-Methode. Mithilfe einer begründeten Verteilungsannahme und journalistisch erstellter Reichenlisten können Forscher:innen den oberen Rand der Vermögensverteilung ergänzen. Dadurch stieg im HFCS 2017 der Vermögensanteil des Top 1 Prozent von 23 Prozent auf rund 39 Prozent. Bei einer Angleichung der Survey-Daten mit den makroökonomischen Aggregaten (Distributional Wealth Accounts) wird der Anteil des reichsten 1 Prozent am Gesamtvermögen von den Nationalbank-Ökonom:innen sogar auf bis zu 50 Prozent geschätzt. Dieser Ansatz wird in den USA schon länger von der Notenbank Fed durchgeführt und ab Herbst auch von der Europäischen Zentralbank (EZB) übernommen.
Mehr Licht ins Dunkel bei der Vermögenskonzentration
Überreichtum und eine starke Vermögenskonzentration gefährden die Demokratie und auch das Klima. Der HFCS liefert für diese gesellschaftlich notwendige Debatte keine ausreichende Datengrundlage. Neben dem längst überfälligen Oversampling könnte auch ein Vermögensregister eingeführt werden, wie es von den bekannten Ökonom:innen Joseph Stiglitz, Jayati Ghosh oder Thomas Piketty gefordert wird. Solch ein Register würde mehr Transparenz bei sehr großen Vermögen schaffen, was zuletzt sogar in der Europäischen Union für russische Oligarchen nach dem Angriff auf die Ukraine angedacht wurde. Weiters wäre eine Vermögensteuer nicht nur eine wichtige Finanzierungsquelle für den Sozialstaat, sondern brächte durch die administrative Erfassung von privaten Vermögen auch mehr Licht ins Dunkel bei den Reichen.
Eine freiwillige Erhebung von privaten Vermögen ohne effektive, zielgerichtete Begleitmaßnahmen zur Erfassung reicher Haushalte kann nur ein unvollständiges Bild der Vermögensverteilung zeichnen. Die HFCS-Daten sind zweifellos von hoher Qualität im Hinblick auf die Vermögen in der breiten Bevölkerung, sie geben aber wenig Aufschluss über die demokratie- und klimagefährdende Vermögenskonzentration am oberen Rand. Eine bessere Einschätzung wird erst mit der Veröffentlichung der Mikrodaten und der statistischen Hinzuschätzung sehr reicher Beobachtungen mithilfe der Pareto-Methode und der „Distributional Wealth Accounts“ der EZB im Herbst erwartet. Dennoch zeigt der HFCS 2021 einige besorgniserregende Muster auf: Während die Vermögenswerte der Immobilienbesitzer:innen stetig steigen, sinkt aufgrund der steigenden Preise die Möglichkeit der ärmeren Haushalte und insbesondere der Mieter:innen, Vermögen aufzubauen.