Vermögen ist in Österreich enorm ungleich verteilt. Unversteuerte Erbschaften und Schenkungen tragen wesentlich dazu bei. Neben ökonomischem Kapital erhöhen auch familiär tradiertes kulturelles und soziales Kapital individuelles Kapitalvolumen und damit persönliche Lebenschancen. Diesen Startvorteil legitimieren VermögenserbInnen in der subjektiven Deutung ihrer Herkunft und ihrer Lebensgeschichte auf zwei unterschiedlichen Wegen. So werden Machtpositionen und strukturelle soziale Ungleichheiten verfestigt und aus Gerechtigkeitsansprüchen erwachsende Forderungen nach Umverteilung delegitimiert.
Viel Vermögen bei wenigen VermögenserbInnen
Seit 2010 erhebt die OeNB in Kooperation mit der EZB über den Household Finance and Consumption Survey regelmäßig Daten zu den Vermögensbeständen der österreichischen Bevölkerung. So wissen wir seither über die enorm ungleiche Verteilung von Vermögen Bescheid. Das reichste Prozent hat einen Anteil von knapp vierzig Prozent des gesamten Privatvermögens, während sich die vermögensarme Hälfte der Bevölkerung weniger als vier Prozent dieses Vermögens teilt.
Die Vermögensverteilung ist auch deshalb so ungleich, weil (hohes) Vermögen innerhalb von Familien durch weitgehend unversteuerte Erbschaften und Schenkungen inter vivos, also Schenkungen zu Lebzeiten, weitergegeben und Kapital so akkumuliert wird. Vermögende Familien können so ihr Kapital über Generationen an ihre Erben weitergeben und vermehren. Denn nach Thomas Piketty vermehrt sich Vermögen über die Kapitalrendite vor allem dort, wo es bereits vorhanden ist. Sich im Verlauf des Lebens durch Leistung über Lohnarbeitsverhältnisse Vermögen zu erarbeiten, wird hingegen immer unwahrscheinlicher.
Fehlendes Bewusstsein als „problem of fairness“ oder strategische Entscheidung
In Österreich fehlt nach wie vor weitgehend das Bewusstsein für Vermögensungleichheit. So gibt es in der Bevölkerung eine starke Tendenz, sich selbst auch in der Vermögensverteilung der traditionell bedeutungsvollen Mitte zuzuordnen. Insbesondere Vermögende unterschätzen ihre eigene Position enorm. In der Forschung ist dieses Phänomen bislang aus unteren Klassen als „problem of fairness“ bekannt. Das bedeutet, dass Menschen Gerechtigkeitsfragen, wie jene nach einer fairen Verteilung ökonomischer Güter, im sozioökonomisch nahen Umfeld beurteilen. Sie vergleichen sich selbst mit Personen in gleichen oder ähnlichen Lebenslagen und blenden größere Ungleichheiten dabei aus. So entsteht das subjektive Gefühl, sich „irgendwo in der Mitte“ zu befinden. Andere argumentieren, dass das Verkennen der eigenen Privilegien unter Vermögenden eine Strategie ist, um sich der Rechtfertigung dieser und einer daraus ableitbaren Verantwortung zu entziehen.
Kapital als Startvorteil für Möglichkeiten und Lebenschancen
Neben dem Vermögen als ökonomischem Kapital wird auch kulturelles Kapital innerhalb der Familie weitervererbt. Dabei geht es einerseits um Investitionen in formelle Bildung, andererseits um das Erlernen bestimmter klassenspezifischer Sprech-, Denk- und Handlungsweisen oder Kenntnis im Umgang mit Kultur und Kulturgütern. Der Soziologe Pierre Bourdieu spricht hier von der Herausbildung eines klassenspezifischen Habitus, der Distinktion ermöglicht. Das ist jedoch nicht zwangsläufig ein bewusster Vorgang. Diese Muster werden über das von objektiven Strukturen geprägte Umfeld verinnerlicht und so Teil der eigenen Identität. Soziales Kapital, also soziale Netzwerke und das Wissen darum, wie man sich in diesen richtig verhält und bewegt, stellen neben ökonomischem Kapital einen weiteren wichtigen Baustein für einen erfolgreichen Lebensweg dar. Ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital können ineinander umgewandelt und dadurch vermehrt werden. So findet auch hier wieder Kapitalakkumulation statt, die der Herkunft eine bedeutende Rolle im Hinblick auf Lebenschancen zuteilwerden lässt.
Kurz gesagt bietet die Tradierung von hohem Kapital aller drei Sorten einen enormen individuellen Startvorteil im Hinblick auf Lebens- und Zukunftschancen und reproduziert durch die Möglichkeit der Kapitalkonversion und -akkumulation strukturelle soziale Ungleichheiten.
Die Selbstwahrnehmung der „Working Rich“
Den Ergebnissen meiner Studie zu Gerechtigkeitsideologie und Legitimation in den Lebensgeschichten von VermögenserbInnen zufolge weisen „Working Rich“, also VermögenserbInnen mit erfolgreichen Berufskarrieren, zwei Muster in der Wahrnehmung ihrer sozialen Herkunft und der daraus abgeleiteten Legitimierung ihres privaten Vermögens auf. Diese sollen in der Folge kurz dargestellt werden.