Vermögen sind in Österreich ungleicher verteilt als in allen anderen Ländern der Eurozone. Diese Tatsache ist mittlerweile hinlänglich bekannt. Unklarer ist allerdings, wie stark einzelne Faktoren die Vermögensungleichheit beeinflussen: Werden Vermögen durch erwirtschaftetes Einkommen und Ersparnisse aufgebaut? Oder ist Reichtum hauptsächlich ererbt? Ist die beobachtete Ungleichheit auch Ergebnis der Vermögensunterschiede zwischen jungen (Single-)Haushalten und jenen, die über die Lebensspanne Vermögen aufgebaut haben? Sind höhere Vermögen auch auf bessere Ausbildung zurückzuführen oder eventuell Ergebnis unterschiedlicher Haushaltgrößen? Das wichtigste Ergebnis der Analyse vorweg: Erbschaften und Schenkungen sind der wichtigste Faktor für Vermögensunterschiede – Österreich ist auch hier ein Spitzenreiter in Europa.
Was bestimmt Ungleichheit?
Für eine aufgeklärte Diskussion über Vermögensungleichheit ist weniger von Bedeutung ob die oben gestellten Fragen mit JA beantwortet werden können (denn offensichtlich sind alle Erklärungen mehr oder weniger relevant), sondern welche Begründungen mehr und welche weniger Gewicht haben. Dieser Themenstellung bin ich in meiner aktuellen Studie am Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) aus quantitativ-ökonomischem Blickwinkel nachgegangen, die soeben in der Working Paper Series der AK Wien erschienen ist. Die zentrale Frage ist dabei, in welchem Ausmaß die Vermögensungleichheit in Österreich und anderen Euroländern insbesondere auf die ungleiche Verteilung von Erbschaften und Schenkungen zurückzuführen ist. Alternative Einflussfaktoren auf die Verteilungssituation, die in der Untersuchung berücksichtigt wurden, sind Unterschiede in den Haushaltseinkommen und sozioökonomischen Charakteristika zwischen den Haushalten (Bildungsstand, Haushaltsgröße und -struktur, Durchschnittsalter, Familienstand und Migrationshintergrund der Haushalte).
Zur Erinnerung: Martin Schürz und Pirmin Fessler haben bereits in einer ersten Auswertung der HFCS – Daten für Österreich auf die Bedeutung von Erbschaften und Schenkungen für Vermögensungleichheit hingewiesen und auch am AK-Blog diskutiert. Nur etwa 35% der österreichischen Haushalte haben zum Zeitpunkt der Erhebung bereits eine Erbschaft oder Schenkung erhalten. Erbschaften und Schenkungen sind mit einem Gini-Koeffizienten von 0,89 noch ungleicher verteilt als Brutto- (0,76) und Nettovermögen (0,73).
Erbschaften und Schenkungen Hauptursachen für Ungleichheit
Mittels ökonometrischer Zerlegungsverfahren (shapley value decomposition) wurde nun die relative Bedeutung einzelner Erklärungsfaktoren untersucht. Hochsignifikant dabei: Erbschaften und Schenkungen liefern in Österreich den höchsten Beitrag zur Ungleichheit von Bruttovermögen. Fast 40% der gemessenen Ungleichheit kann darauf zurückgeführt werden.