Expansive Budgetpolitik treibt die Konjunkturerholung

17. Dezember 2015

Die Konjunkturerholung in der Exportindustrie wird ab Beginn 2016 durch eine (erstmals seit 2010) leicht expansive Budgetpolitik verstärkt: Steuerreform, öffentliche Investitionen und Flüchtlingsausgaben stärken die Nachfrage. Wenn nun auch noch die InteressenvertreterInnen der Unternehmen ihr notorisches Schlechtreden des Standorts beenden, könnten auch die privaten Investitionen wieder an Kraft gewinnen. Weitere Initiativen zur Verringerung der rekordhohen Arbeitslosigkeit und für eine gerechtere Verteilung des hohen Wohlstandes bleiben dennoch dringlich.

Das WIFO prognostiziert heute eine Konjunkturerholung, die in einem realen Wirtschaftswachstum von 1,7% im kommenden Jahr münden soll. Das wäre der höchste Anstieg seit fünf Jahren. Die wirtschaftliche Belebung hat bereits im Frühjahr eingesetzt. Sie ist – wie typisch für den heimischen Konjunkturzyklus und entgegen allem Gejammere über die angeblich fehlende Wettbewerbsfähigkeit – vom Export ausgegangen und hat die im internationalen Wettbewerb stehende Industrieproduktion bereits merklich erfasst. Jüngst haben sich sogar die Investitionen in Maschinen, Fahrzeuge und Elektrogeräte und sonstige Anlagen vorsichtig belebt.

Expansive Budgetpolitik kommt zum richtigen Zeitpunkt

Zu wirtschaftlichem Optimismus gibt Anlass, dass die schon jetzt zu beobachtende Aufwärtstendenz in der Exportindustrie ab Beginn des Jahres 2016 von einer spürbaren Belebung der Inlandsnachfrage unterstützt werden wird. Nach fünf Jahren restriktiver, Wachstum und Beschäftigung dämpfender Sparpolitik wird 2016 erstmals wieder ein leicht expansiver Effekt des Staatshaushalts auf die Konjunktur wirksam werden. Dazu tragen insbesondere die Belebung der privaten Konsumnachfrage durch die Entlastungswirkung der Steuerreform, die Impulse für Infrastrukturinvestitionen (Wohnbau, Verkehrsnetze, Breitband) und aktive Arbeitsmarktpolitik – verstärkt durch die Beschlüsse des Beschäftigungsgipfels vom November 2015 – sowie die zusätzlichen Aufwendungen für Flüchtlinge und AsylwerberInnen bei.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Datenquelle: WIFO. *ab 2015 Prognose. **Arbeitslose inkl. SchulungsteilnehmerInnen.

Spuren der konjunkturellen Besserung sind auch bereits auf dem Arbeitsmarkt zu erkennen: Die Zahl der Erwerbstätigen wächst wieder stärker (2015: +35.000, 2016: +41.000), sogar die Zahl der Vollzeitarbeitsplätze und der offenen Stellen nimmt nun wieder zu. Die Arbeitslosigkeit geht dennoch nicht zurück: Auf eine offene Stelle kommen mehr als 10 Arbeitslose. Das Angebot an Arbeitskräften steigt nach wie vor deutlich stärker als die Beschäftigung. Zum ersten schlagen sich die Pensionsreformen der Vergangenheit in einem deutlichen Anstieg der Erwerbsquoten der Älteren nieder: In der Altersgruppe der 55-60 jährigen Frauen und der 60-65 jährigen Männer sind seit 2010 etwa 80.000 zusätzliche Personen auf dem Arbeitsmarkt geblieben. Zum zweiten wächst die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter wegen der starken Zuwanderung kräftig, die Flüchtlinge spielen dabei noch keine große Rolle.

Miesmacherei durch Lobbys beeinträchtigt private Investitionstätigkeit

Damit aus der Konjunkturerholung ein richtiger Konjunkturaufschwung wird, müssten allerdings die Ausrüstungsinvestitionen kräftig anspringen und davon ist im Moment noch zu wenig zu bemerken. Dies ist wesentlich durch die anhaltende Unterauslastung der Kapazitäten und maue Absatzerwartungen bedingt. Dazu kommt aber das mutwillige ständige Miesmachen der Wirtschaftslage durch die InteressenvertreterInnen der Unternehmen. Mit Ausdrücken wie „abgesandelt“ und „Triple B“ wird der Standort schlecht geredet, mit bedenklichen Folgen, denn diese Prophezeiungen können sich leicht selbst erfüllen: Ist die Unternehmerstimmung schlecht, dann wird nichts investiert, was Lage und Stimmung weiter verschlechtert. Wann wenn nicht in diesem entscheidenden Moment für die Konjunktur wäre es angebracht, politische Befindlichkeiten zu Gunsten faktenbasierter gesamtwirtschaftlicher Interessen in den Hintergrund zu stellen?

Die gute Performance der österreichischen Wirtschaft im Vergleich mit der Eurozone und die in Gang befindliche Erholung der Konjunktur können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die heimische Wirtschaft nach wie vor unterausgelastet ist und unter fehlender Binnennachfrage leidet. Dies kommt nicht zuletzt im hohen und weiter wachsenden Überschuss in der Leistungsbilanz zum Ausdruck. Er beträgt 2015 laut WIFO Prognose 10 Mrd. Euro (3% des BIP) und hat sich damit seit 2011 verdoppelt. Dies ist vor allem das Ergebnis des Außenhandels mit Gütern: Das Wachstum der Importe blieb wegen der Schwäche der Konsum- und Investitionsnachfrage merklich hinter jenem des Exports zurück. Die österreichische Volkswirtschaft lebt unter ihren Verhältnissen. Zudem trägt der wachsende Leistungsbilanzüberschuss zu den Ungleichgewichten innerhalb der Währungsunion bei.

Verfehlung der Defizitziele?

Vielfach wird kritisiert, dass Steuerreform und Flüchtlingskosten die öffentlichen Haushalte über Gebühr belasten. Doch hier gilt es die Kirche im Dorf zu lassen: In den letzten Jahren wurde der Staatshaushalt merklich konsolidiert. Im Jahr 2015 kommt es wahrscheinlich sogar zu einer unnötigen Übererfüllung des EU-Budgetziel eines fast ausgeglichenen strukturellen Staatshaushalts (-0,5% des BIP), denn das strukturelle Defizit dürfte heuer nahe null liegen. Damit ist – entgegen allen Prognosen der Europäischen Kommission und der Wirtschaftsforschungsinstitute – die budgetäre Ausgangslage neuerlich besser als erwartet.

Die temporäre Budgetbelastung durch die Steuerreform, die Offensivmaßnahmen im Wohnbau und der Arbeitsmarktpolitik sowie die Kosten der Flüchtlingsbetreuung können nun durchaus dazu führen, dass 2016 das Ziel beim strukturellen Defizit vorübergehend überschritten wird. Die Bundesregierung wäre gut beraten, den Empfehlungen der Europäischen Kommission, rasch Korrekturmaßnahmen zu setzen, nicht zu folgen. Erstens würden substanzielle neue Konsolidierungsschritte die Arbeitslosigkeit weiter erhöhen und die konjunkturelle Erholung gefährden. Dies stünde in keinem Verhältnis zur allenfalls drohenden „Sanktion“ einer verzinsten Einlage bei der EU-Kommission. Zweitens wäre eine solche Kaution erst nach einer tatsächlich festgestellten erheblichen Abweichung und einer Korrekturfrist, also nicht vor Ende 2017, zu hinterlegen. Zudem erfüllen auch andere Länder die europäischen Regeln nicht auf Punkt und Beistrich, eine Sanktionierung ist somit recht unwahrscheinlich.

Günstige Rahmenbedingungen für öffentliche Investitionen

Die EU-Fiskalregeln sind ohnehin dringend reparaturbedürftig: Insbesondere wäre eine „Goldene Investitionsregel“ einzuführen, die die Kreditfinanzierung langfristig wirkender öffentlicher Investitionen ermöglicht. Gerade in rasch an Bevölkerung zunehmenden Ländern wie Österreich und angesichts der damit einhergehenden Notwendigkeit des Ausbaus der Infrastruktur (Wohnen, Bildung, Mobilität) kann niemand erklären, warum der Staat nicht gerade jetzt diese dringenden Investitionen vornehmen sollte: Der Zinssatz für langfristige Staatsanleihen liegt unter 1%. Paul de Grauwe hat jüngst darauf hingewiesen, dass es sicherlich eine Vielzahl von öffentlichen Investitionen gibt, die eine höhere volkswirtschaftliche Rendite abwerfen und daher ökonomisch sinnvoll sind.

Die größte Abweichung von den Teilzielen des magischen Vielecks der Wirtschaftspolitik ist derzeit beim Ziel der Vollbeschäftigung festzustellen: Die Arbeitslosigkeit hat für österreichische Verhältnisse ein Rekordniveau erreicht und die Prognosen lassen für 2017 eine Arbeitslosenquote von 10% der unselbständigen Erwerbspersonen (6% der Erwerbspersonen laut Eurostat) erwarten. Nichts ist deshalb dringender als ein wirtschaftspolitischer Schwerpunkt in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Er muss aus einer Kombination aus Beschäftigung schaffenden Maßnahmen (Infrastrukturinvestitionen, Ausbau soziale Dienstleistungen, Bildung und Forschung), stärkeren Qualifizierungs- und Trainingsanstrengungen für besonders betroffene Personengruppen sowie angebotssenkenden Maßnahmen bestehen (Arbeitszeitverkürzung, Verteuerung von Überstunden und Ausbau von Karenzmodellen).

Eine Trendwende bei der Arbeitslosigkeit würde auch wesentlichen Fortschritt in der Verteilung des hohen Wohlstandes mit sich bringen. Österreich gehört gemessen am Vermögen der privaten Haushalte, dem Einkommensniveau und dem Lebensstandard zu den reichsten Ländern der Welt. Im Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik von AK und Gewerkschaften steht deshalb nicht ein Wirtschaftswachstum das nur Millionäre reicher macht, sondern gerechte Verteilung und Vollbeschäftigung. Mit ihnen geht jene Orientierung an Wohlstand und sozialem Fortschritt für alle Bevölkerungsgruppen einher, der das Kernanliegen emanzipatorischer Wirtschaftspolitik darstellt.