Es war eine schwere Geburt: Mehr als zwei Jahre haben die EU-Institutionen über den EU-Finanzrahmen 2021 – 2027 verhandelt. Zuletzt kam noch das umfangreiche Konjunkturpaket „Next Generation EU“ dazu, um die coronabedingte schwere Rezession in der EU besser abzufedern. Die nun im Europäischen Rat erreichte Einigung ist historisch. Für eine nachhaltige Entwicklung von Wohlstand und Wohlergehen bleibt sowohl inhaltlich als auch vom Finanzvolumen ein Spielraum nach oben, der vom EU-Parlament nun noch genutzt werden kann.
Der steinige Weg zum nächsten EU-Finanzrahmen
Jean-Claude Juncker, damals noch EU-Kommissionspräsident, präsentierte im Mai 2018 seinen Vorschlag für die EU-Budgets 2021 – 2027 mit einem Volumen von 1.279 Mrd. Euro. Dieser enthielt mehrere neue Ansätze, wie beispielsweise 25% des Gesamt-Budgetvolumens für klimafreundliche Projekte zweckzuwidmen sowie eigene Öko- und Unternehmenssteuern zur Entlastung der nationalen – vor allem von ArbeitnehmerInnen finanzierte – Beiträge. Auf der anderen Seite finden sich darunter jedoch auch Vorschläge, deren Sinn sehr zu hinterfragen ist, wie ein EU-Verteidigungsfonds oder ein Grenzmanagementfonds. Mit dem Europäischen Sozialfonds Plus und einem Globalisierungsfonds stehen auch weiterhin Gelder für die Aus- und Weiterbildung von Beschäftigten und Jugendlichen sowie Unterstützungsprogramme für Arbeitssuchende zur Verfügung. Vom Budgetvolumen bleiben diese beiden Programme jedoch hinter den Möglichkeiten zurück und sind finanziell sogar schlechter ausgestattet als im auslaufenden EU-Finanzrahmen.
Statt einer inhaltlichen Diskussion konzentrierten sich die Auseinandersetzungen in der österreichischen Öffentlichkeit jedoch medientauglich von Anfang an auf den Mittelumfang des EU-Budgets. Die Kommission sah in ihrem Vorschlag ein Volumen von 1,11% des EU-Bruttonationaleinkommens (BNE) vor. Das ist zwar auf den ersten Blick mehr als im Finanzrahmen 2014-2020, der nach den von den „Nettozahlern“ damals durchgesetzten Kürzungen durchschnittlich genau ein Prozent betrug; Korrigiert man jedoch um Großbritannien und zählt den bislang außerbudgetären Entwicklungsfonds dazu, ist es de facto sogar um 0,05% des BNE weniger als zuletzt. Ein Umfang, der von den meisten Mitgliedstaaten begrüßt wurde. Die Ausnahme bildeten mit den Niederlanden, Schweden, Dänemark und Österreich die sogenannten frugalen Vier. Sie forderten mit starrem Blick auf die nationalen Haushalte und Ausblendung neuer und teilweise sehr drängender Herausforderungen eine Kürzung auf maximal 1% des BNE. Ende 2019/Anfang 2020 standen die Zeichen auf eine Annäherung bei 1,07% – in absoluten Zahlen bei rund 1.095 Mrd. Euro über sieben Jahre. Beim EU-Gipfel am 21./22. Februar diesen Jahres gingen die Staats- und Regierungschefs ohne Ergebnis auseinander.
Eine historische Krise, die alles ändert
Mit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie überschlugen sich die Ereignisse. Nach ersten Maßnahmen wie dem Programm SURE Anfang April kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 16. April 2020 in einer historischen Rede im Europäischen Parlament ein anleihenfinanziertes Konjunkturpaket zur Abfederung der Krise an, für das die Kommission Ende Mai einen konkreten Vorschlag im Umfang von 750 Mrd. Euro vorlegte. Gemeinsam mit einem leicht angepassten Vorschlag für den EU-Finanzrahmen beträgt das Volumen rund 1.850 Mrd. Euro.
Die rasche und umfassende Reaktion der Kommission unterscheidet sich klar von jener ab 2008, als lediglich zaghafte Koordinierungsversuche gefolgt von politischen Fehlentscheidungen zu einer Prolongierung der Finanzkrise geführt haben.
Rasche Einigung im Rat, klare Ablehnung im Europäischen Parlament
Die Einigung im Europäischen Rat Mitte Juli gelang nun erstaunlich schnell, auch wenn dazu eine fünftägige Marathonsitzung erforderlich war. 1.074 Mrd. Euro soll demnach das EU-Haushaltsvolumen für die nächsten sieben Jahre insgesamt betragen. Dazu kommen noch 750 Mrd. Euro in Form des Konjunkturpakets, wovon allerdings 360 Mrd. (statt ursprünglich vorgeschlagenen 250 Mrd.) keine Förderungen, sondern Kredite sind.
Die nunmehr rasche Einigung geht jedoch auf Kosten einiger zentraler Zielsetzungen. Das sah auch das Europäische Parlament so und lehnte die Einigung des Rates ab. Das EU-Parlament erhebt folgende Kernforderungen, damit es dem Paket doch noch zustimmen kann:
- Keine Kürzungen gegenüber dem Kommissionsvorschlag
- Die Pläne für neue EU-Eigenmittel müssen verbindlicher und konkreter werden
- EU-Förderungen sollen stärker von der Einhaltung von EU-Grundwerten (Rechtsstaatlichkeit) abhängig gemacht werden.
Der Rat ist nun dabei, seine Position zu adaptieren, nach der Sommerpause wird das EU-Parlament dann erneut über das Paket abstimmen. Im Sinne einer stärkeren Ausrichtung auf strategische Ziele der EU, bleibt zu hoffen, dass beim endgültigen Kompromiss das EU-Budget noch stärker auf die nachhaltige Entwicklung von Wohlstand und Wohlergehen ausgerichtet ist.
EU-Budget auf die nachhaltige Entwicklung von Wohlstand und Wohlergehen fokussieren
Ausgehend von den obersten wirtschaftspolitischen Zielen der EU, muss die kurzfristig Abfederung der sozialen und wirtschaftlichen Folgen der von COVID-19 ausgelösten Krise prioritär sein. Mit der neuen sogenannte „Aufbau- und Resilienzfazilität“ (RRF) steht nun auch erstmalig ein Instrument zur Verfügung, das diesbezüglich einen substanziellen Beitrag leisten kann. Richtigerweise soll damit gleichzeitig der Green Deal als europäische Antwort auf die Klima-Krise forciert werden.