Erstmals wurde auch für Österreich eine Fairwork-Studie zur Erhebung der Arbeitsbedingungen in der Plattformwirtschaft durchgeführt. Auf der Basis wissenschaftlicher Evidenz und anhand eines Ranking-Verfahrens bietet diese Einblicke in die Arbeitsbedingungen der sechs wichtigsten Plattformunternehmen Österreichs in den Sektoren Essens- und Lebensmittelzustellung, Fahrradbotendienste sowie Reinigungsarbeit. Sie zeigt einerseits, dass dieser Wirtschaftsbereich mehrheitlich von Prekarität geprägt ist, und andererseits, dass derzeit allein Arbeitsrecht gute Arbeitsbedingungen gewährleisten kann.
Der Fairwork-Ansatz zur Förderung menschenwürdiger Plattformarbeit
Fairwork ist ein internationales vergleichendes Forschungsprojekt, das vom Oxford Internet Institute und dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) koordiniert wird und in dem mittlerweile 28 Länder vertreten sind. Weltweit arbeitet Fairwork eng mit Beschäftigten, Plattformen, Interessenvertreter:innen und politischen Entscheidungsträger:innen zusammen, um eine fairere Zukunft der Plattformarbeit zu schaffen. An der Umsetzung dieses aktionsorientierten Forschungsprojekts sind mehr als 40 Universitäten und Forschungseinrichtungen beteiligt. Das österreichische Fairwork-Team unter der Leitung von Leonhard Plank besteht aus Markus Griesser und Laura Vogel von der TU Wien sowie Martin Gruber-Risak und Benjamin Herr von der Universität Wien. Die Finanzierung von Fairwork speist sich aus unterschiedlichen Quellen und reicht von europäischer Forschungsförderung über Beiträge von unterschiedlichen öffentlichen Stellen bis hin zur Unterstützung durch Arbeitnehmer:innenorganisationen und Stiftungen. Die österreichische Studie wurde von der AK Wien und der Stadt Wien finanziell unterstützt.
Die fünf Fairwork-Prinzipien
Der Ausgangspunkt von Fairwork ist, dass es unterschiedliche Risiken gibt, die bei ortsgebundener Plattformarbeit auftreten können. Diese reichen von Armutslöhnen über gefährliche Arbeitsbedingungen bis zur Unterdrückung von gewerkschaftlicher Organisierung. Als Reaktion auf diese Risiken wurden mit verschiedenen Stakeholdern eine standardisierte Methodik bzw. eine Reihe von Prinzipien für faire Plattformarbeit entwickelt. Auf Basis dieser gemeinsamen Prinzipien für faire Plattformarbeit werden Plattformen bewertet und mit einem Rating versehen. Das resultiert in einem Plattform-Ranking für den jeweiligen Staat, bei dem Plattformen zwischen 0 und maximal 10 Punkte erreichen können.
Insgesamt basiert das Rating auf fünf Prinzipien für faire Plattformarbeit:
- faire Bezahlung,
- faire Arbeitsbedingungen,
- faire Verträge,
- faires Management und
- faire Mitbestimmung.
Bei der Operationalisierung dieser Prinzipien wird jedes in zwei Punkte unterteilt: Ein Basispunkt wird vergeben, wenn einige grundlegende Bedingungen erfüllt sind, und ein fortgeschrittener Punkt, wenn weitergehende Standards erfüllt sind.
Die wissenschaftliche Methodik des Fairwork-Ratings
Die Evidenz für das Rating baut auf drei methodischen Säulen auf:
- Zunächst wird mit einem Desk Research begonnen, um herauszufinden, welche Plattformen in einem Land tätig sind. Außerdem werden alle öffentlich zugänglichen Informationen, die für den Bewertungsprozess relevant sind, gesammelt.
- Der zweite methodische Pfeiler ist die Befragung von Plattformmanager:innen, um den Betrieb und das Geschäftsmodell der Plattform besser zu verstehen.
- Die dritte methodische Säule ist die Befragung von Plattformarbeitenden, die Einblick in den faktischen Arbeitsprozess geben. Außerdem kann so geprüft werden, ob die zuvor ermittelten Maßnahmen zur Verbesserungen von Plattformarbeit in der Praxis tatsächlich funktionieren.
Auf Basis dieser unterschiedlichen Quellen erstellt das jeweilige nationale Fairwork-Forschungs-Team ein vorläufiges Rating. Dieses wird in einem Review-Prozess durch das Oxford/WZB-Sekretariat sowie zwei Fairwork-Gutachter:innen aus anderen Ländern geprüft. Dadurch soll die Konsistenz des Bewertungsprozesses gewährleistet werden.
Erste Fairwork-Studie für Österreich – prekär und am Rande der Armutsschwelle
Die erstmals 2022 für Österreich durchgeführte Fairwork-Studie nimmt die Situation der österreichischen Plattformökonomie in den Blick, wobei sechs Plattformen in den Branchen Essens- und Lebensmittellieferung, Personentransport sowie Reinigung untersucht wurden. Die Ergebnisse zeigen dabei ein sehr heterogenes Bild, wobei sich insgesamt sagen lässt, dass die Plattformökonomie auch in Österreich durch die Schaffung prekärer Arbeitsverhältnisse und niedriger Verdienstmöglichkeiten sowie einen geringen gewerkschaftlichen Organisierungsgrad gekennzeichnet ist. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Plattformen vorrangig (Schein-)Selbstständigkeit nutzen.